07.10.2025 Salz&Pfeffer Ausgabe 3/25

Das Momentum nutzen

Interview: Tobias Hüberli – Fotos: Jürg Waldmeier
Christof Lehmann hat sich vom Koch zum CEO und Mitbesitzer der Unternehmensgruppe Idak hochgearbeitet. Ein Gespräch über Landgasthöfe, fehlenden Wettbewerb und ein bisschen Optimismus.
Christof Lehmann, CEO der Idak Group Food
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Sie waren Hauptmann einer Infanteriekompanie. Was hat Sie am Militär gereizt?
Christof Lehmann: Die Menschen. Für mich ging es immer darum, wie man mit Leuten, die mittelmässig motiviert sind, etwas gemeinsam lernen und eine gute Zeit haben kann. Klar, es hat auch manchmal geregnet und die Unterhosen wurden nass, aber das gehört dazu.

Würden Sie, Stand heute, einen Landgasthof eröffnen?
Kommt darauf an, wo. Es gibt Orte, an denen Landgasthöfe auch heute sehr gut funktionieren. Entscheidend ist, mit was man sich profiliert, etwa mit dem Servicekonzept oder dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Für einige wenige Betriebe hat es Platz. Vielleicht ist es heute in einem urbanen Gebiet ein bisschen einfacher, ein Restaurant zu eröffnen. Noch einfacher ist es wohl, wenn man schon einen Betrieb hat und einen zweiten eröffnet. Oft wird es künftig in diese Richtung gehen.

Wie steht’s um die helvetische Gastronomie?
Ich bin ein Fan der Schweizer Gastronomie. In meiner Wahrnehmung haben wir bei der Servicequalität generell zugelegt. Die kulinarische Leistung ist wichtig, aber genauso wichtig ist das Wohlfühlpaket, das man über den Gast legt: wie man mit ihm spricht, ihm die Teller serviert. Das ist essenziell, damit er am Schluss eine Zehnernote mehr bezahlt. Das Gastromodell der Schweiz ist ein stabiles, ein korrektes Geschäft. Man kann Geld damit verdienen, wenn man ein paar Grundregeln beachtet. Ja, man muss viel arbeiten. Aber die erfolgreichen Banker gehen auch nicht um Viertel nach vier nach Hause.

Wie sehen Sie die nahe Zukunft?
Gerade Corona hat gezeigt, wie wichtig die Gastronomie ist. Die Gäste haben begriffen, wie essenziell es fürs eigene Wohlbefinden ist, auswärts essen gehen zu können. Restaurantbesuche gehören zum heutigen Lebensmodell. Sie sind ein elementares Grundbedürfnis in der Schweiz sowie in ganz Europa. Nach Corona hat es die Gastronomen mit Inflation und Fachkräftemangel doppelt hart getroffen. Es ist richtig, die Kosten, so gut es geht, an den Gast weiterzugeben. Die Frage ist: Wie viel darf ein Salat kosten, sind es sieben oder 18 Franken? Die Gastronomen mussten in letzter Zeit vieles sehr schnell lernen. Als Lernkurve für die Branche war das aber wertvoll.

In der Zulieferbranche nimmt die Vielfalt der Anbieter laufend ab. Wie sehen Sie diese Situation?
Wenn wir hier von der Saviva sprechen, dann ist das für Transgourmet zuerst ein exzellenter unternehmerischer Move. Für die gesamte Gastrobelieferung sicherlich ein rechter Ruck. Ich finde, mehr Wettbewerb macht es interessanter, aber die Konzentration im Markt ist ein Fakt. Die Vielfalt diesbezüglich ist in der Schweiz gegenüber dem Ausland immer kleiner gewesen. Und die Entwicklungen in der Unternehmensnachfolge werden diesen Trend in den kommenden Jahren nochmals verstärken.

Gastronomen haben heute weniger Einkaufsoptionen als vor zehn Jahren, spielt der Wettbewerb noch?
Doch, das tut er. Der Markt der Gastrozulieferer lässt immer noch neue Lösungen zu. Neben den zwei Grossen existieren zahlreiche regionale Distributoren – vor allem in den Bereichen Frischprodukte und TK. Dazu kommen Hersteller, die auch direkt an die Gastronomie ausliefern. Ich kann mir gut vorstellen, dass da über die Zeit neue Modelle entstehen werden.

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Wo genau positioniert sich die Idak-Gruppe im Markt?
Wir produzieren mit unseren über 1200 Mitarbeitern Premium-Tiefkühlprodukte in den Kategorien Kartoffelprodukte, Pizzen & Pizza-Snacks sowie Backwaren. In der Schweiz generieren wir drei Viertel unseres Umsatzes in der Gastronomie, sie ist für uns also extrem wichtig. Der Foodservice ist ein wichtiger Teil unserer DNA. Den grössten Teil beliefern wir über Distributionspartner in die Gastronomie. Vor allem im internationalen Markt bedienen wir mit unseren Produkten aber auch den Detailhandel.

2020 leiteten Sie die Firma Kadi, ein stabiles Geschäft. Was bewog Sie zu expandieren?
Diesen Schritt hat damals, von aussen betrachtet, niemand verstanden. Am Tag, als die Schweiz in den Lockdown trat, kauften wir in Italien eine Pizzafabrik. Diesen Entscheid zur Diversifikation hatte das Management gemeinsam mit den Geldgebern von langer Hand geplant. In der Schweiz war damals nichts verfügbar, also schauten wir uns im Ausland um. Ziel war es, im Premium-Tiefkühlbereich zu diversifizieren, damit wir nicht mehr nur mit der Kartoffel arbeiten. Das war mutig, aber im Nachhinein für die Entwicklung des Unternehmens der beste Entscheid.

