«Der Brenner sollte nie sein bester Kunde sein.»
Der Nebel hängt an diesem kühlen Oktobermorgen tief. Er verschlingt die kleine Strasse, die sich durch die grünen Hügel schlängelt und nach Lauwil im Kanton Basel-Landschaft führt. Ausser den Obstbäumen, die ihre meisten Blätter schon verloren haben und etwas trostlos in der Gegend stehen, gibt es hier nicht viel. Nur ein kleines Schild mit der bescheidenen Aufschrift «Edelbrände» weist auf den Ort hin, an dem vor 16 Jahren zum ersten Mal ein einheimischer Whisky gebrannt wurde. Es ist der Bauernhof «Holle» von Ernst Bader.
Der 83-Jährige brennt Schnäpse, seit er sich erinnern kann. Schon als Bub half er seinem Vater, aus vergorenen Birnen, Zwetschgen und Kirschen feinste Brände herzustellen. Bader gehört zur vierten Brenner-Generation der Familie. «Das ist einfach ein Gen, das wir Baders erwischt haben», sagt er zu seiner Leidenschaft. Dieses «Brenner-Gen» muss es auch gewesen sein, das Ernst Bader dazu bewog, der Erste sein zu wollen, der in der Schweiz Whisky brennt.
Seit dem Zweiten Weltkrieg war es in der Schweiz verboten, aus Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln oder Gerste Schnaps zu brennen. Am 1. Juli 1999 sollte das Gesetz geändert und der Weg somit frei werden für die einheimische Whiskyherstellung. Das wusste Bader. Also traf er Vorbereitungen. Zuerst brauchte er Malz. Da es in der Schweiz keine Mälzerei mehr gibt, schickte Bader seinen Schwiegersohn nach Deutschland, um in Bamberg 400 Kilo Malz zu besorgen. Als die Grundsubstanz für den Whisky auf dem Hof war, musste Bader vor dem Brennen vor allem noch eins tun: Zum ersten Mal in seinem Leben probierte er einen Whisky. Als Schnapsbrenner hält sich Bader eisern an eine Regel: Der Brenner sollte nie sein bester Kunde sein. Trotzdem musste er wissen, wie Whisky schmeckt, bevor er welchen herstellen konnte. «Meine Tochter brachte mir eine Flasche aus Schottland mit», sagt Bader. Es war ein Glenfiddich. Ein Whisky aus der grössten Single-Malt-Destillerie Schottlands, für eine der wahrscheinlich kleinsten Brennereien der Welt. Das passte.
Mit dem rauchigen Segen Schottlands am Gaumen stand Bader am 1. Juli 1999 pünktlich um fünf Uhr morgens an seinem Brennkessel und feuerte der Maische ein. Um zehn Uhr etwa sei der erste Schweizer Schnaps aus Gerste aus der Destillerie geflossen. Es war ein Spektakel. Dass Ernst Bader auf seinem Hof den ersten Schweizer Whisky brennen würde, hatte sich rumgesprochen. Verwandte waren da sowie Vertreter der Medien. «Ein schönes Fest feierten wir an diesem Tag.»
Seinen ersten Whisky von 1999 hat Bader restlos verkauft. Dafür lagern verschiedene andere Jahrgänge im Keller des 300 Jahre alten Bauernhauses. Holzfass um Holzfass aus französischer oder amerikanischer Eiche, in denen Rot- oder Weisswein gelagert waren, reihen sich aneinander. Die weisse Gewölbedecke färbte sich über die Jahre schwarz. Der Schnaps im Holzfass arbeitet und verdunstet. «Engelskonsum» nennen das die Whiskybrenner. «Drei Flaschen holen sich die Engel täglich», sagt Bader, der in einer Ecke des Kellers eine Engelsstatue aufgestellt hat. Etwa 100 Fässer lagern auf dem Holle-Hof im Keller. In Baders Sortiment finden sich Single Malts, die zwischen sieben und zwölf Jahre alt sind. Auf die Frage, warum er den ersten Whisky verkauft und ihn nicht 20 Jahre gelagert habe, sagt er pragmatisch: «Ich bin jetzt 83. Einen 25-jährigen Whisky hätte ich vielleicht nicht mehr erlebt.»
Nicht die älteste, aber wohl eine der schönsten Schweizer Whiskybrennereien liegt in Aarwangen im Kanton Bern. In einem renovierten Kornhaus von 1616 ist die Brennerei Langatun beheimatet. Seit 2003 brennt Geschäftsführer Hans Baumberger preisgekrönte Whiskys. Der diplomierte Braumeister hat das Brennen respektive Brauen im Blut. Schon sein Urgrossvater brannte Schnaps und braute Bier in Langenthal. Vor 15 Jahren kamen auf Baumberger vier jüngere Herren zu, die eine Kleinbrauerei in Langenthal auf die Beine stellen wollten. Sie wussten um seine Ausbildung und baten ihn um Unterstützung. «Wir trafen uns jeden Samstag zum Stammtisch, um uns über die Entwicklung der Brauerei auszutauschen. Dort entstand die Idee, auch einen Whisky zu brennen.»