20.08.2018

Bio-Insekten für die Küche

Text: Virginia Nolan – Fotos: Tina Sturzenegger
Seit 2017 sind Insekten als Lebensmittel zugelassen. Gezüchtet wurden die Tiere bisher meist im Ausland. Das Start-up Ensectable bietet sie aus heimischer Bio-Produktion an.
Ohne Fett geröstet, schmecken Mehlwürmer nach Haselnuss.
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«Es ist spannend, wie sich der Geschmack von Insekten je nach Zubereitungsart verändert. »

Grillen, europäische Wanderheuschrecken und Mehlwürmer sind die drei Insektenarten, die Herr und Frau Schweizer seit Mai letzten Jahres offiziell verspeisen dürfen – als ganze Tiere, zerkleinert oder gemahlen. Trendforscher halten grosse Stücke auf das kleine Getier und prognostizieren ihm eine Schlüsselrolle in Ernährungsfragen der Zukunft. Denn Insekten sind bekanntlich hervorragende Eiweisslieferanten, die herkömmliche Proteinquellen wie Fleisch alt aussehen lassen, wenn es um ökologische Fragen geht. Sie brauchen weniger Platz und Ressourcen als übliche Nutztiere und belasten das Klima in vergleichsweise geringem Ausmass.

Auf dem Teller mögen Insekten zwar gewöhnungsbedürftig sein, gleichzeitig hat die neue Gaumenfreude das Interesse von Lebensmittelindustrie, Detailhändlern und experimentierfreudigen Gastronomen geweckt – auch in der Schweiz. Gezüchtet wurden die Tiere bisher hauptsächlich im Ausland. Ensectable will das ändern: Anfang September weiht das Aargauer Start-up in Endingen seine bio-zertifizierte Mehlwürmer- und Grillenzucht ein. Die Jungunternehmer ernähren ihre Insekten mit Resten und Abfällen von Bio-Gemüse sowie Nebenprodukten, die bei der biologischen Bier- und Getreideherstellung anfallen. «Unsere Tiere nehmen so gut wie keine Proteine zu sich», sagt Mitgründerin und Züchterin Mina Gloor, «sie essen niemandem etwas weg und verwerten Futter besser als herkömmliche Nutztiere.» So seien für die Produktion von einem Kilogramm Mehlwürmer gerade einmal zwei Kilogramm Futter nötig, für ein Kilogramm Rindfleisch brauche es hingegen 24 Kilogramm Futter.

Die Köpfe hinter Ensectable: Tierarzt Benjamin Steiner, Ökonom Christian Bärtsch und Tierpflegerin Mina Gloor.
Die Köpfe hinter Ensectable: Tierarzt Benjamin Steiner, Ökonom Christian Bärtsch und Tierpflegerin Mina Gloor.

Die gelernte Tierpflegerin fing bereits vor ein paar Jahren an, im kleinen Rahmen Insekten zu züchten. Bald startete Gloor ihre ersten kulinarischen Versuche und servierte ihre Kreationen im Bekanntenkreis. Die Resonanz sei ermutigend gewesen und habe sie schliesslich darin bestärkt, mit ihrem Projekt ernst zu machen. «80 Prozent des klimaschädlichen Methans, das in der Schweiz ausgestossen wird, geht auf Rinder zurück», sagt Gloor. «Mehlwürmer und Grillen stossen gar kein Methan aus. Wir müssen umdenken.» Auch der Tierschutz-Gedanke komme bei Ensectable nicht zu kurz, hält sie fest: «Insekten leben natürlicherweise auf engem Raum. Ausschlaggebend für ihr Wohlbefinden sind die richtige Ernährung und die klimatischen Bedingungen. Wir haben daher ein hochmodernes Belüftungssystem, das sich übers Handy überwachen und regulieren lässt.»

Starthilfe bekommt Insectable von der Klimastiftung Schweiz, die dem Jungunternehmen finanziell unter die Arme greift. Bei voller Kapazität soll Ensectable dereinst 12 Tonnen Insekten pro Jahr produzieren können. «Wenn damit Fleisch ersetzt wird, spart das mindestens 290 Tonnen CO2 pro Jahr», sagt Vincent Eckert, Geschäftsführer der Klimastiftung Schweiz, «und das langfristige Potenzial ist noch viel grösser.» Am Tag der offenen Tür am 8. September empfängt Ensectable interessierte Besucher zu einer Zucht-Führung inklusive Insekten-Apéro. «Zu einem späteren Zeitpunkt wird es auch einen Event speziell für Gastronomen geben», sagt Gloor. Bis jetzt seien noch keine Partnerschaften spruchreif. «Die Aufbauphase hat uns absorbiert», so Gloor, «jetzt sind wir offen für Anfragen und freuen uns auf interessante Begegnungen.» Das kulinarische Potenzial von Insekten spreche jedenfalls fürs sich: «Es ist spannend, wie sich ihr Geschmack je nach Zubereitungsart verändert. Ich bevorzuge es zum Beispiel, Mehlwürmer ohne Fett zu rösten, so verströmen sie ein intensives Aroma nach Haselnuss. Heuschrecke dagegen schmeckt ähnlich wie Poulet und fügt sich perfekt in asiatische Gerichte oder in eine Paella ein. Grillen erinnern im Geschmack leicht an Popcorn, auf dem Teller sind sie sozusagen Alleskönner.»

Der Tag der offenen Tür in der Bio-Insektenzucht von Ensectable findet am 8. September von 11 bis 16 Uhr in Endingen AG statt. Besuchern werden Lebensweise, Aufzucht und das kulinarische Potenzial von Insekten nähergebracht, anschliessend folgt ein Apéro mit Tieren aus Eigenproduktion. Zur Anmeldung gehts hier lang.