Mit Herz und Haltung

Im Restaurant Schützenmatt schafft Sören Wirth den Spagat zwischen gepflegter Gastronomie und sozialer Arbeit. Letzten Herbst rief die Küchenleistung sogar Gault & Millau auf den Plan.
Text: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Veröffentlicht: 31.03.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2020
Das Team des Restaurants Schützenmatt (von links): Lörinc Laposi, Nuran Karatepe, Mohamed Hussein Abdullahi, Thevarajah Sajeeban, Sören Wirth, Aster Girma und Stefan Moche

«Diese Menschen stehen voll im Leben und wollen weiterkommen.»  

Das Restaurant Schützenmatt liegt im Herzen von Altdorf, gleich neben dem Theater Uri und nur einen Katzensprung vom Zeughaus entfernt. Betriebsleiter und Küchenchef Sören Wirth sitzt ziemlich entspannt an einem der farbigen Tischchen auf dem mit Backsteinen gepflasterten Vorplatz und gönnt sich eine Zigarette. Der Mittagsservice ist fast vorbei, drinnen sitzen noch vereinzelte Gäste beim Kaffee, an einem Tisch flambiert ein junger Kellner Crêpes Suzette nach allen Regeln der Kunst.

«Eigentlich wollte ich ein soziales Studium absolvieren, das klappte dann aber nicht», erzählt Wirth. Stattdessen nahm der heute 27-Jährige eine Kochlehre am Flughafen München in Angriff. «Ich lernte das Handwerk in einem sehr internationalen Umfeld, wir hatten viele Ungarn, aber auch Afrikaner und Amerikaner.» In der Schützenmatt ist sein Team nun ähnlich bunt gewürfelt. Aktuell arbeiten hier sieben Nationalitäten Hand in Hand und mit dem gleichen Ziel: möglichst rasch im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.

Seit mehreren Jahren setzt das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), das im Kanton Uri für den Asyl- und Flüchtlingsdienst zuständig ist, auf die Gastronomie, um Asylsuchenden, aber auch Schweizern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, eine Perspektive zu geben. Dafür initiierte Kurt Strehler, gelernter Koch und Fachbereichsleiter des Asyl- und Flüchtlingsdienstes Uri, zusammen mit Hugo Köppel, Abteilungsleiter SRK, 2011 das Restaurant Fomaz in Altdorf.

Im sogenannten Ausbildungsrestaurant absolvieren jeweils sechs Personen einen einjährigen Kurs. «In der Gastronomie lernt man zahlreiche Dinge, die in der Arbeitswelt fundamental sind», erklärt Strehler. Dazu gehören zum Beispiel das genaue Befolgen definierter Abläufe, aber auch Teamfähigkeit, Stressresistenz, das Zusammenspiel mit anderen und gleichzeitig selbstständiges Arbeiten. Vier von sechs Absolventen finden während oder nach dem Kurs eine Stelle, meistens, aber nicht ausschliesslich in der Gastronomie.

Ceviche von der Urner Lachsforelle auf Kartoffel und Gurken mit Schnittlauchvinaigrette und Gurkenespuma
Gebratenes Schweinsfilet auf Kartoffel-Kürbis-Stampf mit lauwarmem Salatspinat und Thymianjus

Anfangs sei es manchmal schwierig gewesen, Leute für den Kurs zu motivieren, sagt Strehler. Seit 2015 aber so viele junge Flüchtlinge in die Schweiz gekommen sind, habe sich die Lage verändert. «Diese Menschen stehen voll im Leben, wollen weiterkommen und nehmen die Gelegenheit wahr, die sich ihnen hier bietet.» Die Chance beim Schopf gepackt hat auch Sören Wirth, als er hörte, dass im Zentrum von Altdorf eine Beiz leer stand.

Nicht zuletzt auf seine Initiative hin wurde das Gastronomieprojekt des SRK Mitte 2017 um das Restaurant Schützenmatt erweitert. Hier erhalten Absolventen des Gastronomiekurses für maximal zwei Jahre eine Anstellung, sofern sie vorher nichts anderes finden. Zudem bietet Wirth Lehrstellen in der Küche sowie im Service an, meistens handelt es sich dabei um die zweijährige Attestlehre. Das schmucke Lokal im Dorfkern ist von einem gastronomisch anderen Kaliber als das Fomaz. «Ein wichtiger Unterschied ist sicher, dass wir rentabel arbeiten müssen», so Wirth. Und seit Gault & Millau das Restaurant vergangenen Oktober in die Wertung aufnahm, hat die Brigade auch (zwölf) Punkte zu verteidigen.

Doch wie stellt man das an mit einem ständig wechselnden Team, bestehend aus relativ knapp angelernten, nicht selten von einer langwierigen Flucht traumatisierten Mitarbeitern? «Das fällt mir nicht schwer, vielleicht bin ich einfach der Typ dafür», sagt Wirth lakonisch. Die richtigen Qualitäten für diese Aufgabe attestiert ihm sein Chef Strehler. «Hier kann man nur bestehen, wenn man ein gutes Menschenbild und eine klare Haltung hat.» Wirth komme auch mit schwierigen Mitarbeitern zurecht. «Er hat einen guten Umgang mit den Leuten, kann Kritik anbringen und gleichzeitig wertschätzend bleiben.»

Serviert wird in der Schützenmatt übrigens eine mitteleuropäische Küche, wobei Wirth weitgehend auf Filet-und-Entrecôte-Geschichten verzichtet, dafür lieber einmal mehr ein Schweinsbäckchen schmort. Auch Meeresfisch kommt ihm nicht auf die Karte, was dank den hervorragenden regionalen Forellenzuchten nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Das Angebot komme gut an bei den Altdorfern, konstatiert Wirth, kein Wunder, brummt der Laden.

«Mit dem Restaurant Schützenmatt konnte ich einen Betrieb von Anfang an aufbauen, also quasi die Selbstständigkeit proben, ohne dabei das finanzielle Risiko tragen zu müssen», so Wirth. Wie wohl fast jeder Koch träumt auch er von der Selbstständigkeit. Bis es so weit ist, bietet ihm die Schützenmatt zahlreiche Entfaltungsmöglichkeiten. So will sich Wirth noch stärker mit Themen wie Fermentation oder Nose to Tail beschäftigen. Und auch an einem Gin, hergestellt aus regionalen Zutaten, studiert er herum, wenn er nicht grad mit Lokalpolitikern Fussball spielt.

Restaurant Schützenmatt
Hellgasse 1, 6460 Altdorf
041 870 11 60
restaurant-schuetzenmatt.ch



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