«Es geht darum, Ingredienzen und Geschmäcker zu transformieren.»
Kimchi, Kefir & Co. sind in aller Munde: Vergorene Lebensmittel erleben derzeit einen Boom. Fermentieren ist eine der ältesten Konservierungsmethoden, die Nahrungsmittel nicht nur länger haltbar, sondern auch bekömmlicher macht – und sie überdies geschmacklich veredelt. Nicht umsonst blickt die für ihre intensiven Geschmäcker gelobte japanische Küche auf eine lange Tradition des Fermentierens zurück. Christine Syrad ist mit deren Aromen aufgewachsen. Die 33-Jährige mit britisch-japanischen Wurzeln verbrachte Kindheit und Jugend in Osaka, nach einem Abstecher zum Studium in Italien zog es sie in die Schweiz, wo sie seit zwölf Jahren lebt. Mit ihrem Unternehmen Fermentable berät Syrad Gastronomen, Köche und Kochbegeisterte rund um das Thema Fermentation und gibt ihr Wissen über die uralte Kunst weiter – zum Beispiel in Workshops von Sobre Mesa, dem Zürcher Kompetenzzentrum für Esskultur. Auf ihre etablierten Kurse für Laien folgt nun ein weiteres Format, das Syrad gemeinsam mit Sobre Mesa und ONO, dem digitalen Marktplatz für nachhaltige Lebensmittel, entwickelt hat: Eine Chef’s Class zum Thema japanische Fermentation, speziell für Köche.
«Im Zentrum steht aber nicht die japanische Küche an sich», sagt Syrad, «sondern vielmehr die Frage, wie wir mit ihren Techniken, in diesem Fall der Milchsäurevergärung, heimische Produkte und unsere ganz persönliche Küche aufwerten können. Es geht darum, Ingredienzen und Geschmäcker zu so transformieren, dass sie im Gaumen für unerwartete Überraschungen sorgen.» Im Kurs vermittelt die Syrad Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Grundlagen der sogenannten Lactofermentation, die sich, weil sie keine spezielle Starterkultur voraussetze, besonders gut eigne, ins Handwerk des Fermentierens einzusteigen. «Bei dieser Art der Vergärung sind weder Hefen noch Schimmelpilze am Werk, sondern Milchsäurebakterien, die überall vorkommen», sagt Syrad, «auf der Oberfläche von Pflanzen, in der Milch, auf unserer Haut. Sie bauen den im Lebensmittel enthaltenen Zucker zu Milchsäure um, die Speisen je nach Produkt mehr Fruchtigkeit, eine fein-ausbalancierte Säure und charakteristische Umami-Noten verleihen.»
Sie wolle zeigen, dass Fermentieren keine Raketenwissenschaft sei – «ich ärgere mich, wenn es als solches dargestellt wird», so Syrad –, und ausserdem weit über Sauerkraut und Buttermilch hinausgehe. Ziel sei es, Köchen im Kurs möglichst viele alltagstaugliche Tipps und Inspirationen an die Hand zu geben. Zum Beispiel in der Frage, was sich mit Resten anstellen lässt – die dank Milchsäurebakterien übrigens das Potenzial zur Delikatesse hätten. «Nehmen wir ein paar übriggebliebene Chilischoten, die wir in Salzlake vergären», sagt Syrad. «Als Resultat haben wir einerseits die fermentierten Chilis, die fein gehackt Tatar oder Saucen bereichern. Andererseits ist da die mit feinen Chilinoten versetzte Lake, die sich zusammen mit ein paar Schoten zu einer exzellenten Fleischmarinade verarbeiten lässt – oder aber wir nutzen sie als Basis für neues Fermentier-Gut wie Karotten-, Zwiebel- oder Orangenresten, die auf diese Weise ein bombastisches Aroma annehmen.»
Im Kurs stehen ausserdem auch die Themen Rezeptentwicklung, Fermentieren mit Zucker sowie die Herstellung von natürlich fermentierten Enzymsäften und Essig auf dem Programm. Ein weiteres Augenmerk gilt der Frage, wie fermentierte Produkte der pflanzenbasierten Küche zu mehr Pep durch Umami verhelfen können. «Und nicht zuletzt», sagt Syrad, «soll das Handwerk des Fermentierens Köchen das Leben vereinfachen. Die Vergärung allein braucht zwar etwas Zeit – dafür hat man nachher jederzeit griffbereite Delikatessen, die sich über die Saison hinaus halten und altvertrauten Geschmäckern einen ganz neuen Dreh geben.»