05.05.2022

Alternative aus Uganda

Text: Simone Knittel – Fotos: Vanilla Dream
Vanille ist begehrt, der Weltmarkt dafür gilt allerdings als höchst volatil. Ein Bündner Jungunternehmer verfolgt darum eine ungewöhnliche Idee.
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2021 war Vanille zeitweise teurer als Silber.

Wenige Gewürze verzeichnen einen derartigen Siegeszug wie die Vanille. Als Wiege der aromatischen Schoten gilt Mexiko. Dort sollen sich, so die Überlieferung, bereits die Azteken vor 4000 Jahren am feinen Geschmack der Vanilla planifolia gütlich getan haben, am liebsten in Verbindung mit Kakao. Die sagenumwobene Kapselfrucht fand ihren Weg dank den Spaniern nach Europa, wo sie lange Zeit der Elite vorbehalten war. Heute muss in der westlichen Welt niemand mehr auf Vanille verzichten. Sie ist in Puddings und Crèmes zu finden, in Schokolade und Glace, in Backwaren und Schleckzeug. Und auch Gastronominnen und Gastronomen sind seit jeher fasziniert vom Duft der Vanille: Neben der klassischen Verwendung findet sie auch in modernen Interpretationen der Sterne-Küche immer wieder ihren Platz.

Hohe Preise, zu frühe Ernte
Doch die Liebe zur Vanille hat eine Kehrseite: Die Kapselfrüchte werden immer teurer, die Qualität zunehmend schlechter. Einer der Gründe für die Entwicklung des hohen Preises ist die Zentralisierung der Vanille-Produktion. Vanille stammt heute längst nicht mehr aus Mexiko, sondern wird zu 80 Prozent in Madagaskar, auf den Komoren und in La Réunion angebaut. Die dort produzierte Bourbon-Vanille gilt als die aromatischste Vanille der Welt. Der Nachteil des Bourbon-Hypes: Werden die südostafrikanischen Inseln von Wetter- und Umweltkatastrophen heimgesucht, verringert das die Ernte und die Preise schnellen in die Höhe. Das lockt Lebensmittel-Spekulanten an, die die Preise nochmals steigen lassen. Im Jahr 2021 erzielte Vanille Höchstpreise von 600 Franken pro Kilo und war damit zeitweise teurer als Silber. Vor Ort haben die hohen Preise für die Bauern negative Folgen: Oftmals werden die Schoten, die nach der Ernte erst dank Fermentation und Lagerung ihr komplexes Aroma entwickelt kann, zu früh geerntet. Dabei denken die Vanille-Bauern aber nicht nur ans eigene, grosse Geschäft. Vielmehr lockt der Wert der Kapselfrucht zunehmend Kriminelle an, die den schnellen Gewinn suchen und die noch grünen Vanilleschoten stehlen.

Aufgrund der hohen Preise für die echte Vanille steigen viele Lebensmittelproduzenten auf den Aromastoff Vanillin um. Dieser kann im Labor hergestellt oder aus einem natürlichen Grundstoff – etwa Fichtenholz oder Hefepilzen – extrahiert werden. In Bezug auf die Qualität kommt Vanillin allerdings nicht an natürliche Vanille, die aus bis zu 250 verschiedenen Aromastoffen besteht, heran. Die künstliche Alternative sorgte aber trotzdem dafür, dass der Preis für natürliche Vanille inzwischen wieder gesunken ist. Allerdings bleibt das Problem des volatilen Weltmarktes bestehen. 

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Konkurrenz zur Bourbon-Vanille
Ein Bündner Jungunternehmer verfolgt nun einen anderen Ansatz. Auf der Suche nach einer Idee für sein Start-up stiess Fabio Cappellin auf die Vanille-Problematik. «Ich habe selbst einen süssen Zahn und wurde sofort hellhörig», erzählt er. Der ehemalige Unternehmens- und Strategieberater recherchierte und googelte sich während der Covid-19-Pandemie durch die Welt der Vanille – und fand schliesslich seine heutige Geschäftsidee: nachhaltig produzierte und hochwertige Vanille ohne Zwischenhändler aus Uganda. «Sein Klima macht Uganda zur perfekten Vanilleanbau-Region. Dank der guten Bedingungen kann hier gleich zweimal pro Jahr geerntet werden. Auch die Sustainable Vanilla Initiative, ein Verband, der sich für eine nachhaltige Vanille-Industrie starkmacht, setzt vermehrt auf Uganda», erklärt der Start-up-Gründer. «Obwohl in Uganda bereits seit Jahrzehnten Vanille angebaut wird, ist diese bei uns kaum bekannt oder verbreitet. Die Bourbon-Vanille aus Madagaskar ist einfach zu stark.» Dabei muss sich die Uganda-Vanille, die er seit einem knappen Jahr importiert, laut eigenen Aussagen nicht verstecken. Im Gegensatz zu Sorten aus Tahiti oder Indonesien, die auf dem Weltmarkt als weniger aromatisch gelten, sei seine Vanille so komplex wie die Variante aus Madagaskar. «Ich habe Dutzende Vanille-Schoten aus Uganda im Labor testen lassen und schliesslich die Sorte gefunden, die mich komplett überzeugte.» Deren Aroma bezeichnet er als warm, ausgeprägt cremig, mit ledrigen, harzigen und nussigen Noten sowie der typischen Vanille-Süsse.

