Fürs Vaterland

Als Stabsadjutant bildet Daniel Marti angehende Küchenchefs der Armee aus, als Chef des «Culinary Teams» der Schweizer Armeeköche zelebriert er Kochkunst auf hohem Niveau.
Interview: Regula Lehmann – Fotos: Marcel Studer
Veröffentlicht: 20.11.2016 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2014

«Die Kommunikation in der Küche lehnt sich stark an die Grundsätze der Führung der Armee an.»

Sie behaupten, man esse nirgends schweizerischer als in der Armee. Weshalb? 
Daniel Marti: Es sind Schweizer, die das Essen zubereiten, und es sind Schweizer, die verpflegt werden. Wir sind, wie soll ich sagen, ein eigener Mikrokosmos und verkörpern die Schweiz nach innen und aussen. Ich habe mich bei unseren Küchenchefs umgehört und gefragt, was denn für sie eine typische Schweizer Kost sei.

Und?
Sie haben Gerichte aufgezählt, die alle auch im Kochbuch der Schweizer Armee aufgeführt sind, etwa Eintöpfe, Braten, Sauerkraut, gedörrte Bohnen. Also mehrheitlich Gerichte und Beilagen, die man heutzutage zu Hause nicht mehr unbedingt täglich kocht, aber in der Armee kennenlernt.

Wie beliebt sind denn gedörrte Bohnen und Sauerkraut?
Nicht so beliebt wie Hamburger, Pasta, und Pizza. So etwas kochen wir natürlich auch. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sich manch ein Mann an seine Zeit in der RS erinnert, wenn er später in seinem Leben wieder einmal Sauerkraut isst. Wir haben einen Anteil von rund zehn Prozent Secondos in der Rekrutenschule, man kann davon ausgehen, dass sie zu Hause nicht klassisch schweizerisch essen, dies aber in der Armee kennenlernen.

Die Armee verkörpert eine strenge Tischkultur. Hier wird noch gefrühstückt.
Das ist richtig. Beim Frühstück muss jeder anwesend sein. Es gibt Flocken, Käse, Fleisch, Joghurt, Kakao und Brot – also ein klassisches Continental-Frühstück. Diese Art zu frühstücken wird als typisch schweizerisch empfunden.

Wie geht die Armee mit den Essgewohnheiten von Vegetariern, Muslimen oder Allergikern um?
In der Kaserne haben wir jeweils ein Standardmenü, das mit einem kleinen Salatbuffet, Suppe und oft mit einem Dessert ergänzt wird. Wenn es die Situation und das Arbeitsprogramm erlauben, gibt es zusätzlich ein ovo-lakto-vegetabiles Alternativmenü. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass der Muslim oder der Vegetarier rund ums Fleisch herum essen kann, ohne eine Einbusse der notwendigen Nährstoffe zu haben.

Der Convenience-Grad in der Armee-Küche ist relativ hoch.
Ja, und zwar schlicht aus dem Grund, dass ein Truppenkoch für die Zubereitung von 50 Mahlzeiten gerechnet wird. Wir kochen kaum mehr mit Rohprodukten, sondern lassen uns etwa die Kartoffeln geschält anliefern. Auch das Fleisch wird portioniert und pfannenfertig vorbereitet eingekauft. Ich würde sagen, die meisten Produkte beziehen wir in der Bearbeitungsstufe zwei oder drei.

Trotzdem kauft die Schweizer Armee bei regionalen Produzenten ein.
Ja, den Einkauf für den Wiederholungskurs, der oft in den Gemeinden stattfindet, tätigen wir wenn immer möglich bei den ortsansässigen Produzenten. Damit erhalten die Fouriere und Küchenchefs die Möglichkeit, regionaltypische Produkte zu kaufen, etwa eine Tessiner Wurst Luganighetta oder eine Glarner Pastete. In den Rekrutenschulen hingegen werden die über 1000 Mahlzeiten in einem zentralen Verpflegungszentrum zubereitet. Dort sind wir auf Lieferanten angewiesen, welche diese grosse Menge täglich auf Platz liefern können.

Zur Militärkarriere: Was bringt es einem Koch, bei der Armee weiterzumachen?
Er kann sich weiterbilden und erste Führungserfahrung sammeln. Zusätzlich hat der angehende Küchenchef die Möglichkeit, den Berufsbildnerkurs, das ist der ehemalige Lehrmeisterkurs, zu absolvieren. Diese Chancen werden durchaus wahrgenommen und geschätzt. Die Ausbildung zum militärischen Küchenchef ist einer der ersten Schritte, als junger Koch Führungserfahrung zu erlangen, deshalb machen viele freiwillig weiter.

Man sagt, in anderen Berufen sei die Militärkarriere längst nicht mehr so wichtig. Ist der Kochberuf eine Ausnahme?
Das mag sein. Es liegt vielleicht daran, dass die Küchen hierarchisch aufgebaut sind. Auch die Kommunikation in der Küche lehnt sich stark an die Grundsätze der Führung der Armee an. Der Koch ist es gewohnt, klare Zielvorgaben und bestimmte Befehle eines Vorgesetzten zu erhalten. Anstelle von «ja, Chef» heisst es in der Armee eben «hier, verstanden». Die Armee ist eine Lebensschule – insbesondere ist sie eine Lebensschule im Beruf eines Kochs, denn in der Armee ist er zum ersten Mal für sechs bis zehn Soldaten und für die Zubereitung von über 200 Mahlzeiten pro Tag verantwortlich.

