Walter el Nagar ist kein Freund von zarten Aromen.
Als der Teller geleert ist, kommt ein Schriftzug zum Vorschein: «Buon cibo per tutti», steht da. Der Satz umschreibt die ganze Philosophie des Restaurants Refettorio, das im Februar in Genfs angesagtem Industrieviertel Charmilles eröffnet hat und sich sowohl als Gourmetlokal als auch als soziales Projekt versteht: Alle, sprich ebenso jene, die es sich nicht leisten können, sollen etwas Gutes zu essen bekommen. Das Konzept stammt von Walter el Nagar, einem in Mailand aufgewachsenen Italo-Ägypter, Weltenbummler und kulinarischen Tausendsassa. «Wir sind ein Restaurant, das gleich wie eine gemeinnützige Einrichtung funktioniert und mit den Einnahmen aus dem Mittagsservice die gratis an Bedürftige ausgegebenen Abendmahlzeiten finanziert», erklärt er das Prinzip.
«Ouvert le midi», heisst es auf einer Tafel vor dem Eingang. Und: «Fresh pasta». Hinter der Tür überrascht ein hoher, lichtdurchfluteter und weitläufiger Raum mit Betonboden, wandhohen Fenstern und hellen Holztischen. In der Mitte des Lokals steht eine nach vorne hin offene Holzbox, in der die Küche untergebracht ist. Das Ganze wirkt wie eine durchgestylte Mensa, und es verwundert darum nicht, dass die Professorinnen und Professoren der nebenan residierenden Haute école d’art et de design hier gerne ihre Mittagspausen verbringen.
Pasta als Konstante
Doch es ist nicht nur der coole Industrie-Look, der für Aufmerksamkeit sorgt. Das Refettorio punktet vor allem mit seinem kreativen kulinarischen Angebot, etwa einer Parmigiana aus sous-vide gegarten Auberginen, die mit einer glänzenden Tinktur aus Miso, Sojasauce und gerösteter, pulverisierter Auberginenhaut eingepinselt und mit eingemachten Cherrytomaten sowie einem Parmesanschaum aus dem Siphon angerichtet werden. Alternativ kommt ein Forellen-Crudo auf Rhabarber, Gurken-Fisch-Sauce, Forelleneiern und ein paar intensiv nach Meer schmeckenden Austernblättern auf den Tisch. Es gibt zwei wöchentlich wechselnde Drei-Gänge-Menüs, eines davon vegetarisch, beide kosten je 36 Franken, der Hauptgang ist immer eine Pasta.
Der Pasta-Chef heisst Stefano Bossi und stammt aus Parma. Mal füllt er zierliche Ravioli mit 24 Stunden sous-vide gegarter Schweinebacke, altbackenem Brot und Käseresten, mal presst er einen mit gerösteten und gemahlenen Zitronenschalen aromatisierten Spaghetti-Teig durch eine mit Bronzedrähten bespannte Holzform und produziert so die quadratischen, leicht angerauten Spaghetti alla chitarra, die mit einer kräftigen Zitronensauce, scharfer Chili und gehackten Pinienkernen serviert werden.