Van Grondel ist erwartungsgemäss begeistert von den Projekten, denen eins gemein ist: der Fokus auf Nachhaltigkeit. «Und die», sagt der Botschafter, «steht für mich immer im Zentrum.» So zitiert er gern den renommierten britischen Wirtschaftswissenschaftler Sir Paul Collier, der in seinem Buch «Der hungrige Planet» (Siedler Verlag, 2011) die bestechende These vertritt: «Die Natur ist eine Fabrik, die unendlich produzieren kann.» Collier hinterfragt den vermeintlich unüberbrückbaren Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie. Wenn die Menschheit von dem lebt, was sich erneuert, sagt er etwa, kann sie die Rohstoffe ewig nutzen – unter der Voraussetzung, dass sie einen genug grossen Grundstock davon bewahrt. Van Grondel vertieft an dieser Stelle: «Fisch und Seafood wachsen bekanntlich nach; sie bekommen Nachwuchs. Und es ist wahnsinnig, wie schnell sich ein Fischbestand erholt, wenn man ihn richtig befischt!»
Der einstige Comestible-Händler kennt in dieser Frage kein Pardon und weibelt für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen des Meeres: «Wenn wir lernen, konsequent auf die nachhaltige Fischerei zu setzen, sehe ich darin grosses Potenzial», sagt er. Und die Entwicklungen geben ihm recht. Tatsächlich ist der Schweizer Konsument zunehmend für das Thema sensibilisiert, die Diskussion im Gang. «Entsprechend wächst die Nachfrage nach Fisch aus nachhaltiger Produktion», weiss van Grondel. «Nachhaltigkeit ist kein läppischer Modetrend.» Eine wichtige Rolle spielen für ihn in diesem Zusammenhang unabhängige Umweltlabel wie MSC und ASC. «Sie garantieren die Kette der Rückverfolgbarkeit.» Weiter preist er das Engagement der WWF Seafood Group: «Ihr sollten sich alle Fischhändler anschliessen.»
Bleibt eine Grundsatzfrage. Braucht ein Land wie die Schweiz – ohne Meerzugang – wirklich Seafood? Van Grondel ist kein unerbittlicher Verfechter von Regionalität, obwohl er einräumt, dass diese mit Nachhaltigkeit sehr wohl zusammenhängt. «Aber die Schweizer reisen viel, lernen Meeresfrüchte kennen und schätzen», sagt er. «Wir können uns diesen Luxus hier nun einmal leisten.» Fakt ist, dass die Schweiz ihren Bedarf an Fisch und Seafood zu 95 Prozent mit Ware aus dem Ausland deckt. «Was also in einem ersten Schritt zählt, ist, dass diese Produkte nach ökologischen Grundsätzen hergestellt werden.» Denn Tatsache ist auch, dass rund 80 Prozentder kommerziell genutzten Fischbestände im Ausland überfischt oder davon bedroht sind. Global gesehen sind aktuell gerade einmal zehn Prozent der Fischereibetriebe MSC-zertifiziert. Und traurig, aber wahr: Im Mittelmeer gibt es bislang keine einzige Fischerei, die das Label tragen darf.
«Es gibt rund um den Globus aber auch positive Beispiele», schiebt van Grondel nach, «Fischereien, die verantwortungsvoll betrieben werden, den Erhalt der Bestände garantieren und zum Schutz des Lebensraums Meer beitragen.» Und die, sagt er, gelte es eben zu unterstützen. «Für mich hat darum auch ein vietnamesicher Shrimpsbauer, der einen guten Job macht und naturnahe produziert, eine Berechtigung auf dem Schweizer Markt», erklärt er. «Im Zürichsee leben halt keine Black-Tiger-Crevetten.»
Nichtsdestotrotz sind in der Schweiz ansässige Produktionsbetriebe aus ökologischer Sicht nur schon wegen der kürzeren Transportwege sowie der strengen Vorschriften vielversprechend. «Und gerade im Bereich der naturnahen Aquakultur mit tiefen Besätzen und ohne den Einsatz von Antibiotika haben wir viele Möglichkeiten», sagt van Grondel. «Denn die Schweiz ist ein Wasserschloss – wir haben Wasser in bester Qualität. Was also will man mehr als Fisch, der darin aufgewachsen ist?»