Aufgebrüht

Gehört Zucker in den Kaffee?

Kaffee und Rohrzucker haben viele Gemeinsamkeiten. So werden sie nicht nur seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen und Traditionen äusserst gerne kombiniert. Auch ist ihnen die düstere Seite des Sklavenhandels gemein. Noch heute wecken Zuckerrohr- wie Kaffeeplantagen ambivalente Gefühle – stehen die beiden einstigen Luxusprodukte doch auch für Schweiss, Blut und Ausbeuterei.

Waren Rohrzucker und Kaffee einst einer Elite vorbehalten, gehören sie heute – meist in Kombination – zu unserem Genussalltag. Dem Süssen jagt der Mensch schon seit Urzeiten nach. Früh wusste er schon, dass die reifsten und süssesten Früchte nicht nur fantastisch schmecken, sondern dass sie auch viel Energie liefern. So wundert es kaum, dass er sich noch Jahrtausende später von der im Rohrzucker entdeckten Süsse begeistern liess. Allen voran Louis XIV., der Sonnenkönig von Frankreich, der den gezuckerten Kaffee überhaupt erst salonfähig machte und dafür sorgte, dass dieser von den oberen Schichten mit Leidenschaft konsumiert wurde. Ein königlicher Influencer sozusagen. Und gut zwei Jahrhunderte später legte Napoleon mit der Förderung des Zuckerrübenanbaus den Grundstein für den dauerhaften Preiszerfall des Zuckers.

Über die positive Wirkung von Kaffee und Zucker waren sich die Gelehrten jedoch bei Weitem nicht einig. So boten Apotheken früher zwar zahlreiche mit Zucker vermengte Gewürzmischungen auch als Wunderheilmittel oder als «Apothekerschleck» an, doch gab es genauso immer wieder Mandate und Gesetze, die den Konsum von Kaffee und Zucker verbieten wollten.

Nur, gehört der Zucker denn überhaupt in den Kaffee? Traditionell sicher, auch um die Bitterkeit abzuschwächen. Noch heute trinkt man ihn in seinem Ursprungsland Äthiopien reichlich gesüsst, ebenso wie in der Türkei, von der aus der Kaffee die Welt eroberte. Und auch in Italien, der Geburtsstätte des Espressos, wird zum Kaffee Zucker gereicht.

Einen guten Rohkaffee zeichnet jedoch seine natürliche Süsse aus – ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Denn die natürlich vorhandene Süsse balanciert die Säure aus, gibt dem Kaffee eine weiche Textur und ein volles Mundgefühl. Jüngst hat man allerdings festgestellt, dass nicht Zucker für die Süsse im Rohkaffee verantwortlich ist. Wenn also Zucker nicht der Grund für den süssen Geschmack ist, was ist es dann? Ein sensorisches Rätsel, das es noch aufzuklären gilt. Derweil Kaffeetrinkerinnen und Kaffeetrinker weiterhin leidenschaftlich darüber diskutieren dürfen, ob sie ihr Gebräu mit oder ohne zugefügtem Zucker bevorzugen.

Nadja Schwarz

Kursleiterin Sensorik, Kaffeemacher GmbH
Ausgabe: Salz & Pfeffer 2/2023 / Datum: 04.04.2023


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