«Vom zweiten Tag an werden die meisten Gäste ihre Zeit hauptsächlich auf Facebook verbringen.»
Zwölf Tage Vollpension für neuneinhalb Millionen Dollar – da ist schon der Preis ein Alleinstellungsmerkmal. Aber wohl kaum der einzige. Und für den atemberaubenden Blick auf den Chäserrugg mit seiner Bergstation von Herzog &de Meuron lässt man auch gern was springen. Das Hotel steht trotzdem nicht in einem der zwei Toggenburger Skigebietlein. Es steht überhaupt nicht. Es fliegt durchs Weltall auf 32 100 Metern über Meer und heisst Aurora Station. Die Eröffnung sei für 2022 geplant, heisst es bei der Bauherrin und künftigen Weltraumhotelière, Orion Span aus Houston, einem Start-up. Nomen est Omen.
Das Ziel von Aurora Station, lässt der CEO verlauten, sei es, «den Weltraum für alle zugänglich zu machen». Das klingt ganz nach gelebter Sozialdemokratie. Und 800 000 Franken pro Nacht und Nase inklusive Shuttle-Service sind ein echter Büezerpreis, beim Konkurrenten Axiom Space kostet schon eine einzelne Nacht fünfeinhalb Millionen Dollar. Sowas leisten sich selbst Cüpli-Kapitalisten höchstens mal zum Hochzeitstag.
Natürlich sind die Angebote von Orion und Axiom nicht vergleichbar. Zwar ist auch bei Axiom das Penthouse eher ein Penthäuschen, ein Wohnmodul ist kaum grösser als eine Telefonzelle (das sind diese winzigen Glashäuser mit einem Festnetztelefon, die früher auf der Erde herumstanden), aber dafür sind die Wohnmodule crèmefarbig gepolstert. Und das Licht ist stets so gedimmt, dass es die täglichen 16 Sonnenauf- und -untergänge nicht konkurrenziert. Ausserdem gibts eine Aussichtskuppel für schwerelose Häppchen und Cocktails. Zweifellos sind die Häppchen aus einheimischer Bio-Produktion und die Trinkhalme in den Cocktails kompostierbar. Die fünfeinhalb Millionen pro Nacht sind also gerechtfertigt, ein gutes Gewissen darf einem auch im Weltall etwas wert sein, gell.
Aurora Station ist sehr familiär. Die Röhre von elf Metern Länge und vier Metern Durchmesser bietet Platz für vier Gäste und zwei Hotelmitarbeiter. Bei einer Zimmerbelegung von 100 Prozent in der ersten Phase können später problemlos weitere Module gebaut und angeschlossen werden. Anfangs müssen noch einige Kompromisse in Kauf genommen werden. Es gibt nur Vollpension. WC und Dusche sind im Gang. Zum Rauchen muss man hinaus vor die Luke. Vorzeitiges Auschecken wegen Klaustrophobie gibts nur auf eigene Verantwortung. Wenigstens ist die Rezeption rund um die Uhr besetzt. Und man wird nie versehentlich von Etagenmitarbeiterinnen mit Staubsauger im Zimmer gestört, während man es miteinander über dem Bett schwebend zu treiben versucht.
Natürlich ist auch ein Unterhaltungsprogramm unbedingt vonnöten, geschwebt ist man irgendwann ja genug, und spätestens nach 20 Sonnenuntergängen und einer Million Fotos und Selfies möchte man etwas Neues erleben. Ein Spa gibt es noch nicht, und die Entwicklung eines hoteleigenen Tennisplatzes – aus Platzgründen outdoor – ist bisher nicht von Erfolg gekrönt, beim Prototyp haben sich ständig Tennisbälle unerlaubt vom Platz entfernt. Immerhin gibt es ein «Holodeck», auf dem der Gast in virtuelle Realitäten abtauchen kann. Schliesslich möchte man auch im Weltraum endlich mal etwas anderes erleben als immer nur die Wirklichkeit. Vom zweiten Tag an werden die meisten Gäste ihre Zeit ohnehin hauptsächlich auf Facebook verbringen.
Einlass erhält übrigens nur, wer in Houston ein dreimonatiges Training absolviert hat. Damit man weiss, was zu tun ist, wenn am Frühstücksbuffet der Orangensaft davonschwebt. Oder wenn sich beim Candlelight-Dinner im Speisesaal der Flugröhre am Abend Western Pazific Time das kleine Schwarze in unzüchtige Höhen bewegt. Bittet man bei der Reservation um einen Tisch mit Arenablick, bringt der Kellner aber gern einen Feld-stecher an den Tisch, und der Concierge steuert das Hotel zwischen Sonnenuntergang sechs und elf über das Toggenburg, damit die Gäste aus sicherer Distanz zuschauen können, wie sich die Römer von Wildhaus und die Gallier von Unterwasser an die Gurgel gehen.
Eine neue Zielgruppe hat der Hotelbesitzer und Milliardär Robert Bigelow im Visier: die Camper. Seine Firma will bereits nächstes Jahr zwei aufblasbare Module in den Weltraum schicken. Bigelow erklärte 2017 in einer CBS-Talkshow, er sei absolut davon überzeugt, dass es auf der Erde eine ausserirdische Präsenz gab und gebe. Was den Verdacht aufkommen lässt, dass Bigelow womöglich selber ein Alien ist.
Wie auch immer: Sollten Bigelows aufgeblasene Stationen zum Fliegen kommen, wird er sicher dafür besorgt sein, dass seine Gäste im Weltraum auch Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufnehmen und ihre Bräuche und Sitten kennenlernen können. Möglicherweise besteht das beliebteste Hobby der Ausserirdischen darin, in Konferenzbestuhlung im Weltraum herumzusitzen und dem Planeten Erde zuzuschauen. Den Investoren, denen ihr eigenes Geschwätz den Blick auf den Heimatplaneten vernebelt. Aber die sind halt wie die Toggenburger, die kommen auch nicht mehr runter.