Fairtrade-Gedanken weiterspinnen
Dank seines zielgerichteten Ansatzes – dazu gehört, dass Cappellin potenzielle Kunden und Kundinnen gleich selbst kontaktiert – darf er bereits erste Lorbeeren ernten. Nicht nur die Bündner Delikatessenhändlerin Rageth Comestibles hat die ugandische Vanille im Angebot, sondern auch der Kolonialwarenladen Schwarzenbach in Zürich. Und bei Lola's Kitchen in Zürich bäckt man mit den Vanilla-Dream-Produkten ebenso wie seit kurzem in der Patisserie von Tanja Grandits' Sterne-Restaurant Stucki in Basel.

Da die Idee und Gründung seines Start-ups mit der Covid-Pandemie zusammenfiel, ist Cappellins Unternehmen zu einem grossen Teil remote entstanden. «Ich startete etliche Versuche von meinem Schreibtisch aus, um einen passenden Produzenten in Uganda zu finden.» Neben der Vanillequalität ist dem Unternehmer auch wichtig, dass die Lieferanten, die die Vanille in der Regel veredeln, die Bäuerinnen und Bauern fair bezahlen und ihnen Perspektiven bieten. «Neben einem angemessenem Preis bedeutet das in einem Land wie Uganda auch, dass sie beispielsweise in die Weiterbildung der Landwirte und Landwirtinnen investieren, sodass diese ihre Plantage weiterentwickeln können. Da Vanille als Orchideenpflanze Bäume hochklettert, kann man den Anbau etwa mit Kakao- oder Bananenplantagen kombinieren. Damit steigen die Ertragsmöglichkeiten für die Bauern.» Ein Teil der Einnahmen geht zudem an ein regionales Schutzprojekt zu Gunsten des Berggorillas, von dem es weltweit nur noch rund Tausend freilebende Exemplare gibt. Neben konventionell angebauter Vanille bietet Cappellin zudem auch solche in Bioqualität an. Und auch wenn sein Unternehmen bislang noch nicht Fairtrade-zertifiziert ist, sagt Cappellin, seien seine Lieferantinnen – zwei Schwestern – in der Region für ihr Engagement bekannt. «Sobald die Covid-Restriktionen gelockert sind, werde ich meine Geschäftspartnerinnen in Uganda besuchen.» Der schnelle Erfolg seiner Vanille kommt für den Bündner indes nicht unbedingt überraschend: «Fair gehandelter Bio-Kakao von Kleinbauern ist auch in der Schweiz bereits weit verbreitet, gleiches gilt für Kaffeebohnen. Dass wir das Rad weiterdrehen, ergibt für mich Sinn.»

Vanille ist eines der begehrtesten und teuersten Gewürze der Welt. Der Markt ist äusserst volatil, denn ein Grossteil der gefragten Bourbon-Vanille stammt aus derselben Region: Madagaskar. Die Zentralisierung hat starke Preisschwankungen auf dem Weltmarkt zur Folge. Verschiedene Initiativen, darunter die Sustainable Vanille Initiative, aber auch das Zürcher Start-up Vanilla Dream, propagieren zur Diversifikation darum neben dem Anbau von Vanille in Madagaskar auch Uganda als Produktionsland. Ein nachhaltiger Ansatz soll nicht nur für qualitativ hochwertige Vanille sorgen, sondern auch der Bevölkerung in Uganda zugute kommen: Die Vanilleplantagen ermöglichen den lokalen Bäuerinnen und Bauern ein zusätzliches Einkommen.