Ein Paar fürs Pairing

Das Du Bourg in Biel erlebt mit dem Debut eines jungen Gastgeberpaars eine vielversprechende Renaissance. Mit Verve und Leidenschaft bringen Fiona Liengme und Christian Aeby das Terroir des Seelands auf den Teller und ins Glas.
Text: Simon Bühler – Fotos: Rolf Neeser
Veröffentlicht: 12.10.2021 | Aus: Salz & Pfeffer 5/2021

«Das Hirngespinst einer eigenen Beiz kam mir, als ich sah, wie gut wir uns ergänzen.»

Das altehrwürdige Restaurant Du Bourg blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Seit Juni wirken im sorgsam renovierten Baudenkmal Fiona Liengme (25) und Christian Aeby (26). Mit ihrer Vision einer naturverbundenen vegetabilen Küche setzen die beiden neue Massstäbe und bereichern die Bieler Altstadt um ein gastronomisches Juwel mit überregionaler Strahlkraft.

Blutjung begegnen sie sich 2011 als Kochlehrlinge in der Berufsschule in Freiburg. Liengme und Aeby erlernen das Handwerk in gutbürgerlichen Häusern von der Pike auf. Ihren hart verdienten Lehrlingslohn investieren sie in erste kulinarische Erlebnisse in der Sternegastronomie, die sie in der Freizeit nachkochen. «Das Hirngespinst einer eigenen Beiz kam mir, als ich sah, wie gut wir uns ergänzen», verrät Liengme die Erfolgsformel für die harmonische Synthese, die sich nicht zuletzt auf dem Teller und im Glas widerspiegelt. «Fiona hat mich immer gepusht – ohne sie hätte ich meine Leidenschaft für das Kochen und die Gastronomie nie entdeckt», sagt Aeby. Zum Glück ist der Jugendtraum nach zehn intensiven Lehr- und Wanderjahren sowie sechs nervenzehrenden Monaten in der pandemiebedingten Zwangspause Mitte Jahr endlich in Erfüllung gegangen.

Mit welchem Anspruch das Ausnahmepaar im Du Bourg das Publikum begeistern will, wird bereits beim Amuse-Bouche klar: Auf einem Keramikpodest thront ein Pilz-Millefeuille mit einer subtil scharf abgeschmeckten Duxelles-Farce neben einem filigranen Spätsommergemüse-Röllchen aus gepickeltem Bierrettich, gebratenem Weisskohl und frischen Radieschen an einer fermentierten Stachelbeer-Vinaigrette und einer unscheinbaren Gemüse-Bouillon, die sich als veritable Umami-Bombe entpuppt. Dieses Labsal aus purem Gemüse mit wundersam fleischig-fischiger Note empfiehlt Aeby zuletzt zu trinken, «um den Gaumen zu reinigen und mit Freude ins Menü zu starten». Vorfreude herrscht. Nicht nur als Privatvergnügen im Gaumen, sondern an allen fünf Tischen der kleinen Gaststube, die bis zum letzten der 25 Plätze ausgebucht ist.

Was Aeby mit Souschef Michael Rossi im Du Bourg aus der winzigen Küche hinter der Bar hervorzaubert, ist nicht nur aufregend frisch und kreativ. Es zeugt auch von grundsolidem Handwerk, aufopferndem Fleiss und respektvollem Umgang mit den Produkten von den Äckern, Gewässern und Weiden des Seelandes. Dabei steht das Gemüse bei Aeby klar im Mittelpunkt. «Den perfekten Garpunkt von Fleisch und Fisch hat man irgendwann im Griff, da inspiriert mich Gemüse einfach mehr, denn die vegetabile Küche bietet noch unendlich viel Neuland.»

