27.03.2017 Salz & Pfeffer 2/2017

Das Blechmeieli im Service

Text: Monsieur Tabasco
Roboter im Service, du lieber Himmel. In China und Japan gibt es sie ja schon.
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Die Körbchengrösse aus Kunstfleisch lässt sich upgraden.

Und an zwei Theken in Hongkong und San Francisco lassen fest installierte Roboterarme Kaffee aus Automaten plätschern, kippen Zucker und Milch in die Becher und stellen sie den Menschen an der Theke vor die Nase, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Vermutlich sind diese Roboterarme aus einer Mitsubishi-Fabrik geflohen und schlagen sich nun in der Gastronomie durch, unerkannt und ungelernt. Von den Werbefritzen werden sie nichtsdestotrotz entzückt zu «Roboter-Baristas» hochgeschwurbelt, auf dass sie jene Zukunft einläuten, für deren Propheten die Werbefritzen sich halten.

Man könnte es in Betracht ziehen, dem Kulturpessimismus anheimzufallen, doch das wäre zu viel der Ehre, denn selbst die einfältigsten Mensa-Kaffeeautomaten arbeiten nach wie vor simpler und schneller als diese Roboter, die noch geraume Zeit dümmer bleiben werden als die Sprachassistentinnen auf den Smartphones, die Navis oder die Sprach-Apps, welche «Die Zukunft kann mich mal!» übersetzen mit «The future can take me».

Im Robot Restaurant in Schanghai bringen die halbschlauen Vollidioten aus Blech dem Gast das Tablett zum Tisch und sagen: «Hallo, bitte nehmen Sie Ihre Speisen, und dann streichen Sie mir bitte über meinen Kopf, denn ich bin sehr beschäftigt und muss zurück an die Arbeit.» Dann berührt man sie mit der Hand, damit sie sich wieder in Bewegung setzen und der schwarzen Signalschleife entlang zurück zur Theke fahren.

Das Futter in diesen Roboter-Restaurants ist natürlich eine Zumutung, doch die «Gaschtig» kommt ja nicht zum Futtern, sondern zum Robotergucken. Aber lang anhalten wird der Reiz des Neuen wohl nicht. Die Trendsetzer in Genf und Zürich sollten sich also beeilen, wenn sie die Ersten sein wollen, die an einer Pressekonferenz jubeln, sie hätten jetzt die ersten Serviceroboter der Schweiz in Betrieb.

Natürlich werden Roboter mit jeder Generation billiger und schlauer. Bis in 20 Jahren sind die Wirtshäuser zur frohen Aussicht zwar längst ausgestorben, weil die letzten Pächter – Italiener, Türken, Kosovaren und zuletzt Eritreer – der Reihe nach verlumpet sind. Aber wenn es Rössli und Ochsen noch gäbe, dann stelle man sich vor, wie auch hier Roboter Bier zapfen und servieren würden. Oder eher Roboterinnen. Meieli, du Zwätschgelisi, der Housi braucht noch eine Stange, ich nicht, ich habe noch eine, höhöhö.

In 20 Jahren wird so ein Blechmeieli auch nicht mehr klingen wie ein Navi im Auto. Seine Körbchengrösse aus Kunstfleisch lässt sich gegen einen geringen Zuschlag upgraden, und damit die Werktätigen am Stammtisch dem Blechmeieli nicht nur über den Kopf streichen müssen, stellt es ihnen einen Hintern aus Plasma zur Verfügung. Es beschwert sich nicht über Belästigung und Rauch, fordert weder AHV noch Lohn, bleibt auch bei Hochbetrieb gelassen, ist nicht jede vierte Woche unausstehlich, bleibt nie daheim, um den Norovirus der Kinder zu hüten und bandelt nicht mit dem Roboter in der Küche an, statt zu arbeiten. Köche braucht es ja auch keine mehr, der Wurstsalat garniert kommt aus dem 3D-Drucker. Ein paar Gerätegenerationen später ist der Mealprinter dann wohl in Blechmeielis Brustkörbchen integriert und druckt druckfrisch am Tisch.

Nun wollen Bill Gates und einige Linke bekanntlich die Roboter besteuern. Weil sie Arbeitsplätze killen, also Lohnsummen, also Einkommenssteuern. Damit sie doch wenigstens die Umschulung oder Verrentung jener finanzieren, denen sie den Job wegnehmen. Aber die Wirtschaftsvertreter werden die Robotersteuer natürlich abschiessen. Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu wenig ergiebig. Bis man nur schon definiert hat, wann eine Maschine ein Roboter ist. Im Übrigen werden die Wirtschaftsvertreter bei ihrer Zahlenhuberei wohl wieder die Menschen vergessen. Ihre Ängste, ihre Machtlosigkeit. Ihre Wut über die entfremdeten Konzerne, die mit Hightech ganze Bran­chen entmenschlichen und verble­chen, die sozialen Folgekosten dem Staat überlassen, die Gewinne einsacken und gleichzeitig vor jeder missliebigen Abstimmung das Schlimmste an die Wand malen, nämlich, man ahnt es, ja genau – den Verlust von Arbeitsplätzen.

Wenn dann der globalen Konzernwirtschaft jegliche soziale Verankerung ab­handen gekommen ist, wird womöglich
ein neuer Volkssport populär: Roboter sprengen. Selbstfahrende Autos sabotieren. Terminals zerkratzen. Sensoren verkleben. Jobkiller killen. Populisten wählen. Ohne schlechtes Gewissen. Und wenn am Stammtisch nach der fünften Stange die Wut losbricht über «die da oben», dann muss man mit dem armen Blechmeieli Mitleid haben.

Aber zum Glück werden sich im richtigen Gastgewerbe die Blechmeielis gar nie durchsetzen. Wer Blechmeielis servieren lässt, zieht sich selbst den Stecker. Weil die Menschen nicht mehr kommen. Gastronomie ist Kommunikation zwischen Menschen. Hier wollen Gäste nur zweitens ihren Hunger stillen, erstens aber ihre Seelen auftanken. Und das gilt sogar für die Werbefritzen der «Roboter-Baristas».