«Die Nähe zu den Produzenten hat man kaum irgendwo sonst so greifbar wie hier.»
Wer ins Restaurant Saziani Stub’n reist, fährt von Graz her bald über den einen oder anderen Hügel und dann über noch einen, immer tiefer hinein ins südoststeirische Vulkanland, vorbei an schmucken Dörfern mit Kirchen und Kapellen und freiwilligen Feuerwehren. Das Ziel schliesslich liegt ziemlich ab vom Schuss, 13 Kilometer von der slowenischen und 25 von der ungarischen Grenze entfernt: Straden, rund 3600 Einwohner, vier Kirchen mit total drei Türmen, eine freiwillige Feuerwehr.
Das Saziani Stub’n indes findet der geneigte Besucher am Dorfausgang, am Fusse des namensgebenden Saziani-Hügels, an dem in Reih und Glied Rebstöcke stehen. Insgesamt bewirtschaftet die Familie Neumeister in der Umgebung 30 Hektaren, verteilt auf kleine und kleinste Weingärten in Steillagen, mit unterschiedlichen Mikroklimas und Böden. Hauptsächlich gedeiht darauf Sauvignon blanc, das Aushängeschild der Region. Der Weinbau in der Südoststeiermark ist anspruchsvoll, hat aber eine lange Tradition.
Industrie gibts in der Gegend praktisch keine, das Leben ist nach wie vor stark landwirtschaftlich geprägt, und bis vor 30 Jahren bremste der Eiserne Vorhang hier entscheidende Entwicklungen aus. «Wir hinken heute noch etwas hinterher», sagt Christoph Neumeister, der das Weingut mit Bruder Matthias führt, während die Eltern Anna und Albert sich ums Restaurant und ums Boutiquehotel kümmern. «Aber es tut sich was. Die Jungen ziehen zwar immer noch in die Stadt, es kommt aber zunehmend ein Bewusstsein dafür auf, dass man auch in der Landwirtschaft auf einen grünen Zweig kommen kann.» Wein aus der Südoststeiermark mag in der Welt eine Nebenrolle spielen, für die Region selbst ist er eine tragende Säule.
Bestes Beispiel dafür ist die Familie Neumeister, die in Straden fest verwurzelt ist. Sie macht sich für die Berufskollegen der Region stark und fördert (nicht nur eigene) Nachwuchstalente. Christoph Neumeister amtet als Obmann des Winzervereins Vulkanland Steiermark: Man zieht an einem Strang, lässt Experten aus aller Welt einfliegen, um Wissen und Know-how auszubauen und das Handwerk zu festigen. «Wenn mir schon die Zeit für die freiwillige Feuerwehr fehlt», sagt der Weinbauer, «engagiere ich mich immerhin so für die Region.»
Der Einsatz für die Südoststeiermark ist auf dem Weingut Neumeister seit Generationen verankert und zieht sich als sinnstiftende Philosophie durch – bis in die Küche des Saziani Stub’n. Sie ist das Reich von Harald Irka; 26 Jahre jung, schmächtig, eher von der stillen Sorte, aber mit klaren Vorstellungen im Kopf und unsagbar viel Talent gesegnet. Nicht umsonst nennt man den jungen Mann in Österreich auch den «Mozart der Küche»: Irka gilt als die nationale Nachwuchshoffnung schlechthin und wurde von Gault & Millau bereits mit 18 Punkten und drei Hauben bedacht, während er Michelin durch die Lappen geht, weil dieser in Österreich nichts wertet, was ausserhalb von Wien oder Salzburg liegt.
Dass der gebürtige Linzer Irka nicht da landete, sondern eben in Straden strandete, ist Zufall. «Vielleicht wäre ich gar nicht hergekommen, wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich da einlasse», sagt er und lacht. Aber die Neumeisters reagierten nun mal als Erste auf seine Bewerbung, die er nach Abschluss der Hotelfachschule 2009 verschickte. Seit Frühjahr 2010 lebt Irka darum quasi am Ende der Welt; in einer Gegend, die er mit den Jahren lieben lernte. «Mittlerweile», sagt er, «schätze ich die Ruhe sehr. Und kochtechnisch mag ich die Nähe zu den Produzenten; die hat man kaum irgendwo sonst so greifbar wie hier.»
Wie die Neumeisters setzt sich auch Irka nicht nur in der Theorie für die Region ein. Mit fünf renommierten Kollegen gründete er die Köchevereinigung 47°. Deren erklärtes Ziel ist es, «der Steiermark etwas zurückzugeben» – und zwar gemeinsam. Die Köche betreiben Standortmarketing, wollen den Ruf der Heimat mit ihrer Arbeit auch im Ausland stärken. «Dafür spannen wir zusammen, empfehlen und helfen uns gegenseitig, tauschen uns aus», sagt Irka. «Und wir fördern die Produzenten, um die Qualität zu bekommen, die wir uns wünschen.» So koordinieren die 47°-Köche zum Beispiel ihre Abnahmemengen – oder geben den Herstellern im Rahmen von Events eine Bühne.