13.08.2018

Bären, Bunya & Bewerbungen

Aufgezeichnet von Delia Bachmann
Serie – Auf Wanderschaft: Als junger Koch ist Philippe Perrey einmal um die halbe Welt gereist und nicht zurückgekehrt. Den lockeren Umgang in Melbournes Restaurants musste der 35-Jährige erst lieben lernen.
philippe-perrey_zusammengefu-gt.jpg

«Als ich in Australien ankam, erlebte ich eine Art Kulturschock.»
«Ich lebe und arbeite nun seit zehn Jahren in Melbourne. Den Grossteil meines Arbeitslebens verbrachte ich im Ausland. Nach meiner Kochlehre im Gasthof zum Bären bei Harry Pfändler in Birmenstorf, hängte ich in Erlinsbach eine Servicezusatzlehre im Landhotel zum Hirschen bei Albi von Felten an. Danach zog es mich nach Deutschland, Spanien, auf die Malediven und zurück nach Spanien, ins El Racó d'en Freixa von Ramon Freixa, diesmal als Souschef. Hier war ich, als die Hilton-Gruppe, für die ich auf den Malediven gearbeitet hatte, anrief. Man fragte mich, ob ich in Melbourne ein Hotel unter dem Gastronomiekonzept von Freixa eröffnen möchte.

Als ich in Australien ankam, erlebte ich eine Art Kulturschock. Was ich, selbst in den gehobenen Restaurants sah, war weit vom Niveau entfernt, das ich aus Europa kannte. Die Küche war recht einfach, die Kellner duzten einen, das Bier wurde in der Flasche und die Teller von der falschen Seite her serviert. Dazu muss man wissen, dass Australien keine jahrhundertelange Kulturgeschichte hat wie etwa Frankreich. Vieles stammt aus der britischen Küche, zum Beispiel Fish and Chips oder Meat Pie, dazu kommen indische und südostasiatische Einflüsse.

In den letzten zehn Jahren ist aber extrem viel passiert. Es wird lokal und frisch gekocht, viele Köche versuchen Bush Tucker, einheimische Produkte, wie sie Aborigines seit jeher verwenden, einzubinden: Seegras, Fingerlimetten, Strandspinat, Zitronenmyrte, Samen des Bunya-Baums oder tasmanischer Bergpfeffer. In Melbourne wird das Brunchen zelebriert und es gibt viele Restaurants mit einer offenen Küche. Wenn man vorher schon gearbeitet hat, als würde einem jeder zuschauen, ist das aber kein Problem. Wichtig ist eine gute Vorbereitung und dass man schaut, wie die Küche von aussen aussieht. Immer mehr Lokale entdecken zudem das Kochen über dem offenen Feuer.

Das Konzept im Hilton in Melbourne funktionierte nicht wie gedacht, vor allem weil es schon viele spanische Restaurants gab und Australier eher nicht in Restaurants gehen, die in einem Hotel untergebracht sind. Nach drei Jahren zog es mich weiter. Unter anderem arbeitete ich für die Delaware-North-Gruppe als Executive Souschef. Als offizieller Caterer des Australian Open machten wir mit einem 250-köpfigen Küchenteam vom Essen in den Stadien bis zum Catering für die Tennisspieler und die VIP alles. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich genug von der Küche und fand es sei Zeit für etwas Neues. Heute arbeite ich als Restaurantleiter im Pentolina in Melbourne.

Es ist schwierig, gute Leute zu finden. Neben der dreijährigen Kochlehre gibt es viele Drittanbieter, bei denen ein Abschluss in acht Monaten möglich ist. Bei Bewerbungen muss man zwischen den Zeilen lesen, um herauszufinden, welchen Abschluss jemand hat. Oft geht es darum, ein Visum zu bekommen und in Australien Fuss zu fassen. Hinzu kommen strenge Arbeitsgesetze: Wenn ein Mitarbeiter seine Arbeit schlecht macht, darf man ihm das höchstens indirekt sagen. Trotz dieser Herausforderungen gefällt mir meine neue Aufgabe sehr gut. Nur ab und zu muss ich aufpassen, dass ich die Grenze zur Küche nicht überschreite.»

Zur Person
Philippe Perrey (35) hat sich in der Schweiz erst zum Koch (Gasthof zum Bären, Birmenstorf), dann zum Restaurationsfachmann (Landhotel zum Hirschen, Erlinsbach) ausbilden lassen. Es folgten Stationen in Deutschland, Spanien und auf den Malediven. Vor zehn Jahren zog Perrey nach Melbourne, um für die Hilton-Gruppe ein Konzept unter dem Namen von Ramon Freixa zu eröffnen. Nach weiteren Jobs als Koch in der Stadt hängte er den Beruf vor anderthalb Jahren an den Nagel. Heute arbeitet er als Restaurantleiter im Pentolina in Melbourne, wo er zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen lebt.

Zur Serie
In Stages im Ausland erweitern junge Köche ihren kulinarischen und kulturellen Horizont, vertiefen das Handwerk und tragen Erinnerungen fürs Leben nach Hause. Anderen hingegen gefällt es so gut, dass sie gleich da bleiben. Weil die dabei gemachten Erfahrungen zu wertvoll sind, um sie nicht zu teilen, lassen wir im Rahmen unserer Webserie «Auf Wanderschaft» Köche zu Wort kommen, die im Ausland gearbeitet haben.