«Doch, es funktioniert»

Die Tibits-Restaurants feiern heuer ihr 20-Jahre-Jubiläum. Mitgründer Reto Frei blickt zurück auf die vegetarische Erfolgsgeschichte, die von Zürich aus die Schweiz eroberte.
Text: Virginia Nolan – Foto: z.V.g.
Veröffentlicht: 14.11.2020
«Zu unseren wichtigsten Leistungen als Unternehmen gehört für mich, dass wir mit der Marke Tibits massgeblich dazu beitragen konnten, die vegetarische und vegane Küche aus einer eher unbeachteten Nische zu hieven und eine breite Öffentlichkeit dafür zu begeistern», sagt Tibits-Mitgründer Reto Frei.

«Wir planen, nächstes Jahr in ein Hotel-Projekt einzusteigen.»

Vor 20 Jahren gründeten Sie die Marke Tibits mit. Was mit einem Restaurant beim Zürcher Opernhaus startete, ist mittlerweile zu einem Gastrobetrieb mit zwölf verschiedenen Standorten herangewachsen. Wie blicken Sie auf die vergangenen 20 Jahre zurück?
Reto Frei:
Mit Freude und Erstaunen darüber, dass es tatsächlich schon 20 Jahre sind – so fühlt es sich gar nicht an. Manchmal kommt es mir vor, als wäre das alles es erst gestern gewesen: die Eröffnung unseres ersten Lokals, das Lampenfieber, die etwas bangen Momente rund um die Frage, ob unser Konzept überhaupt Anklang findet.

Hatten Sie da Zweifel?
Natürlich überwog die Zuversicht, aber da war auch die Frage, ob das Ganze vielleicht zu gewagt sei. Dass die vegetarische Küche funktioniert, wussten wir aus der Erfolgsgeschichte des Restaurants Hiltl, mit dessen Inhaber Rolf Hiltl wir im Tibits gemeinsame Sache machen. Aber zum Beispiel beschritten wir neue Wege, was die Inneneinrichtung angeht, die mit ihren knalligen Farben und dem bunt zusammengewürfelten Mobiliar damals recht ausgefallen daherkam. Neu war auch unser Ansatz, Gästen einen Rahmen zu bieten, der eine unkomplizierte und schnelle Verpflegung ermöglicht, gleichzeitig aber auch zum Verweilen einlädt. Anfangs waren wir unsicher, ob das zusammengeht, fragten uns beispielsweise, ob Gäste bei uns auch einen ganzen Abend verbringen würden. Ich weiss noch, wie froh ich war, als ich das erste Paar beim Tête-à-tête erblickte. Da wusste ich: Doch, es funktioniert.

Welches sind die wichtigsten Meilensteine, die das Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren erreicht hat?
Jedes Lokal, das wir in Betrieb nehmen durften, war ein wichtiger Meilenstein, dem meist eine lange, manchmal gar mehrjährige Suche nach dem passenden Standort vorausgegangen war. Ein besonderer Moment war natürlich, als wir 2008 in London eröffneten. Zu unseren wichtigsten Leistungen als Unternehmen gehört für mich, dass wir mit der Marke Tibits massgeblich dazu beitragen konnten, die vegetarische und vegane Küche aus einer eher unbeachteten Nische zu hieven und eine breite Öffentlichkeit dafür zu begeistern. Dieses Verdienst gebührt sicher unseren Köchen, ist aber auch auf den Umstand zurückzuführen, dass wir unsere Restaurants stets an zentralen Lagen betreiben wollten. Dieser prominente Auftritt hat die Vegi-Küche sicher auch gepusht – von der Seitenstrasse ins Rampenlicht, sozusagen – und ihr zu mehr Beachtung verholfen.

Vegetarismus und Veganismus sind heutzutage nicht nur salonfähig, sondern zum Mega-Trend avanciert. Immer mehr Gastronomen erkennen das und setzen auf entsprechende Konzepte. Wie wirkt sich das auf Ihren Geschäftsgang aus, und was hebt das Tibits von der wachsenden Konkurrenz ab?
Was den Geschäftsgang betrifft, hat sich die Tatsache, dass wir heute mehr Wettbewerber haben, nicht negativ ausgewirkt. Wir konnten uns in den vergangenen Jahren gut behaupten, bestehende Restaurants erweitern oder, wie zuletzt in Bern und Basel, sogar weitere in Betrieb nehmen. Ich glaube, was uns einzigartig macht, ist die Tatsache, dass wir aus voller Überzeugung vegetarisch oder eben vegan kochen, und nicht, weil es im Trend liegt. Wir dürfen uns in diesem Bereich durchaus als Vorreiter sehen. Daraus ergibt sich ein Know-how, ein überaus reicher Fundus an Ideen und handwerklicher Raffinesse, von dem unsere Gäste profitieren. Wir entwickeln uns ständig weiter, sei es in der Produktinnovation oder in Sachen Dienstleistung. Es ist uns sehr wichtig, in Bewegung zu bleiben, Veränderungen zu erkennen, den Nerv der Zeit zu treffen.

