«Die Nachfrage ist vorhanden»

Die Sterne von Michelin sind unter Köchen nach wie vor der Goldstandard. Ralf Flinkenflügel, Chefredaktor der Schweizer Ausgabe, spricht im Interview über die Schweiz, Gault & Millau und das Testen in Zeiten einer Pandemie.
Interview: Tobias Hüberli – Foto: Nina Kobelt
Veröffentlicht: 01.09.2020 | Aus: Salz & Pfeffer 5/2020

«Die Küchen junger, ambitionierter Köche werden genauso beurteilt wie die der sogenannten Altmeister.»

Die Schweiz hat Europas höchste Sterne-Dichte pro Einwohner. Wie sehen Sie die Entwicklung der gastronomischen Schweiz?
Ralf Flinkenflügel: Die Schweizer Gastronomie entwickelt sich seit Jahren wirklich exzellent! Dies sieht man deutlich am Anstieg der mit einem oder mehreren Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants. Immer mehr sehr gut ausgebildete junge Köche eifern den Grossmeistern nach und haben viel Schwung in die gastronomische Landschaft gebracht. Zudem herrscht in der Bevölkerung ein grosses Interesse. Das heisst: Die Nachfrage ist vorhanden, und nur so können sich derart viele hervorragende Restaurants etablieren.

Getestet werden die Schweizer Köche von ausländischen Inspektoren. Wurde ihre Arbeit durch die Corona-Pandemie nicht gestört?
Natürlich konnte während einer gewissen Phase, als sich die meisten Länder in einer Art Lockdown befanden, nicht getestet werden. Das war aber nicht nur in der Schweiz so, sondern in allen Ländern, in denen der Guide Michelin tätig ist. Das war in erster Linie sehr belastend für die Restaurants. Mit der Lockerung der Beschränkungen begannen unsere Inspektoren umgehend, auch wieder in die Regionen zu fahren und die Restaurants anhand unserer Bewertungskriterien zu testen.

Haben sich diese in den letzten Jahren gewandelt beziehungsweise den neuen Formen der Gastronomie angepasst?
Nein, die Bewertungskriterien sind unverändert, und zwar weltweit. Kein Küchenstil wird bevorzugt behandelt.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen Michelin und Gault & Millau?
Es gibt keinen Austausch mit den Redaktionen von anderen Restaurantguides.

Die Schweizer Ausgabe von Gault & Millau hat eine (medial) starke Position. Vor zwei Jahren verschob Michelin das Veröffentlichungsdatum des Guides, gleichzeitig organisieren Sie seither einen auf wendigen Event. Ist das eine Kampfansage?
Die Verlegung des Veröffentlichungsdatums war eine organisatorische Entscheidung, um die Publikationen weltweit aufeinander abzustimmen. Faktoren von aussen spielten bei der Entscheidung keine Rolle. Der Event zur jährlichen Veröffentlichung war für uns ein logischer Schritt, um den Köchen die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie durch ihr grosses Engagement und ihre harte Arbeit verdient haben.

Gleichzeitig spürt man seit zwei Jahren eine härtere Gangart, auch Koryphäen werden nicht verschont.
Die Küchen junger, ambitionierter Köche werden genauso beurteilt wie die der sogenannten Altmeister. Für alle gilt: Die Auszeichnungen werden jährlich neu vergeben, da muss sich jede Küche neu beweisen. Unsere Bewertungskriterien sind weltweit die gleichen, und diese einheitlichen Standards zeichnen den Guide Michelin aus. Für uns zählt ausschliesslich die Qualität der Küche. Da spielt es auch keine Rolle, ob zum Beispiel klassisch, asiatisch oder innovativ gekocht wird.



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