Schlachtung mit Achtung

Mit seinem mobilen Schlachthaus will Mischa Hofer Bauern die Möglichkeit geben, Tiere auf dem eigenen Hof schlachten zu lassen. Ab Sommer soll das möglich sein.
Text: Virginia Nolan – Foto: z.V.g.
Veröffentlicht: 11.04.2020
Tiere können noch so vorbildlich gehalten und gefüttert werden – dem Stress im Schlachthof sind sie dennoch ausgesetzt. Am Ende gibt es also trotz aller Bemühungen eine Lücke, die Mischa Hofer mit seinen Hofschlachtungen schliessen will.

«Nachhaltigkeit und Tierwohl betreffen nicht nur die Fütterung und Haltung von Tieren, sondern auch deren Schlachtung.»

Vom Hof auf den Tisch, und dies möglichst direkt, so lautet der Food-Trend der Stunde. Ebenso die Philosophie von Mischa Hofer aus dem Bernbiet, der Nutztieren künftig den Umweg zum Schlachthof ersparen will. Stattdessen will er Landwirten die Möglichkeit zurückgeben, ihre Tiere auf dem eigenen Hof schlachten zu lassen. In der Schweiz ist die sogenannte Hof- und Weidetötung seit langem verboten, die Ausnahmereglung betrifft aktuell gerade einmal sechs Betriebe. Nun reagiert der Bundesrat auf politische Vorstösse und arbeitet derzeit an einer Änderung der Verordnung, die laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen voraussichtlich diesen Sommer in Kraft treten wird.

Hofers mobile Schlachtanlage mutet an wie ein gewöhnlicher Tiertransporter, ein Blick hinein verrät, dass mehr dahintersteckt. Herzstück der Konstruktion ist ein sogenanntes Fangmodul, eine Futtervorrichtung, an die der Landwirt das Tier 24 Stunden im Vorfeld der Schlachtung gewöhnt. Am Tag X platziert Hofer das Fangmodul auf einer ausfahrbaren Plattform und koppelt diese mit dem Transportanhänger. Angelockt vom Futter, begibt sich das Tier selbständig auf die Plattform, und während es frisst, aktiviert sich der Fangmechanismus und fixiert es. «Dann geht alles ganz schnell», sagt Hofer. «Bevor das Tier weiss, wie ihm geschieht, wird es vom Metzger mit einem Bolzenschuss betäubt. Dann schiebt sich das Fangmodul auf der Plattform in den Anhänger zurück, und die Tür schliesst sich.» Im Anhänger lässt der Metzger das Tier ausbluten, dabei senkt sich die Vorrichtung, auf der es liegt, schrägt nach unten, wo das Blut in eine grosse Wanne rinnt. Anschliessend wird der Anhänger zur Metzgerei gefahren, wo das Fleisch 45 Minuten nach Bolzenschuss eintreffen muss.

Sein Gefährt, das ihn 100 000 Franken kostete, erstand Hofer in Deutschland. Die Hautimportrechte dafür hat er sich bereits gesichert, denn Hofer ist überzeugt: «Die Sache wird einschlagen wie der Blitz.» Damit dürfte der Jungunternehmer vermutlich nicht falsch liegen, zumal die Hoftötung für Metzger, die eine wachsende Zielgruppe von sogenannt bewussten Fleischkonsumenten bedienen, ein attraktives Marketinginstrument darstellt. «Aspekte von Nachhaltigkeit und Tierwohl betreffen nicht nur die Fütterung und Haltung von Nutztieren, sondern auch deren Schlachtung», sagt Hofer, selbst angehender Landwirt im luzernischen Vitznau, wo er ab 2021 einen Bio-Bergbetrieb bewirtschaften wird. Der Transport der Tiere zum Schlachthof und die fremde Umgebung, in der sie sich dort wiederfänden, bedeute für das Vieh unter Umständen grossen Stress, der auch Nutztiere treffe, die im Vorfeld vorbildlich gehalten und gefüttert worden seien. «Am Ende gibt es also trotz aller Bemühungen eine Lücke, die wir mit unserem Angebot schliessen können», sagt Hofer. Um gegenüber Konsumenten und Tierschutzorganisationen Transparenz zu schaffen, wird denn auch jede Hofschlachtung per Video aufgezeichnet.

 

Was aussieht wie ein gewöhnlicher Transportanhänger, ist in der Tat eine mobile Schlachtanlage.
Herzstück der Konstruktion ist ein sogenanntes Fangmodul, eine Futtervorrichtung, an die der Bauer das Tier im Vorfeld gewöhnt. Am Tag der Schlachtung platziert Hofer das Fangmodul auf einer ausfahrbaren Plattform und koppelt diese mit dem Transportanhänger.
Mischa Hofer ist bereits mit Gastronomen im Gespräch, die zusammen mit ihren Produzenten von seinem Angebot Gebrauch machen wollen.

Für die Hoftötung sprächen aber auch sensorische Kriterien im Hinblick auf die Fleischqualität, sagt Hofer, der mit seinem Unternehmen Platzhirsch Fleischspezialitäten GmbH naturnahe Produkte einheimischer Wildtiere und seltener Schweizer Nutztierrassen anbietet: «Der Stress, dem Tiere in fremder Schlachtumgebung ausgesetzt sind, kann für einen hohen Adrenalinausstoss sorgen, der das Fleisch zäh oder sogar ungeniessbar werden lässt.»

Aktuell wartet Hofer auf grünes Licht vom Bundesrat und hat bereits Anmeldungen für 300 Tiere. Unterstützung geniesst er auch von den Branchenorganisationen Bio Suisse, KAG Freiland, Demeter Schweiz, IP Suisse und Pro Specie Rara. Ebenso ist er mit Gastronomen im Gespräch, die zusammen mit ihren Produzenten vom Angebot Gebrauch machen wollen. «Für Gastronomen ist die Lösung attraktiv, weil sie mit ausgewählten Partnern gemeinsame Sache machen können», sagt Hofer, «und dem Gast gegenüber ein Verkaufsargument haben, welches deutlich macht, dass sie Nachhaltigkeit auch wirklich zu Ende denken.» Sein Label «Hofschlachtung Schweiz» hat Hofer schützen lassen. Seine Partner dürfen es als Marketinginstrument auf allen Kanälen verwenden, Gastronomen zahlen dafür 320 Franken pro Jahr.

Die Mehrkosten, die durch die Hofschlachtung für Landwirte anfallen, beziffert Hofer für das Rindfleisch einer durchschnittlichen Schweizer Fleischrasse auf 1.50 bis 1.80 pro Kilogramm. «Für Mischpakete zu fünf Kilogramm bedeutet das einen Aufschlag von rund 8 Franken», so Hofer. «Ich bin überzeugt, dass Konsumenten und Abnehmer, die weiterdenken, diesen Betrag aufwerfen.»

Mehr Informationen zur mobilen Hofschlachtung, die Mischa Hofer mit seinem Unternehmen Platzhirsch Fleischspezialitäten GmbH ab Sommer anbieten will, gibt es hier.



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