Erzählen Sie?
Das Geschäft mit Tiefkühlpizzen ist eher detailhandelorientiert. Das war super, gerade in den Coronajahren, als die Gastronomie stillstand. Das Pizzageschäft ist international breit aufgestellt und unsere Qualität war in den letzten Jahren stark nachgefragt. Bis jetzt ist es sehr gut aufgegangen. Wir wachsen stark. Ein Jahr nach der Firma Margherita kauften wir einen zweiten und diesen Frühling einen dritten Betrieb dazu. Mittlerweile haben wir in Italien sechs Produktionsstätten. Wichtig ist dabei immer, dass man Unternehmen mit ähnlichen Werten findet. Wenn diese nicht übereinstimmen, muss man es sein lassen.

Auch in der Schweiz kauften Sie mit den Firmen Romer’s sowie Kern & Sammet tüchtig zu.
Bei dem Tempo, das wir an den Tag legten, kam der Kauf von Kern & Sammet etwas gar zügig. Aber wir wollten nicht, dass diese Firma in die aus unserer Sicht falschen Hände gerät. Kern & Sammet hat sehr gute Produkte, eine sehr gute Distribution, aber einen sehr alten Standort. Wir überlegen uns zurzeit, wie wir das lösen.

Werden Sie die Expansion von Idak in diesem Tempo weiterführen, müssen Sie das vielleicht sogar?
Es ist vergleichbar mit einem erfolgreichen Restaurant: Alles ist im Flow, die Hütte ist immer voll. Wir haben ein gutes Momentum und wollen den Schwung nutzen, müssen aber auch schauen, dass wir uns nicht überfordern. Das Thema Unternehmensnachfolge ist in ganz Europa gross. Viele treten an uns heran, die eine Nachfolgelösung suchen. Die Geschäftsfelder Pizza, Kartoffeln und Backwaren sind gesetzt. Wenn das Richtige kommt, nehmen wir gerne noch etwas dazu. Lieber im Ausland als in der Schweiz. Etwas, das uns vielleicht noch mehr Türen aufmacht. Mein Gefühl sagt mir, dass wir über die Zeit das Richtige finden, das zu uns passt.

Als Mitinhaber verantworten Sie diese Expansion auch finanziell. Wie steht’s um Ihr Stresslevel?
So wie bei einem normalen Gastrounternehmer auch. Es gibt Tage, an denen man in seiner Aufgabe komplett aufgeht. Und Tage, an denen es anspruchsvoll ist, wo man auch mal eine schlechte Nacht hat. Man befindet sich sicher nicht immer in der Komfortzone. Es ist intensiv, aber cool. Wir haben sagenhafte Teams und Mitarbeiter in der gesamten Gruppe, die mitziehen bei unserer Entwicklung.

Was hat Sie geprägt?
Ich komme von einem Bauernhof. Von dort stammt mein Arbeitsethos. Extrem viel gelernt habe ich auch während der Kochlehre. Heute denke ich oft und gerne an diese Zeit zurück. Zahlreiche Persönlichkeiten aus der Branche haben mir vieles mit auf den Lebensweg gegeben. Bei der Bank oder der Verwaltung arbeitet ein anderer Schlag Leute. Die braucht es auch. Aber in der Gastro hat man mit unzähligen Nationalitäten zu tun. Ich mag diese Bereicherung, dass man mit unterschiedlichen Leuten einen gemeinsamen Nenner hat und auf den Punkt miteinander liefern will.

Was würden Sie sich wünschen?
Ein bisschen mehr Toleranz im ganzen Grossen und manchmal auch im Kleinen.

Die politische und wirtschaftliche Situation ist unsicher wie schon lange nicht mehr. Wie geht man als Unternehmer damit um?
Ich glaube, es ist richtig, wenn man sich dieser Unsicherheit bewusst ist. Aber man muss sie an sich selbst adressieren. Wir arbeiten ja nicht nur mit unserem eigenen Geld. Wir haben Verpflichtungen gegenüber den Investoren, den Banken, den Kunden und vor allem auch gegenüber den Mitarbeitern. Es gehört darum zur Pflicht, sich dieser aktuellen Unsicherheit bewusst zu sein. Man muss sie beurteilen, darf aber auch ein bisschen Optimismus reinstecken, nicht blauäugig. Aber es braucht beides. Manchmal sind solche Zeiten auch eine Chance. Wir haben aus allen Krisen immer gelernt.

Christof Lehmann (57) wuchs in der Ostschweiz auf einem Bauernhof auf. Er lernte Koch im Restaurant Goldenes Schäfli in St. Gallen, absolvierte die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich und studierte Betriebsökonomie. Seine Karriere führte ihn zu SSG Passaggio (heute Autogrill) sowie zum Verlag Edition Salz & Pfeffer. Anschliessend war er sieben Jahre beim Lebensmittelhersteller Unilever im Key-Account-Management tätig. Nach einem kurzen Abstecher in die Geschäftsleitung der Firma Ceposa wechselte Lehmann 2006 zur Firma Kadi. Zwei Jahre später war er Teil eines Management-Buy-outs. Seither gehört ein kleiner Teil des auf tiefgekühlte Kartoffelprodukte spezialisierten Unternehmens dem Management, der Grossteil Finanzinvestoren. Zusammen mit wechselnden Investorengruppen expandierte Lehmann das Unternehmen Kadi in den letzten fünf Jahren in die Unternehmensgruppe Idak. Dazu gehören neben der Kadi AG auch drei Hersteller für Tiefkühlpizzen in Italien sowie die beiden auf tiefgekühlte Backwaren spezialisierten Schweizer Traditionsunternehmen Romer’s sowie Kern & Sammet. Zwischen 2020 und 2025 stieg der Umsatz der Idak Food Group von 80 Millionen auf über 320 Millionen Franken.