Eine runde Sache

Wenn aus Gülle Biogas wird, aus Fischwasser Dünger und aus Brot Bier, dann drehen sich die Nährstoffe im Kreis. Wie Kreislaufwirtschaft in Österreich genau funktioniert, können sich Neugierige live ansehen.
Veröffentlicht: 15.06.2021 | Aus: Salz & Pfeffer 3/2021, Publireportagen
Andreas Weilhartner und Christian Semper beim Feierabendbier: Upcycling funktioniert bei den Beer Buddies auch in der Braustube in Oberösterreich.

«In den letzten 40 Jahren haben wir keinen Strom zugekauft.»

«Aqua – was?» Mit dieser Frage starten die meisten Gespräche mit den Gründern des Food-Start-ups Blün. «Aquaponik ist eigentlich ein uraltes System der Kreislaufwirtschaft, das die Bauern schon seit Jahrhunderten anwenden, wenn sie mit dem Dung ihrer Tiere die Felder fruchtbarer machen. Das Gleiche machen wir mit unseren Fischen und dem Wasser, in dem sie schwimmen, das wir als Dünger für unser Gemüse nutzen», erklärt Gregor Hoffmann aus Wien.

Hoffmann gehört zu dem Produzentenquartett hinter Blün. Blün – das ist die Verbindung von Blau und Grün und von Fischen mit Gemüse. Trendig ist es schon lange, sich mehr mit Gesundheit und Ernährung zu beschäftigen. Menschen wollen wissen, woher ihr Essen kommt. Sie besuchen nahe Märkte und kaufen in kleinen Läden, beim «Greissler». Deshalb ist es kein Wunder, dass lokal produziertes Gemüse sowie Fische aus Wien begehrt sind und mittlerweile auf Speisekarten von 50  Restaurants der Hauptstadt stehen.

Aber was bedeutet Aquaponik nun eigentlich genau? Wenn Fischzucht und Gemüseanbau in einem geschlossenen Kreislauf vereint sind, dann spricht man von Aquaponik. Es ist eine Technologie, bei der kein Wasser verloren geht. Das Wiener Hochquellwasser, in dem die Fische schwimmen, wird zur flüssigen Nahrung für die Pflanzen im Glashaus, in dem Auberginen, Tomaten, Gurken sowie Zucchini heranwachsen.

Das gefilterte Wasser ist durchzogen von natürlichem Fischdünger, der das Gemüse beim Wachsen unterstützt und weder Schwermetalle noch Umweltgifte enthält, da die Fische – genauer Welse – indoorgezüchtet werden. Somit sind auch sie frei von diesen Schadstoffen. In solch einem geschlossenen Kreislauf geht nichts ver­loren, alles wird verwertet.

Vom Dünger zum Biogas
Auch Markus Gstach aus Vorarlberg hat sich ganz der  Kreislaufwirtschaft verschrieben. Gemein­sam mit seinem Vater widmete er sich schon vor 40 Jahren der Frage, was man mit der Gülle aus der Schweinehaltung machen kann. Biogas, lautete damals die Antwort, die bis heute unverändert gilt. Damit war der Betrieb einer der ersten in Europa, die aus Gülle Energie in Form von Strom und Wärme erzeugten. «In den letzten 40 Jahren haben wir keinen Strom zugekauft», berichtet Gstach stolz.

Aber zurück zum Anfang des Schweinebetriebs. Eigentlich züchtete Familie Gstach, wie viele andere Vorarlberger ­Bauern, Rinder. Es sollte aber eine Veränderung her, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Durch benachbarte Pommes- und Molkerei-Betriebe war schnell klar: Hier wird wertvolles Schweinefutter entsorgt. Denn die Vierbeiner fressen sehr gerne Kartoffelschalen und Molke.

Gemüse und Fisch direkt aus der Grossstadt: Hinter dem Wiener Start-up Blün stehen diese vier engagierten Bauern - Stefan Bauer, Bernhard Zehetbauer, Gregor Hoffmann und Michael Berlin.
Tierwohl und der bewusste Umgang mit vermeintlichen Abfällen sind für Schweinebauer Markus Gstach aus Vorarlberg wichtig.

