Toggenburger Fürchtlinge, Appenzeller Mutwillige

Während sich die Toggenburger Touristiker in den Haaren liegen, verdienen sich die Appenzeller ennet dem Berg eine goldene Nase mit Whiskywanderungen.
Veröffentlicht: 15.11.2017 | Aus: Salz & Pfeffer 8/2017

Den einen schneits ins Hirn, den andern in die Kasse.

Im Toggenburg schneit es auch 2017/18 unregelmässig. Mal bei der Bergbahnen Wildhaus AG, mal bei der Toggenburg Bergbahnen AG. Mal auf die Pisten und mal in die Hirnis. Die zwei AG liegen sich seit Jahren in den Haaren. 2019 läuft der Tarifverbund aus, und eine Verlängerung ist das Mindeste, damit der Kanton überhaupt erst darüber nachdenkt, wieder Geld für Investitionen zu überweisen. Zwingend wäre ein Zusammenschluss, beide Seiten wissen das. Aber sie fürchten, in diesem Fall zu kurz zu kommen. Wildhaus zieht Familien an, das Resttoggenburg die gehobenere Gaschtig, und beide AG haben Angst, bei einer Fusion Einfluss zu verlieren. Hier herrscht Misstrauen.

An dieser Stelle sei von den Toggenburger Churfirsten hinübergewechselt auf den Appenzeller Alpstein. Auf die Terrasse vor dem Berggasthaus Rotsteinpass. Daselbst nämlich schenkt im Juli dieses Jahres das angetraute Eheweib des Monsieurs Tabasco demselbigen den Appenzeller Whiskytrek. Worauf dieser alsogleich freudig ins Wirtshaus schreitet und dem Wirt am Buffet erklärt, er hätte gern das Heftli mit den 27 Bons zum Einsammeln der Whiskys und dazu bitte grad das erste Fläschli à 25 Franken.

«Gopfredli», spricht der Wirt und runzelt seine Stirn wie drei hungrige Innerrhödler, «gopfredli, die Bon-Heftli sind mir grad ausgegangen, und neue haben sie mir noch keine geschickt.» «Schono schad», sagt Monsieur Tabasco betrübt. Der Wirt betrachtet ihn, entrunzelt seine Stirn und meint: «Du siehst nicht aus wie ein Schlunggi, dir gebe ich den Whisky aufs Vertrauen hin. Bon-Hefte haben sie sicher auf dem Säntis vorn. Kannst mir meinen Bon ja dann in ein Couvert tun. Oder du gibst ihn einem Wanderer mit, der über den Lisengrat unterwegs ist zu mir.» Hier herrscht Vertrauen.

Bis im Oktober wandert Monsieur Tabasco alle Bergwirtschaften des Appenzeller Alpsteins ab, er trinkt und isst reichlich, auf der Bollenwees schläft er sogar, und auch in den Bergbahnen lässt er Geld liegen. Danach hängen in seiner Stube an der Wand im Holzrahmen der Brennerei Locher 27 Säntis-Malts, zwischen 49 und 63 Volumenprozent Alkohol, und Monsieur Tabasco macht bei Nachbarn und auf Social Media den Plagööri. So geht Produkt- und Destinationsmarketing. Den einen schneits ins Hirn, den andern in die Kasse. Letzteres passiert denen, die gewitzte Ideen haben, die quer denken, die als Entdecker durchs Leben gehen, die stets auf Empfang sind und die nicht nur die eigenen Geranien giessen. Mit lieben Grüssen hinüber ins Toggenburg.

Zu verdanken ist der Whiskytrek übrigens nicht dem Karl allein. Karl braut Bier in Appenzell. Bei einem Umbau geraten ihm die jahrzehntealten Eichenfässer ins Bewusstsein, mit denen schon sein Urgrossvater das Locherbier in die Gasthäuser gekarrt hat. 1999 kommt das neue Alkoholgesetz, Gerste brennen ist jetzt erlaubt. Also brennt der Brauer, füllt ein paar seiner alten Fässer und harrt der Dinge, bis ihm einer sagt: «Karl, was du da reifen lässt, ist Whisky.» Die Malzextrakte in den uralten Eichendauben geben Karls Bränden flotten Charakter. Zehn Jahre später haben Karl und sein Team ein flottes Sortiment, internationale Auszeichnungen und ein glasklares regional verwurzeltes Marketing mit Produktenamen von Alpsteinbergen. So geht Identifikation. Mit lieben Grüssen hinüber ins Toggenburg.

Als Karl beim Wandern mal in der Meglisalp einkehrt, fragt Sepp ihn, ob er nicht exklusiv ein Fässli bei sich in der Meglisalp reifen lassen und direkt verkaufen könne. Karl nickt. Es funktioniert. Da könnte es doch auch am Seealpsee funktionieren. Im Mesmer, auf der Stauberen, bei allen. Es wäre was für Jäger & Sammler. Alle hätten was vom neuen Sog, auch Sepp, der seine Exklusivität verlieren würde. Die einen Wirte sind begeistert, andere finden es einen Schmarren, doch ziehen mit am Karren, werden Caskkeeper und präsentieren ihre Fässli kreativ. Liebe Grüsse hinüber.

Seit 2015 fluten die Sammler & Jäger den Alpstein. Auf der Scheidegg reifen 63,5 Volumenprozent im Portweinfass. Die Tierwies bietet einen Hellen mit Finish im Bourbonfass, der Cognac Finish vom Seealpsee ist elegant, der Pédro-Ximénez-Sherry-Finish vom Lehmen ist spannend, und als Monsieur Tabasco auf der Ebenalp die Wéétsstobe betritt, stellt die Wirtin den Merlot Finish aufs Buffet, noch bevor er den Mund aufmachen oder das Bonheft zücken kann: «Die Whiskysammler erkennt man schon von weitem.» Das Bon-Heft für die 2,7 Liter Whisky kostet 400 Franken, und auf ihrem Weg durch die Bergwirtschaften lassen die Sammler ganz viel Geld liegen. Karl, Albert, Sepp – alle profitieren davon. Mit lieben Grüssen.

Auf www.wildhaus.ch erfährt der Gast: «Feindlicher Übernahmeversuch der Toggenburg Bergbahnen AG. NEIN DANKE!» Das klingt verdammt anziehend. Die Appenzeller sollten das Toggenburg annektieren. In zehn Jahren wäre das Tal eine Geldmaschine.



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