27.11.2020

Das Anti-Müll-Experiment

Text: Virginia Nolan – Fotos: christianmeixner.com
Kein Einwegplastik, kein Abfall: Das Zürcher Pop-up Zero stellt sich dem Versuch, Zero Waste und damit verbundene ökologische Grundsätze von A bis Z umzusetzen.
Inhaltlich reflektiert das Menü den Zero-Waste-Gedanken mit vegetarischen Zutaten und Zubereitungsarten, deren Tradition in eine Zeit zurückreicht, als es weder Kühlschrank noch Frischhaltefolie gab, um Lebensmittel haltbar zu machen.
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«Nicht jede Herausforderung wird lösbar sein, aber darum geht es auch gar nicht. Wir wollen lernen und unsere Erfahrungen weitergeben.»

Keinen Abfall generieren, weder auf dem Teller noch im Vorfeld, also bei Produzenten und Lieferanten – auf dieses Experiment hat sich das Zero eingelassen. Das Pop-up, das Anfang dieser Woche seine Türen öffnete, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Zürcher Quartierrestaurants The Artisan und den Initianten der Unverpackt-Shops Foifi und Zollfrei, die plastikfreies Einkaufen anbieten. «Die Frage, ob es uns gelingen würde, komplett ohne Einwegplastik auszukommen, umtreibt uns schon länger. Bisher trauten wir uns nicht, den Betrieb komplett umzustellen, also mit allen Konsequenzen, die für uns und unsere Partner damit verbunden wären», sagt Mark Thommen, Geschäftsführer im The Artisan. «Denn hat man diesen Weg eingeschlagen, gibt es aus meiner Sicht kein Zurück mehr, und das verunsichert. Mit dem Pop-up Zero wollen wir nun einmal testen, was funktioniert oder eben nicht.»

Beheimatet ist das Pop-up Zero, das 50 Plätze anbietet, im Ladencafé des Zero-Waste-Shops Zollfrei im Zürcher Kreis neun. Geöffnet hat es jeweils von Dienstag bis Samstag ab 18.30 Uhr, wenn der Zero-Waste-Shop samt Ladencafé geschlossen und dessen Küche frei ist. Dann übernimmt Küchenchefin Corinne Schmid vom The Artisan mit einem kleinen Team das Ruder; dazu gehören bestehende und ehemalige Mitarbeiter vom The Artisan, die aus Interesse am Thema beim Experiment mitwirken. Im Angebot stehen jeweils ein Drei- oder Vier-Gänge-Menü für 59 beziehungsweise 89 Franken, wobei die Karte den Zero-Waste-Ansatz und damit verbundene ökologische Grundsätze kompromisslos umsetzt. «Beispielsweise wurde uns schnell klar, dass Fleisch nicht ins Angebot passt, weil seine ressourcenintensive Produktion dem Nachhaltigkeitsgedanken zuwiderläuft», sagt Thommen. Und so bleibt es bei zwei vegetarischen Menüs, wo nötig stets ergänzt mit veganer Alternative.

Von der Idee, für das Pop-up Überschussware zu verarbeiten, die sonst in der Tonne landen würde, sei man schliesslich abgekommen. «Damit würden wir letztlich ein fehlerhaftes System unterstützen, das Überproduktion bewusst in Kauf nimmt», sagt Thommen. «Das scheint uns für dieses Projekt nicht der richtige Weg zu sein. Stattdessen wollen wir diejenigen ins Rampenlicht rücken, die zeigen, wie es auch anders geht.» Und so sind es die Initianten von Slow Grow aus dem Zürcher Oberland, der Birchhof in Oberwil-Lieli und das Gut Rheinau, die das Pop-up Zero beliefern. Sie alle betreiben regenerative Landwirtschaft, die mehr C02 abbaut, als sie verursacht, indem sie humusreiche Böden fördert. Diese Art bodenschonende Agrikultur verzichtet auf jegliche Fremdstoffe wie Pestizide oder Dünger und betrachtet Boden, Pflanzen und Tiere als zusammenhängendes, schützenswertes Ökosystem. «Wir arbeiten bereits im The Artisan mit Produzenten aus der regenerativen Landwirtschaft zusammen», sagt Thommen, «aber eben nicht ausschliesslich, wie wir es jetzt im Zero tun.»

Inhaltlich reflektiert das Menü den Zero-Waste-Gedanken mit verschiedenen Zubereitungsarten, deren Tradition in eine Zeit zurückreicht, als es weder Kühlschrank noch Frischhaltefolie gab, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Und so spielt im Zero Eingemachtes, Fermentiertes oder Geräuchertes eine besondere Rolle. «Unser Molkerei-Lieferant war für einen Zero-Waste-Versuch nicht zu haben», sagt Thommen, «und so stellen wir Butter, Joghurt oder Ricotta eben selbst her. Milch und Rahm holen wir beim Bauern, natürlich im Mehrweggebinde.» Ausserdem serviere man biodynamischen Wein direkt vom Fass. «Soweit ich weiss, sind wir in Zürich die Ersten, die das so testen. Auch unser Kombucha wird direkt vom Fass gezapft.»

Was im Zero an Rüst- oder Tellerabfällen übrigleibt, wandert in die neue Kompostieranlage im Restaurant The Artisan, die den Biomüll über Nacht in Kompost verwandelt, der anschliessend im Garten des Restaurants ausgebracht wird. «Jeglicher anderer Abfall ist verboten», schmunzelt Thommen. «Mal sehen, wie wir das hinbekommen. Nicht jede Herausforderung wird lösbar sein, aber darum geht es auch gar nicht. Wir wagen ein Experiment – und zeigen ganz transparent, in welchen Punkten dieses scheitert oder gelingt. Wir wollen lernen, kreativer werden und unsere Erfahrungen weitergeben.»

Das Pop-up Zero gastiert bis zum 19. Dezember im Zero-Waste-Ladencafé Zollfrei beim Zürcher Zollfreilager. Es hat von Dienstag bis Samstag von 18.30 bis 23 Uhr geöffnet. Mehr Informationen gibts hier.