31.03.2020 Salz & Pfeffer 2/2020

Bühne für die Branche

Interview: Virginia Nolan – Fotos: Jürg Waldmeier
Dieses Jahr findet Food Zurich zum fünften Mal statt. Die Veranstaltung ist mittlerweile zum drittgrössten Food-Festival Europas avanciert. Simon Mouttet leitet es seit der ersten Stunde und verrät, was Besucher heuer und in Zukunft erwartet.
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«Im Hinblick auf Food-Innovationen hat Zürich mehr zu bieten als die meisten Städte.»

Sie begleiten das Festival Food Zurich seit der ersten Ausgabe im Jahr 2016. Was hat sich seither verändert?
Simon Mouttet: Die Art, wie man uns wahrnimmt. In den ersten drei Jahren mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten, erklären, warum es diesen Anlass überhaupt braucht. Vor allem seit der vergangenen Ausgabe merken wir: Food Zurich ist dabei, sich zu etablieren – bei Köchen, Produzenten, Gastronomen und all den findigen Köpfen, die im kulinarischen Zürich mitreden. Und natürlich beim Publikum, das dem Festival seine Berechtigung gibt: 2019 durften wir 85 000 Besucher empfangen. Die Anmeldefrist für Bewerber, die das diesjährige Festivalprogramm mitgestalten wollen, ist Ende Februar abgelaufen.

Wie war der Rücklauf?
Enorm. Die Möglichkeit zur Mitwirkung ist niederschwellig, gerade beim Stadtgericht. Da laden wir Köche ein, während der Food Zurich ein Gericht zum aktuellen Festivalmotto anzubieten, das sie frei interpretieren können. Diesmal kochen erneut 50 Restaurants auf Stadtgebiet mit. Darüber hinaus werden wiederum gegen 400 Gastronomen, Händler, Start-ups und kulinarische Neudenker aus der Region Zürich rund 150 Events anbieten. Viele von ihnen sind zum ersten Mal dabei. Jedes Jahr melden sich mehr Bewerber, die Resonanz ist enorm. Das freut uns.

Nach welchen Kriterien gehen Sie dabei eigentlich vor?
Grundsätzlich kann jeder mitmachen, es gibt auch keine Teilnahmegebühr. Das ist uns wichtig, die Food Zurich soll kein Insiderevent sein. Mitwirkende müssen sich mit ihrer Veranstaltung aber in einem der vier Themenfelder bewegen, die sich das Festival auf die Flagge geschrieben hat: Entweder sollen die Zukunft oder das Erbe der Schweizer Küche, kulinarische Innovationen, Nachhaltigkeit oder die Nachwuchsförderung im Zentrum stehen. Und natürlich soll das Ganze auf ein besonderes Erlebnis hinauslaufen, auf Erfahrungen, die der Besucher so nicht jeden Tag macht. Das Programm ist vielfältig: Vom Wildkräuterspaziergang für die ganze Familie bis zum Fine Dining beim Spitzenkoch ist alles dabei.

Als Highlight für Geniesser hat sich die Food Zurich einen Namen gemacht. Was bietet sie Gastronomieprofis?
Für jene, die als Veranstalter mitwirken, stellt das Festival eine Bühne für ihr Schaffen und damit die Gelegenheit dar, an Reichweite zu gewinnen. Gerade das Format des Stadtgerichts soll Besucher dazu animieren, neue Restaurants zu entdecken. Der Marketingeffekt ist enorm: Wir bewerben unsere Veranstalter und ihre Themen auf sämtlichen Kanälen, und die Zusammenarbeit mit zahlreichen Medienpartnern trägt nicht nur dem Festival, sondern auch seinen Mitwirkenden entsprechende Publizität ein. Kulinarik-Experten profitieren aber auch als Besucher. Seien es Workshops zu Fermentation, essbaren Wildkräutern oder alkoholfreien Getränke-Pairings – das Programm soll auch Profis Inspiration und die Möglichkeit bieten, den eigenen Horizont zu erweitern.

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Kulinarische Zukunft, lautet das Festivalmotto für 2020. Was hat es damit auf sich?
Wegweisend waren für uns wissenschaftliche Beiträge zu Ernährungsfragen, vor allem der aktuelle European Food Trends Report des Gottlieb Duttweiler Instituts. Er zeigt eindrücklich, wie Essen in fast alle Bereiche unseres Lebens Einzug hält: als moralischer Kompass, Lifestyle-Erlebnis, Gesundheitsoptimierer. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass unsere Ernährung und unsere Zukunft zusammenhängen. Essen ist wichtiger denn je, und der moderne Mensch betrachtet es unter einem neuen Gesichtspunkt: Es soll unsere Gesundheit fördern und dazu beitragen, die Ressourcen des Planeten zu schonen. Wir begeben uns am Festival auf die Spuren dieses kulinarischen Wandels. Im Hinblick auf Innovationen, die damit verbunden sind, hat Zürich mehr zu bieten als die meisten europäischen Städte.

Inwiefern?
Die Region Zürich beheimatet zahlreiche Start-ups, die an der Schnittstelle aus Forschung und Kulinarik entstanden sind. Nehmen wir etwa Essento, den Schweizer Pionier für essbare Insekten, die Jungunternehmer von Umami, die mit ökologischen Delikatessen die Gastronomie aufmischen oder das ETH-Spin-off Planted, das mit seinem pflanzenbasierten Poulet- Ersatz für Furore sorgt. Das sind nur ein paar wenige und prominente Vertreter der Entwicklung, die hier stattfindet. Allein an der ETH beschäftigen sich derzeit 50 Forschungsteams mit Fragen zur Ernährung der Zukunft, und auch am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation der ZHAW passiert viel. Die Wissenschaft forscht nicht fürs stille Kämmerlein, sie will ihre Themen vors Publikum bringen. Die nächste Ausgabe von Food Zurich möchte dafür eine Plattform bieten.