Das Gemüse im Du Bourg stammt praktisch ausschliesslich vom Biohof der Familie Otti aus Oberwil bei Büren. «Ich suche nicht nach Produkten, sondern lasse mich im Dialog mit den Produzenten davon inspirieren, was die Natur und der Markt hergeben.» Da ist es natürlich praktisch, dass die Ottis ihren Marktstand jeden Samstag direkt vor dem Restaurant aufschlagen. In diesem Sommer hatte die Ernte wegen Hagel und Überschwemmungen stark gelitten. «Da war viel Kreativität gefragt, aber genau das reizt mich.»

Spätestens beim ersten Gang (Otti’s Tomaten – Swiss Shrimp – fermentierte Erdbeere – Basilikum) wird klar, was Aeby meint, wenn er dem Gemüse die Hauptrolle zuhält, und wie wichtig ihm die Würdigung der Produzenten ist. Er hat die Tomaten 24 Stunden im eigenen Saft mit schwarzem Knoblauch eingelegt und serviert sie an einem Zucht-Shrimp aus Rheinfelden mit einer Crème gerösteter Tomaten, fermentierter Erdbeeren und Sonnenblumenkerne an Basilikumöl. Dazu giesst Christian ein klares Tomatenwasser. Um keinen Tropfen der Essenz zu vergeuden, bitten wir um mehr vom Sauerteigbrot, das unmittelbar vor dem Service in den Ofen kommt.

Otti’s Tomaten – Swiss Shrimp – fermentierte Erdbeere – Basilikum
Lachsforelle – Fenchel – Bisque

Die angeregte Stimmung im Lokal ist nicht nur der kreativen Performance und den überraschenden Aroma-Kombinationen auf dem Teller zu verdanken, sondern massgeblich auch der harmonisch darauf abgestimmten Begleitung im Glas. Das Liquide ist Liengmes Domäne. Nach einer gutbürgerlichen Kochlehre im Hotel Des Alpes in Düdingen erlernt sie den Beruf der Restaurationsfachfrau auf höchstem Niveau im Restaurant Des Trois Tours in Freiburg und arbeitet danach als Chef de Rang in der Eisblume Worb, in der sie sich zur Sommelière weiterbildet. «Ich probiere, zu Christians Gerichten jeweils ein passendes Gegenüber ins Glas zu bringen – mit oder ohne Alkohol», erklärt sie. Dabei gilt den Non-Alkoholika Liengmes besondere Passion: Sie entwickelt diese von Grund auf selber und bereitet sie aufwendig zu. Von zentrifugierten Frucht- und Gemüsesäften über kalt gebrühte Tees und Limonaden bis hin zu fermentierten Kreationen à la Kombucha und Shrubs auf der Basis essiggesäuerter Sirups. Dieses Erlebnis sollten sich nicht etwa nur Schwangere oder anonyme Alkoholiker gönnen.

Wie wunderbar das Pairing zwischen Küchenchef und Gastgeberin funktioniert, zeigt exemplarisch der zweite Gang: Zu den sanft gegarten Felchen vom Bielersee mit einem aus der Karkasse, dem Kopf und den Gräten gewonnenen Fond sowie einer Trilogie vom Kohlräbli – gepickelt, roh und gebraten – an einem erfrischenden Cassisholz-Öl reicht Liengme einen erfrischenden Cold-Brew-Grüntee mit Holunder und Verjus.

Beim Dessert ist das Pairing für einmal umgekehrt entstanden: Zu Liengmes «Süsswein», basierend auf Dörraprikose, Honig und Safran, kreierte Aeby einen Gegenpol: ein herbes Kompott aus gedörrten Zwetschgen mit einem Thymianglace an Zwetschgensud und Thymianöl, ergänzt von einem Mürbeteig-Tarte-Halbmond und einem Flan mit Zwetschgencoulis. Gekrönt von einer schlicht und einfach göttlichen Crème Chantilly.

Apropos: Wer nach diesem traumhaften Genussprogramm das Du Bourg gar nicht mehr verlassen will, findet in den einstigen Dienstkammern unter dem Dach ein exklusives Penthouse, das die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet.

Restaurant Du Bourg
Burggasse 12, 2502 Biel
032 322 03 02
du-bourg.ch



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