«Insbesondere für viele Frauen ist es höchst unangenehm, alleine im Restaurant zu essen.»
Wissenschaftlich fundierte Thesen zum alleinessenden Gast existieren übrigens nicht. Das sagt zumindest Claus Lampert. Der deutsche Psychotherapeut beschäftigt sich seit seiner Studienzeit mit psychologischen Phänomenen in der Gastronomie. Eine wichtige Rolle spiele bei Einzelgästen die Fantasie. «Wer alleine ein Restaurant besucht, entschwindet automatisch in einer eigenen Gedankenwelt, stellt sich Geschichten vor und unterhält sich damit quasi selbst», so Lampert. Um aber gedanklich zu «verreisen», muss sich der Gast möglichst wohl fühlen und genau darin liegt die Herausforderung für jeden Gastgeber: Er muss innert Sekunden das psychologische Profil seines Gastes einschätzen.
Der schizoide Typ zum Beispiel ist eine kontrollierte, sachliche Person, die eher den Rückzug als die Geselligkeit sucht. Etwa fünf Prozent aller Gäste gehören diesem Typus an, sagt Lampert. «Solche Menschen setzt man an einen etwas zurückgezogenen Ort und betreut sie am besten freundlich distanziert.». Ganz anders liegen die Dinge beim histrionischen Typ, der sehr theatralisch die Aufmerksamkeit geradezu sucht und sich deshalb in der Mitte des Restaurants, am wohlsten fühlt.
Natürlich erkennt auch der beste Gastgeber nicht immer sofort, wie eine Person tickt. Es ist deshalb durchaus angebracht, den Gast einfach zu fragen, wie er es denn am liebsten hätte. Das empfiehlt auch Marlies Nussbaumer, Geschäftsführerin des Restaurants Belvoirpark sowie Vizedirektorin der gleichnamigen Hotelfachschule in Zürich. «Die Wahl des Tisches ist für den alleinessenden Gast wichtiger als für ein Paar, das im Zweifelsfall ja immer noch sich selbst hat.» Es sei die Aufgabe des Services, den Gast nach seiner Präferenz zu fragen und ihm wann immer möglich die Tischwahl zu überlassen.
Dem Argument, Einzelgäste würden nicht rentieren, da ein Platz ungenutzt bleibe und der Konsum generell tiefer sei, tritt Nussbaumer klar entgegen. «Das ist der falsche Ansatz, Gastronomen sehen oft nur den Moment.» Ein zufriedener Gast kommt wieder, oder er spricht zumindest gut über das Restaurant, was Folgegäste aus seinem Bekanntenkreis nach sich ziehen kann, so Nussbaumer.
Ganz und gar nicht gerne allein isst Beatrix Révész alias Miss Paprika: «Insbesondere für viele Frauen ist es höchst unangenehm, alleine im Restaurant zu essen.» Vor einem Jahr lancierte die in Basel lebende Bernerin deshalb das Projekt «m-eating-table». Es handelt sich dabei um einen speziell ausgeschriebenen Gemeinschaftstisch, der für gesellige Einzelgäste reserviert ist. Etwa 33 Restaurants und Hotels bieten in der Schweiz mittlerweile einen «m-eating-table» an, bis im Juni sollen es 50 Betriebe sein. Die Feedbacks seien gut, so die Gründerin, vor allem Hotels, aber auch Beizen oder Stadtlokale zeigen ein reges Interesse. Allerdings räumt Révész auch ein, dass der «m-eating-table» (noch) kein Selbstläufer sei. «Als Gastgeber muss man das Angebot aktiv und mit Freude promoten, von nichts kommt auch nichts.»
Und natürlich gibt es auch Einzelgäste, die sich im Spitzenrestaurant ein Sechs-Gang-Menü leisten und dabei stundenlang mit sich alleine bleiben. Im «The Restaurant», dem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Lokal des Zürcher Hotels The Dolder Grand bilden Einzelgäste zwar eine Minderheit, jedoch eine gern gesehene. Speziell bedient werde dieses Kundensegment nicht, erklären die Verantwortlichen, man achte jedoch darauf, dass diese Art Gast vom Service etwas mehr unterhalten wird, sofern dies gewünscht sei. Ähnlich geht auch Stephan Nitzsche vor. Der Maître d’hôtel im Restaurant Einstein Gourmet in St. Gallen parliert in der Regel mehr mit Einzelgästen als mit Gruppen und hält auch eine passende Lektüre bereit, um dem Gast die Wartezeiten zu überbrücken. «Oft wollen Einzelgäste aber auch einfach die Atmosphäre des Restaurants auf sich wirken lassen und sind vollkommen zufrieden.»