Was erwartet die Besucher in diesem Zusammenhang?
Ich kann an dieser Stelle noch nicht allzu viel verraten, aber es wird auf jeden Fall spannend. Start-ups, die sich mit Ernährung der Zukunft befassen, werden mit ihren Innovationen präsent sein, aber auch Wissenschaftler, die das Thema an Inputreferaten und Vortragsreihen beleuchten. Auch das Restaurant im Festivalzentrum greift Ernährung der Zukunft als roten Faden auf – die ETH, Google oder das Tastelab werden dafür entsprechende Gerichte entwickeln. Sicher wird auch das Thema Digitalisierung in irgendeiner Form Eingang ins Programm finden, etwa im Rahmen des Food Save Days, der bewährte und neue Wege im Kampf gegen Lebensmittelabfälle thematisiert.

Gegründet wurde Food Zurich ursprünglich mit dem Ziel, die Stadt als Kulinarik-Destination zu etablieren. Wo steht Zürich in dieser Hinsicht?
Zürich hat eine lange Tradition als Finanzplatz, und mit einer Bankenstadt assoziieren potenzielle Besucher vermutlich nicht unbedingt einen Food-Hotspot. Ausserdem hat Zürich keine touristischen Monumente wie etwa den Eiffelturm, sein Reiz besteht aus mehreren kleinen Highlights, und da spielt die Kulinarik ganz vorne mit. So beheimatet die Stadt allein 42 Foodsharing-Organisationen – da kommt Zürich weltweit gleich nach New York, London und Wien. Dazu gesellt sich eine Vielzahl innovativer Gastronomiekonzepte, und alle liegen in Fussdistanz zueinander. Zürich ist zweifellos die kulinarische Hauptstadt der Schweiz. Die Nachricht, dass es hier viel zu entdecken gibt, macht so langsam, aber sicher auch im Ausland die Runde. So brachte beispielsweise CNN einen Bericht über Zürich als Food-Destination, und unlängst hatte ich in diesem Zusammenhang auch eine Journalistin von National Geographic zu Gast. Ich glaube, wir sind auf gutem Weg. Dazu trägt hoffentlich auch Food Zurich bei, mittlerweile immerhin eines der drei grössten Food-Festivals in Europa.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Pläne haben Sie für das Festival?
Wir wollen seine internationale Ausstrahlung erhöhen, unter anderem, indem wir das Festival in Zukunft noch stärker als Plattform zum Austausch unter Profis positionieren. Food Zurich soll weiterhin den Geniesser ansprechen, langfristig aber auch einen Kongress-Charakter annehmen. Zu den Publikumsveranstaltungen sollen Symposien kommen, bei denen der Wissenstransfer zwischen KulinarikExperten aus unterschiedlichsten Disziplinen im Zentrum steht. Erste Bestrebungen sind dazu bereits im Gange, und exemplarisch für die Richtung, die wir anpeilen, ist das Symposium Soil to Soul, das 2020 im Rahmen von Food Zurich erstmals über die Bühne geht. Die zweitägige Veranstaltungsreihe packt die Themen Ernährung, Genuss und Gesundheit bei der Wurzel und beleuchtet Gegenwart und Zukunft der Lebensmittelproduktion weltweit.

Das Festival
Food Zurich ist ein Verein, der 2015 von Zürich Tourismus und Partnern aus der Hotellerie und Gastronomie gegründet wurde. Das gleichnamige Festival ging 2016 erstmals über die Bühne und will den kulinarischen Reichtum der Region und das Schaffen lokaler Gastronomen international bekanntmachen. Die fünfte Ausgabe der Food Zurich zum Thema Kulinarik der Zukunft findet vom 22. Oktober bis 1. November 2020 an verschiedenen Orten in Stadt und Region statt, das Festivalzentrum ist der Europaplatz beim Hauptbahnhof Zürich. Das Programm bietet rund 150 Veranstaltungen rund um Ernährung und Genuss.
foodzurich.com

Der Leiter
Simon Mouttet (46) verfügt über langjährige Erfahrung in der Event-, Tourismus- und Reisebranche, zu seinen beruflichen Stationen gehört etwa die Marketingorganisation Zürich Tourismus. 2013 gründete Mouttet sein Beratungsunternehmen für Tourismusmanagement, ausserdem fungiert er als Dozent an der Internationalen Schule für Touristik in Zürich. Mouttet begleitet die Food Zurich seit erster Stunde, heuer erstmals als alleiniger Festivalleiter. Seine ehemalige Co-Leiterin Alexandra Heitzer richtet ihren Fokus neu auf das 2019 entstandene Festivalzentrum und das damit verbundene Sponsoring.

Die Pandemie
Das Interview mit Simon Mouttet führten wir einige Zeit, bevor die Corona-Krise in der Schweiz akut wurde. Kurz vor dem Drucktermin dieser Ausgabe verschob die Festival-Leitung die Food Zürich in den Herbst. Neu soll die Veranstaltung vom 22. Oktober bis 1. November 2020 stattfinden. Einige Passagen des Interviews wurden den neuen Begebenheiten im Nachhinein angepasst.