Wie haben sich Marktumfeld und Zielgruppe im Lauf der Jahre verändert?
Früher, auch zu unserer Gründerzeit, waren Vegi-Restaurants gastronomische Aussenseiter. Die Tatsache, dass Konzepte wie unseres heute so beliebt sind und im Markt grosses Potenzial haben, ist sicher die bedeutendste Veränderung, die wir in den vergangenen 20 Jahren registriert haben. Anders sind heute aber auch die Motive der Gäste, vegetarisch oder vegan zu essen. Ging es früher meist um das Tierwohl, stehen heute Nachhaltigkeitsgedanken rund um die Umwelt und – immer stärker – gesundheitliche Aspekte im Zeichen der Selbstoptimierung im Vordergrund.

Ihr Jubiläumsjahr steht unter einem schwierigen Stern: Wie meistert das Tibits die Corona-Krise?
Nun, sie war und bleibt eine Herausforderung. Wir versuchen, wo immer möglich etwas Positives daraus zu machen, beispielsweise widmeten wir uns im Lockdown vorgezogenen Unterhaltsarbeiten. Das liess uns am Ball bleiben und nach vorne schauen. Im Moment geht es einigermassen, wir haben unsere Öffnungszeiten leicht angepasst, versuchen aber schon, möglichst alle Restaurants offen zu behalten. Im Moment geht es vor allem darum, weiterhin für den Gast da zu sein und unseren Leuten eine Beschäftigung zu bieten. Das geht zurzeit auch irgendwie auf, allerdings mit Abstrichen. So mussten wir beispielsweise unsere beiden Restaurants in London schliessen. Das war ein schwerer, aber nötiger Entscheid, denn dort ist das Marktumfeld noch härter, und die Vermieter kommen einem, im Gegensatz zu hier, auch in harten Zeiten weniger weit entgegen.

Welche Pläne hegt das Tibits für die Zukunft?
Wir wollen weiterhin für unsere Werte einstehen. Dazu gehört beispielsweise, kleine Produzenten zu fördern, mit denen wir eng zusammenarbeiten, um neue Produkte zu entdecken. Innovativ zu bleiben, ist eines unserer wichtigsten Anliegen. Aktuell entwickeln wir etwa mit gemeinsam mit einem Metzger eine vegane Wurst auf Randenbasis. Vielleicht bieten wir in Zukunft zusammen Kurse zu veganem Wursten an. Solche Projekte wären vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Diese Art von interdisziplinärer Zusammenarbeit wollen wir weiterhin fördern, sie ist lehrreich und macht extrem Spass. Ausserdem planen wir, nächstes Jahr in ein Hotelprojekt einzusteigen.

Das Tibits wagt sich an die Hotellerie?
Wenn alles läuft wie geplant, ja. Konkret geht es um eine Kooperation mit einem Kurhaus im Appenzell, zu der wir angefragt wurden. Geplant ist, sich als kleines Kurhotel im Bereich Gesundheitstourismus zu positionieren – mit Angeboten, teils auch medizinischen, die das Wohlbefinden von Körper und Geist in vielfältiger Art und Weise stärken. Dabei spielt die Ernährung natürlich eine Hauptrolle. Wir sind bereits auf der Suche nach Diätköchen, die Lust haben, sich mit uns an dieses Abenteuer zu wagen. Das Unternehmen Tibits würde allerdings nicht nur die Küche des Hauses verantworten, die Idee wäre, dass wir auch den Betrieb des Hotels mit seinen 16 Zimmern stemmen.  

Tibits, abgeleitet von «tidbits», Englisch für «kleine Leckerbissen», steht für eine genussvolle, frische und gesunde Vegi-Küche. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 von den Brüdern Christian, Daniel und Reto Frei gemeinsam mit der Familie Hiltl gegründet, die in Zürich mit dem Haus Hiltl das älteste vegetarische Restaurant der Welt betreibt. Die Idee zu Tibits entstand im Rahmen des Businessplan-Wettbewerbs Venture 98, einer Veranstaltung von ETH Zürich und McKinsey, im Zuge derer die Gebrüder Frei für ihren Businessplan «Vegetarische Fast Food Restaurants» prämiert wurden. Als das Projekt Vegi-Pionier und Gastronom Rolf Hiltl zu Ohren kam, kontaktierte er Reto und Christian Frei. Die Chemie stimmte, und rund zwei Jahre später folgte mit dem Tibits am Zürcher Opernhaus der erste gemeinsame Wurf. Mittlerweile ist das Tibits an 12 Standorten vertreten. Die beiden Restaurants in London hat das Unternehmen im Zuge der Corona-Krise aufgegeben. Mehr Infos zum Unternehmen gibts hier.



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