«Ich bin ganz der Networker, rede gern mit Leuten, rede überhaupt gern.»
Der Hopfenkranz liegt voll am Luzerner Touristenstrom. Wie ist es, hier zu wirten?
Moritz Stiefel: Luzern ist ja mehr als ein Tourismusmagnet, und die Reisegruppen, die in Bussen anreisen, sind nicht unser Publikum. Wir sprechen Individualtouristen an – und jeden, der gut essen will. Ganz generell ist Luzern gastronomisch ein hartes Pflaster, konservativ und etwas verschlafen, es läuft wenig. Aber es gibt auch schöne alte kleine Lokale und Geschäfte. Und ich gehöre hierher.
Sie verzichteten bislang auf Wanderjahre.
Die Angebote hatte ich, doch ich entschied mich klar für Luzern. Manchmal reizt es mich schon, andere Konzepte anzuschauen, eine Stage im Ausland. Die Techniken habe ich im Griff, und ich weiss, worum es in der Gastronomie geht, aber es tut immer gut, den eigenen Horizont zu erweitern. Man wird sonst mit der Zeit betriebsblind. Ich lese viel, bilde mich weiter und verfolge, wie andere Köche arbeiten: Das ist meine Art zu wandern.
In Luzern haben Sie einen entscheidenden Vorteil ...
... mein Netzwerk, ja. Das ist wirklich mega gross. Ich bin ganz der Networker, rede gern mit Leuten, rede überhaupt gern. Und ich will wissen, was geht, was läuft, wer wo involviert ist. Wenn ich das früh erfahre, kann ich Einfluss nehmen oder ein Projekt anreissen. Der Hopfenkranz ist mein Baby, aber nebenbei mache ich einige andere Sachen. Da hilft es, dass man mich kennt. Wissen Sie: Schon meine Grossmutter war in Luzern ein bunter Hund, jetzt ich. Deshalb bin ich mit den 80-jährigen Grosspapis genauso gut vernetzt wie mit den 16-jährigen Lehrlingen. Das ist ein Vorteil. Und ein Fluch.
Inwiefern?
Luzern ist ein Dorf: Meine Frau Luigina und ich können nirgends in Ruhe auswärts essen. Drum gehen wir an unseren freien Tagen gern nach Zürich oder ins Ausland, wenns die Zeit erlaubt.
Sie sind nicht nur gut vernetzt, sondern auch sonst recht vielseitig: Sie kochen, kümmern sich um die Weinauswahl, Sie wissen, wie man kalkuliert, und erledigen, wenns sein muss, den Abwasch. Trotzdem scheinen Sie alles andere als eine One-Man-Show zu sein.
Ohne meine Brigade gehts nicht: In meinem eingespielten Team kann ich abgeben und mich auf die nächsten Schritte wie zum Beispiel die neue Speise- oder Weinkarte konzentrieren. Unsere Abläufe sind klar strukturiert – obwohl es nicht so wirkt, weil ich ein kleiner Chaot bin. Alle vier bis sechs Wochen ändern wir das Menü, jeder Gang wird bis ins Detail geplant und visuell dargestellt. An meinen Skizzen arbeite ich oft bis spät in die Nacht: Kreative Eingebungen kommen, wann sie kommen. Am liebsten aber koche ich noch immer. Neue Gerichte oder Klassiker, die ich mit einem Twist in meine berühmten 2.0-Variationen verwandle. Dass diese bei den Gästen ankommen, macht mich stolz.
Dazu haben Sie allen Grund.
Mittlerweile läufts im Hopfenkranz, ja. Wir haben eine gewisse Stabilität erreicht, einen guten Ruf und viele Stammkunden. Aber als wir vor zwei Jahren starteten, mussten wir zahlenmässig echt jonglieren. Im ersten Sommer verzichteten wir auf grosse Betriebsferien und gingen fast hops. Aber wir haben überlebt und aus den Kinderkrankheiten gelernt.
Eine wichtige Rolle spielt dabei Ihre Frau.
Luigina ist eine enorme Stütze und kümmert sich im Hintergrund um sehr vieles wie beispielsweise die gesamte Kommunikation oder die Cateringanfragen, aber auch ums Personal. Ich bin operativ fürs Restaurant zuständig – und ich reisse Sachen an. Fazit: Ich brocke ein, sie badet aus.
Apropos Anreissen: Diesen Sommer überbrückten Sie die Hopfenkranz-Pause mit einem Pop-up, nächstes Jahr bauen Sie das allenfalls aus.
Wir sind bereits wieder in der Planung, ja. Es gibt in Luzern einige Lokale ohne Terrasse. Im Sommer ist das natürlich der Horror. Wenn wir uns nun zusammenschliessen würden, könnten wir etwas richtig Cooles auf die Beine stellen. Wir würden voneinander profitieren: Gemeinsam kommt man weiter.
Sie sind leicht zu inspirieren.
Extrem. Mich inspiriert vieles. Ein Bild, ein Song, ein Video. Oder ein Gespräch. Vielleicht reden meine Mitarbeiter und ich über etwas, das wir erst für lächerlich halten, denken nach – und merken: Die Idee ist gar nicht doof. Dann experimentieren wir wie wild, bis ich sage: So isch geil! Am liebsten würde ich ständig neue Gerichte komponieren. Anfangs hatte ich zwölf Gänge auf der Karte, die ich dauernd wechselte. Gepaart mit meinem Anspruch, immer etwas Neues, etwas Innovatives zu kreieren, wurde das echt anstrengend. Ich merkte, dass mich das körperlich und mental auslaugt.