«Es geht nicht nur um Inhaltsstoffe, sondern um Geschichten. Die Leute wollen Geschichten hören.»
Heutzutage wird Brot gerne als Dickmacher, Massenware oder Gluten-Bombe verunglimpft, und seine einstige Position als Grundnahrungsmittel steht infrage. Demgegenüber tut sich eine wachsende Zahl von Jungbäckern hervor, die sein ramponiertes Image erfolgreich aufpolieren – mit Herzblut, Fachwissen und der Renaissance ebenjener Handwerkskunst, die dem Brot einst Platz eins auf unseren Tischen sicherte. Zu dieser Garde gehört Ramona Marggi aus Schindellegi im Kanton Schwyz. Vor zehn Jahren war die gelernte Bäckerin-Konditorin angetreten, «um dem schlechten Ruf von Brot entgegenzuwirken», wie sie sagt. Ihre Einfrau-Backstube hat die Jungunternehmerin inzwischen zur Schaubäckerei mit elf Mitarbeiterinnen ausgebaut. Dem Argument, Brot sei nicht gesund, kontert ihre Bäckerei «gsund» mit Getreidekreationen, für deren Rezepturen sie mit Ernährungsberatern zusammenspannt.
Was dem zivilisationsgeplagten Normalbürger in seiner Ernährung mitunter am meisten fehlt, sind bekanntlich Ballaststoffe, sprich Fasern, die unserer Verdauung auf die Sprünge helfen. «Hier», sagt Marggi, «wollte ich als Erstes ansetzen.» Als besonders reich an Ballaststoffen gilt Haferkleie, die zu 85 Prozent aus Fasern besteht und ausserdem einen hohen Anteil an Magnesium, Phosphor, Eisen, Zink und verschiedenen Vitaminen enthält. Haferkleie ist in herkömmlichen Broten bestenfalls als Beigabe enthalten – bei der Bäckerei «gsund» stellt sie die Hauptzutat dar. «Zwei Haferkleiebrötchen decken bereits unseren Tagesbedarf an Ballaststoffen», sagt Bäckerin Marggi, die auch Folsäure in jedes ihrer Gebäcke mischt.
Backen mit Kleie sei eine handwerkliche Herausforderung, der Teig so dicht, dass es seine Verarbeitung erschwere. «Im Gaumen», sagt Marggi, «muss er dagegen luftig und leicht daherkommen.» Dafür sorge das vitalisierte Wasser, das sie dem Teig beimische. Ausserdem binde Kleie allein nicht, also komme ein Minimum an Weizenkleber-Eiweiss hinzu, gerade einmal zwei Prozent seien es aufs ganze Brot gesehen. Auf den Gluten-frei-Zug ist die Jungbäckerin also nicht aufgesprungen. «Bewusst nicht», sagt sie, «von Allergie-Themen lasse ich die Finger, da wird man nicht mehr fertig.» «Low Carb» hingegen schreibt sich die «gsund»-Bäckerin auf die Flagge, enthalten ihre Brote im Schnitt doch 60 Prozent weniger Kohlenhydrate als Konkurrenzprodukte. So hat sich Marggi denn auch auf zuckerfreie Brainfood-Snacks und Süssigkeiten spezialisiert und stellt nebenher auch Pizza, Nudeln oder Chips aus Haferkleie her. Ergänzend bietet sie eine Linie mit Urdinkel-Produkten an.
Brot mit Mehrwert, da ist Marggi überzeugt, wird auch in der Gastronomie immer mehr zum Thema. «Einerseits, weil der Konsument und Gast besser informiert ist und wissen will, was er isst», sagt sie, «andererseits geht es aber nicht nur um Inhaltsstoffe, sondern um Geschichten. Die Leute wollen Geschichten hören, und wer mit Lebensmitteln arbeitet, sollte eine zu erzählen haben.» Marggi beliefert bereits eine Handvoll Hoteliers und Gastronomen, und sie empfiehlt ihnen, zum Brot auf der Karte ein paar Worte zu verlieren, statt es als Nebensache zu betrachten. «Nehmen wir den gesundheitsbewussten Gast», sagt sie, «der wird sich freuen, wenn er das Brötchen zum Salatteller mit gutem Gewissen geniessen darf, eben etwa, weil es faserreich oder kohlenhydratarm ist. Der springende Punkt ist allerdings: Der Gast muss das wissen, sonst bringt jeglicher Mehrwert nichts – dem Betrieb zuallerletzt.»