Was andere wegwerfen, wurde für die Familie Gstach zur Basis des neuen Betriebs. Aber was tun mit der Gülle? Mit einem Ingenieursbüro um die Ecke feilte sie an der Idee, Biogas herzustellen. Bis heute hat sich die Biogas-Anlage von Gstach um das Dreifache vergrössert. Auch Bauern aus der Umgebung liefern Gülle, die sie dann in Form von Dünger nach 70 Tagen wieder zurückbekommen. Die daraus erzeugte elektrische Energie wird im eigenen Betrieb verwendet, ein Grossteil wird zusätzlich an den regionalen Energieversorger geliefert. Die zusätzlich anfallende Wärme nutzt Gstach im Betrieb (Besucherzentrum, Metzgerei und Schweinestall) zur Heizung, Kühlung sowie Warmwasserbereitung.

Aber nicht nur in der Wiederverwertung der Abfälle ist Gstach ein Vorreiter, sondern auch bei der Schweinezucht selbst. Er legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit und das Tierwohl. So behalten seine Schweine ihr Ringelschwänzchen, sie leben länger und laufen freier als in ­Massenbetrieben, dazu werden sie vom Schweinebauern liebevoll umsorgt. Bei Führungen zeigt er die «Sauna», eine Infrarotlampe, unter der sich die Ferkel besonders gerne kringeln, oder die eigene Produktionsstätte. «Keine Transportwege bedeutet weniger Stress für die Tiere», sagt der 61-Jährige und krault eine Muttersau hinter dem Ohr.

Brot und Bier
Upcycling wird auch in Oberösterreich grossgeschrieben. Andreas Weilhartner ist die Verschwendung von altem Brot ein besonderer Dorn im Auge. Deshalb hat er sich mit seinem Beer Buddy Christian Semper überlegt, altes Brot mit der Maische zu vermischen, um ein besonders nachhaltiges Märzenbier zu brauen: «Das ist doch echt ein toller Gedanke», sagt Weilhartner. «Man verwendet etwas, das eigentlich im Müll landen würde, und führt es wieder der Nahrungskette zu.» So werden nicht nur weniger Lebensmittel weggeschmissen, sondern wird auch viel Geschmack erzeugt: «Das Weizenmehl hat sehr viel Eiweiss. Eiweiss ist beim Bier wichtig für die Bildung und Beständigkeit des Schaums. Und für den vollmundigen Geschmack. Mit Brot bekommt das Märzen einen bekömmlichen Charakter.»

Das Bier der Beer Buddies wird zu 100 Prozent aus Hopfen und Malz aus dem Mühlviertel produziert. Auch das Brot kommt aus der Gegend. «Andere Craft-­Beer-Brauereien setzen auf kalifornische oder neuseeländische Hopfensorten – für uns muss der Carbon Footprint passen», erklärt Weilhartner, der auch Führungen und Verkostungen durch die Produktionsstätte anbietet. Diese enden dann oft an seinem Lieblingsplatz: «An der Brauerei fliesst ein kleiner Bach entlang, die Bäume bieten gemütlichen Schatten – ich kann mir keinen schöneren Ort für ein Feierabendbier vorstellen.»

Beim Nachbarn geniessen
In vielen österreichischen Betrieben können Gäste miterleben, wie der Kreislauf in der Lebensmittelproduktion funktionieren kann. Bei einer Radtour am Alpenrheinweg empfiehlt sich etwa eine kulina­rische Pause in Rankweil in Vorarl­berg bei der Familie Gstach. Bier-, Wein- oder Wandergenuss erfahren Feriengäste im oberösterreichischen Mühlviertel. Und in Wien lassen sich Fisch und Gemüse des Start-ups Blün in vielen Restaurants verkosten. Mehr Inspiration für die nächsten kulinarischen Ferien in Österreich gibts online.
austria.info/kulinarik



Seite teilen

Bleiben Sie auf dem Laufenden – mit dem kostenlosen Newsletter aus der Salz & Pfeffer-Redaktion.

Salz & Pfeffer cigar gourmesse