Ube für die Galerie

Kunst und Essen sind für Chele Gonzalez kein Widerspruch. Vor allem aber will der bekannteste Koch der Philippinen die kulinarische Vielfalt seiner neuen Heimat herausarbeiten.
Text: Wolfgang Fassbender – Fotos: Madridfusion Manila / z. V. g.
Veröffentlicht: 09.06.2017 | Aus: Salz & Pfeffer 3/2017

Die exzellenten Weine sind teuer, die preiswerten bedauerlich, ein frisch gepresster Wassermelonensaft kommt wie gerufen.

Wäre der Mann in Spanien geblieben, hätte er längst einen Stern und gälte als Koryphäe unter allerdings vielen ebenso renommierten Kollegen. Ausgewandert auf die Philippinen, muss er zwar ohne offizielle Michelin-Wertung auskommen, aber kaum Konkurrenz fürchten. Doch der eigentliche Grund, den Umzug zu wagen, war ein anderer. «Ich bin fasziniert von Asien», sagt Jose Luis «Chele» Gonzalez, Küchenchef und Co-Patron des Restaurants Gallery Vask. Erst von Schanghai, dann von Thailand, zunächst des Urlaubs halber, immer wieder aufs Neue, später beruflich.

Schliesslich wurde es jenes Land, das sich kulturell deutlich von den Nachbarn unterscheidet. Bangkok sei gut, um dort ein paar Wochen zu verbringen, sagt der Chef, aber um zu leben, ziehe er Manila vor. Die spanischen Traditionen sind schliesslich noch allgegenwärtig, die Vergangenheit als US-amerikanische Kolonie macht sich in vorzüglichen englischen Sprachkenntnissen bemerkbar. Und Potenzial für weitere kulinarische Entwicklung ist ohnehin vorhanden in dem 7000-Insel-Staat.

Gemälde mit Klimaanlage
Sähe die kulinarische Zukunft Manilas so aus wie im oberen Teil des Gallery Vask, in der eigentlichen Galerie im zwölften Stock, müsste man sie cool nennen. Und kühl. Ein bisschen allzu kühl, um genau zu sein. Nüchterne Bilder hängen an den Wänden, eine Köchin schabt Späne vom gefrorenen Kalamansiblock. Mit Thunfischwürfeln vermischt, mit einer Art Tiger Milk angereichert, die dem Rauch von Tamarindenholz ausgesetzt war, wird das Granité zum ersten Gang, und schnell fühlt man sich wie am Nordpol.

Der dazu gereichte Drink, ebenfalls eiskalt, ist eher nett gemeint als spektakulär, aber mit den Getränken ist es so eine Sache im Gallery Vask und auf den Philippinen: Die exzellenten Weine sind teuer, die preiswerten bedauerlich, ein frisch gepresster Wassermelonensaft kommt wie gerufen. Man lernt hier, mit wenig Alkohol auszukommen. Und mit wenig Wärme.

Im Restaurant, sieben Stockwerke tiefer, ist es auch eher frisch. Doch irgendwann im Laufe der Menü-Zeremonie bittet man einen hinaus in die ortsübliche Wärme auf die mit Kräuterbeeten geschmückte Terrasse, schneidet ihm vom asiatischen Koriander auf die Hand, lässt probieren. Man darf einen Moment entspannen und den Blick über die Stadt geniessen, bevor es weitergeht, Schlag auf Schlag. Gang um Gang kommt aus der offenen Küche, wird nett erklärt.

Die angeflämmte und im Nu vertilgte Banane am Stiel schmeckt eher belanglos, bleibt eine Ausnahme, zeigt aber die Intentionen des Chefs, die Begeisterung für indigene Zutaten. «Ich bin viel auf den Philippinen gereist, habe mit den Produzenten gesprochen», sagt Chele Gonzalez, der im ersten Leben Marketing studierte und noch heute einiges versteht von der Werbung. Spanische Stars wie Elena Arzak oder Andoni Luis Aduriz holt er gern zum mehrhändigen Kochen nach Manila, auch sein Mentor war schon da. Josean Alija bekocht das Nerua im Guggenheim-Museum von Bilbao, das ebenfalls ein Konzeptrestaurant ist.

