Grosse Ernüchterung

Vor 130 trat die Eidgenössische Alkoholverwaltung an, um den Rausch zu regulieren. Heute steht das einstige Schreckgespenst der Schwarzbrenner, Schnapshändler und Winkelwirte kurz vor dem Aus. Eine Rückschau.
Text: Delia Bachmann – Fotos: z.V.g
Veröffentlicht: 17.02.2017 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2017

Die einst verpönten Getreidebrände mauserten sich in Gestalt von teuren Whiskys zu Statussymbolen mit Sammlerwert.
«Eine grosse Persönlichkeit machte einst aus Wasser Wein. Man nannte dies ein Wunder. Sie, meine Damen und Herren, machen aus Weingeist Cash. Für mich als Finanzminister ist das einfach nur wunderbar.» Als Hans-Rudolf Merz in seinem letzten Bundesratsjahr 2010 eine Rede vor den im Stade de Suisse versammelten Mitarbeitern der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) hielt und für die zuverlässigen Zustüpfe in die Bundeskasse dankte, zeichnete sich die Auflösung der EAV bereits ab. Nun, sechs Jahre später, ist sie eine vom Parlament in der Herbstsession 2016 beschlossene Sache.

Ein Ende mit Ankündigung: Erste Auflösungserscheinungen gab es bereits in den Achtzigern, als man damit begann, EAV-Aufgaben an die zentrale Bundesverwaltung abzutreten. Zuletzt beschränkte sich die Zuständigkeit der abgespeckten EAV darauf, Steuern zu erheben und Märkte zu beaufsichtigen. Die fortschreitende Globalisierung und der rückläufige Schnapskonsum schränkten ihre Handlungsmöglichkeiten zunehmend ein und drohten so, dem einstigen Bürokratiemonster auch noch die letzten Zähne zu ziehen.

Ende 2018 wird die älteste Bundesanstalt Geschichte sein, das Hauptquartier an der Berner Länggasse steht für 35 Millionen Franken zum Verkauf. Die Mehrheit der noch rund 100 EAV-Mitarbeiter soll in der neugeschaffenen Abteilung «Alkohol und Tabak» des Zolls unterkommen. So wenig diese Entwicklung überrascht, historisch ist sie allemal: Seit der EAV-Gründung 1887 inmitten der Schnapspest hat die Schweizer Alkoholpolitik nicht nur das Stimmvolk bewegt – 19 Abstimmungen (!) –, sondern auch ganze Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft oder die Gastronomie umgepflügt.

Mit der Ausweitung des Alkoholgesetzes auf Obst wurde aus Selbstgebranntem nicht selten Schwarzgebrannter.

Zu Beginn galt das Bundesmonopol nur für den bei Fabrikarbeitern beliebten «Härdöpfeler» und für Getreideschnaps. Das Brennen von Obst war weiterhin ohne Einschränkungen erlaubt, den Konsum von Wein und Bier förderte die EAV sogar – sehr zum Ärger der Abstinenzvereine. Auch gegen die Wirtshäuser als «Brutnester des Alkoholismus» ging der Staat schon früh mit der Einführung von Öffnungs- und Ausschankzeiten, Bedürfnisklauseln und Wirtepatenten vor.

Richtig mächtig wurde die EAV mit der Ausweitung des Alkoholgesetzes auf die billigen, weil bis dahin steuerfreien Obstbrände im Jahr 1932. Den Zenit ihrer Macht erreichte die Bundesanstalt in der Nachkriegszeit, in die auch die Rodung von drei Millionen Hochstammbäumen durch «motorisierte Baumfällequipen» fällt. Das entsprach mehr als der Hälfte aller Obstbäume. Zuvor landeten ihre Früchte meist in den Brennhäfen. Vor allem aber unterhielt die EAV ein feinmaschiges Netz von Kontrolleuren für die Überwachung von 40 000 Hausbrennern: Allein im Winter 1932/33 rekrutierte sie 2944 «Vertrauensmänner» – einen pro Gemeinde.

Mittlerweile ist die «Grüne Fee» zurückgekehrt, der bis 2005 verbotene Absinth ein Exportschlager, und die einst verpönten Getreidebrände mauserten sich in Gestalt von teuren Whiskys zu Statussymbolen mit Sammlerwert. Der alte Zeitgeist mag sich verflüchtigt haben, die Wirkung der damaligen Alkoholpolitik wird noch lange nachklingen: Im Buch «Rausch & Ordnung» nimmt die EAV Abschied und erzählt ihre Geschichte gleich selbst – in voller Länge, mit einem Augenzwinkern und zwei Jahre vor Sperrstunde.
 

Rausch & Ordnung, Herausgeber: EAV; Preis: CHF 38.–; ISBN: 978-3-906211-10-7; www.bundespublikationen.admin.ch



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