Sie kochten mit dem «Swiss Armed Forces Culinary Team» Mitte März für den Gesamtbundesrat. Was stand auf dem Menüplan?
Etwas Einfaches. Zuerst gab es ein Salatbuffet und ein Bärlauchsüppchen. Dann eine Lammroulade mit Spätzli und Frühlingsgemüse und ein kleines Dessertbuffet. Die Menüvorschläge musste ich aber einige Male ändern, bis sie bewilligt wurden.

Warum?
Das Vorzimmer unter der Leitung der Bundeskanzlerin muss die Vorschläge jeweils genehmigen. Ansonsten hatten wir aber viele Freiheiten. Die Bundesräte mögen generell einfache Gerichte, da sie an den zahlreichen Empfängen meistens genügend Häppchen serviert bekommen.

Die Kochnationalmannschaft der Schweizer Armee ist im weltweiten Vergleich top. Sie siegte im Februar an der Intergastra in Stuttgart, wurde 2012 Olympiasiegerin in Erfurt und holte sich 2010 den Vize-Weltmeistertitel in Luxemburg. Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihres Teams?
Diese Leistung erbringen wir dank einer starken Miliz. Wir haben in der Schweiz hervorragende Köche und innovative Leute, die da zusammenkommen. Momentan habe ich eine grosse Equipe von motivierten Küchenchefs und Truppenköchen, die schon mit anderen Teams ausgestellt haben, etwa bei der Kochnati, der Juniorennationalmannschaft, dem ehemaligen Kochkunstteam des Cercle des Chef de Cuisine Zürich oder dem Kochkunstteam der Gilde etablierter Köche. Wir haben somit viele kochkunsterprobte Leute.

Allerdings gibt es mittlerweile wohl kein Armeekochteam mehr, das noch eine ernsthafte Konkurrenz für die Schweiz darstellt.
Ja, leider sieht das zurzeit danach aus. Die anderen Länder investieren kaum mehr in ihre Armeekochteams. Bis jetzt hatten wir alle zwei Jahre einen Wettkampf unter den Streitkräften und haben uns das letzte Mal 2012 in Erfurt getroffen. Bereits damals traten nur noch acht Nationen gegeneinander an – wobei Schweden als Titelverteidiger von 2010 schon nicht mehr mit von der Partie war. An der Intergastra in Stuttgart dieses Jahr war nicht einmal mehr die deutsche Mannschaft am Start. Es ist sicher kein gutes Zeichen, wenn sogar das Team des Gastgeberlandes fehlt.

An den Kochweltmeisterschaften in Luxemburg wird es mangels Teilnehmern keine Wettkampfkategorie mehr für Militärköche geben. Was nun?

Wir vom «Swiss Armed Forces Culinary Team» werden in der Kategorie Regionalmannschaften antreten und uns dort messen.

Warum stellen die anderen Länder denn keine Militärkochteams mehr?
Das liegt unter anderem daran, dass in diesen Ländern oft die Wertschätzung und das Interesse an einer erstklassigen Truppenverpflegung fehlen. In der Schweiz ist die Armeeküche viel stärker verankert als anderswo. Fast jeder hat einen persönlichen Bezug zu den Armeeköchen, viele haben selbst einmal Dienst geleistet. Mit den 13 Millionen Mahlzeiten pro Jahr sind wir ein Grossbetrieb, man nimmt uns wahr. Sogar von der Regierung erfahren wir grosse Wertschätzung.

Daniel Marti ist Koch und Berufsmilitär. 1973 geboren und mit seiner Partnerin in Brislach wohnhaft, ist er stark im Schwarzbubenland und dem Laufental verwurzelt. Die Kochlehre absolvierte Marti im Direktionsrestaurant der Sandoz in Basel, danach folgten einige Anstellungen in gutbürgerlichen Gasthäusern in der Region Basel und in einem Vier-Sterne-Hotel in Magglingen, in dem er zuletzt als Souschef tätig war. Nach der Ausbildung zum Gastronomie-Koch arbeitete er bei Oscar Marti («Chrüteroski»), mit dem er einiges gemeinsam habe, wie er sagt, und von dem er in Sachen Lehrlingsbetreuung und Verkauf viel lernen konnte. Später, als Alleinkoch im Landgasthof Zum Kreuz Erschwil im Schwarzbubenland, legte Daniel Marti den Fokus auf die Ressourcen aus der Region. Ein Konzept, das funktioniert habe. Sein beruflicher Wechsel zur Schweizer Armee brachte ihm Weiterbildungsmöglichkeiten und geregeltere Arbeitszeiten. Seit 2001 ist Daniel Marti als Stabsadjutant im Kommando Küchencheflehrgang in Thun tätig. 2011 legte er die höhere Fachprüfung zum eidgenössisch diplomierten Küchenchef und Produktionsleiter ab. Im Kommando Küchencheflehrgang in Thun unterrichtet Marti die angehenden Truppenköche und Militärküchenchefs in den Bereichen Führungstechnik, Ausbildungsmethodik, Einsatz des mobilen Verpflegungssystems, Hygiene, militärische Grundausbildung und Führen einer Küchenmannschaft im Einsatz. Er ist zudem Teamchef des «Swiss Armed Forces Culinary Teams» der Schweizer Armee, des aktuellen Olympiasiegers.

Die Truppenköche bringen aus dem zivilen Leben meist eine Ausbildung im Lebensmittelbereich mit und sind Köche, Metzger, Lebensmittel- und Milchtechnologen oder Bäcker/Konditoren. Pro Jahr absolvieren rund 1000 junge Männer die RS als Truppenkoch, davon machen rund 150 Soldaten weiter zum Küchenchef. Der Frauenanteil bei den Truppenköchen und Militärküchenchefs ist nach wie vor verschwindend klein.



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