Das Zusammenspiel von Fleisch und Jus verwundert nicht, doch der gekonnte Einsatz von Blättern überrascht.
Kokosnuss spielt im vielleicht besten Restaurant der Philippinen eine Hauptrolle – frisch, karamellisiert oder fermentiert.
Im Gallery Vask werden pro Gang jeweils nur wenige Komponenten arrangiert.

Mango, Yams und Pandanblätter
Obwohl Gonzalez gleich neben dem Gallery Vask auch eine angesagte Tapas-Bar betreut, sollte man sich im Hauptlokal kaum Spanisches erhoffen. Wenn, dann eher als Zitat, als Anspielung auf jene iberischen Einflüsse, die über Jahrhunderte von den Philippinen aufgesaugt worden waren, bevor die Amerikaner die Macht übernahmen und ihrerseits für Varianten im Essverhalten sorgten. Dass sie mit ihren Burgern und Corn Dogs nur wenig Schaden angerichtet haben, muss man ihnen hoch anrechnen.

Chele Gonzalez setzt eh mehr auf das, was seine neue Heimat so bietet. Kleine, fast rohe Garnelen auf einem Teigblatt oder die violette Yamswurzel namens Ube, natürlich die aromatischen Pandanblätter (im knusprigen Eclair, einer der vielen kleinen Süssigkeiten zum Schluss) oder die Kaffirlimette, die übers Dessert gerieben wird. Auberginen? Sind in Manila in verblüffender Vielfalt und Qualität zu erhalten und werden hier mit Calamari in gebratener und gedünsteter Form kombiniert.

Tomatensalat und ein Royale von der Hühnersuppe erinnern dagegen an Speisen, welche die Einheimischen zu Hause kochen. Dort nutzen sie auch, wie Gonzalez, Alibangbangblätter und fermentierte Kokosnuss, verwenden Mangos, deren Aroma jeden europäischen Fruchtimporteur vor Scham erblassen liessen. Auch das Eis von eingekochter und karamellisierter Kokosmilch namens Latik hat Wurzeln in der klassischen Kochweise der Philippiner. Nur der Snapper unterscheidet sich vom Rest der Speisenfolge, liegt in einem kräftig mit Zimt und Safran gewürzten, aber nicht eindimensionalen Sud, lässt jene Zeiten lebendig werden, in der sich aufgetakelte Segler auf den Weg zurück nach Europa machten, voll beladen mit philippinischen Gewürzen; die säuerlichen Zwiebeln sorgen für den ultimativen Kick.

Drei Sterne bekäme Cheles Signature Dish wohl zugesprochen, würde er in Spanien gekocht. So müssen sich Koch und Restaurant mit dem Ranglistenplatz 35 unter den besten asiatischen Lokalen nach Version eines auch hier ausgeschenkten Mineralwassers begnügen, mit Platz eins auf den Philippinen. Dass er noch ein bisschen mehr Konkurrenz bekomme in der neuen Heimat, dass man bald nicht immer nur von Singapur und Hongkong reden möge, von Peking und Tokio, wenn es um die besten asiatischen Restaurants geht, ist Chele Gonzalez zu wünschen. Dazu einige Minuten mehr an Pause zwischen den Gängen, spannendere Basisweine – und sehr gern eine etwas weniger frostig eingestellte Klimaanlage.

Das Restaurant Gallery Vask erreicht man per Taxi (noch mehr zu empfehlen: Uber Black oder Hotellimousine) in etwa 20 bis 25 Minuten von Manilas Business District Makati. Hinweisschilder am Hauseingang sucht man vergeblich. Für Essen, Wein und die ortsüblichen Aufschläge muss man mit etwa 130 bis 160 Franken pro Person rechnen – was für philippinische Verhältnisse sehr teuer ist, für Schweizer aber ein Schnäppchen darstellt.

Das Restaurant hat von Dienstag bis Samstag am Abend geöffnet und bietet zwei Seatings an.

Gallery Vask
5th Floor, Clipp Center, 11th Avenue/Corner 39th Street
Bonifacio Global City 1634, Taguig, Manila, Philippinen
+63 917 546 1673
www.galleryvask.com



Seite teilen

Bleiben Sie auf dem Laufenden – mit dem kostenlosen Newsletter aus der Salz & Pfeffer-Redaktion.

Salz & Pfeffer cigar gourmesse