15.10.2019

Das Restaurant als Bühne

Text: Virginia Nolan – Fotos: z. V. g.
Die Gastronomie müsse Erlebnisse schaffen, heisst es. Wie das aussehen kann, zeigt das Elysium, ein an der EHL Hotelfachschule Passugg entwickeltes Protoyp-Restaurant.
Im Elysium ist der Gast Teil einer Multivisions-Show, die mit Animationen, Projektionen, Sound- und Dufteffekten arbeitet.
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«Man versucht, die Sensorik des Gastes beim Essen ganzheitlich zu stimulieren, um positive Erlebnisse aus der Vergangenheit zu reaktivieren.»

Digital, emotional, multisensorisch: So präsentiert sich das Konzeptrestaurant Elysium an der EHL Hotelfachschule Passugg (SSTH). Was bisher Studierenden vorbehalten war, öffnet seine Tore nun für eine breite Öffentlichkeit. Und zwar im Rahmen einer kulinarischen Reise, die exquisite Speisen mit neusten technologischen Effekten verbindet. Am Gala-Dinner vom 25. Oktober haben Besucher die Möglichkeit, «die Gastronomie der Zukunft mit allen Sinnen zu erfahren», wie es Michael Hartmann, Direktor der SSTH, formuliert.

Das Prototyp-Restaurant Elysium verschreibt sich der bisher noch wenig erforschten Disziplin «Affective hospitality», die ab 2020 fix im Lehrplan der SSTH verankert wird. «Affektive Gastfreundschaft bedeutet im übertragenen Sinn, dass man versucht, die Sensorik der Gäste beim Essen ganzheitlich zu stimulieren», sagt Hartmann, «um damit Gefühle zu erzeugen, die positive Erlebnisse aus der Vergangenheit reaktivieren oder neue erschaffen.» Dieser Ansatz ist zwar in der Gastronomie kein Novum, aber noch wenig verbreitet. Als Vorreiter gilt in dieser Hinsicht das 2012 eröffnete Restaurant Ultraviolet in Shanghai. Dort findet sich der Gast in einer Multivisions-Show wieder. Kommt beispielsweise ein Wildgericht auf den Teller, wähnt er sich im Wald: Bäume werden auf die Wand projiziert, Nebel liegt in der Luft, das Licht ist ein wenig düster, die Raumtemperatur kühler, und es duftet nach Moos.

Auch im Elysium wechseln Szenerie und Stimmung bei jedem Gang. Dabei setzt das Team auf Animationen, Projektionen, Sound- und Dufteffekte. Beim Fischgang etwa tauchen die Gäste in Neptuns Unterwasserwelt ab. Die Gastgeber – Studierende der SSTH – fungieren beim Spektakel als Schauspieler und treten in unterschiedlicher Form in Erscheinung. Sie sind körperlich präsent, sprechen als sonore Stimme aus dem Off oder werden beispielsweise als Avatar auf dem Teller eingeblendet, wo sie mit den Gästen interagieren und diese in das Erlebnis einbinden. «Die Story baut auf der Dramaturgie eines Bühnenstücks auf», sagt Hartmann. Dafür hat die SSTH das auf Tischprojektions-Shows spezialisierte Unternehmen Luminice by Nonconformform sowie den Regisseur Felix Benesch ins Boot geholt. Der Engadiner ist dem Fernsehpublikum unter anderem vom Tatort bekannt. Unter seiner Führung haben Studierende des Culinary Art Course das Gala-Dinner im Elysium entwickelt.

Kommt ein Fischgericht auf den Tisch, verwandelt sich das Restaurant in Neptuns Unterwasserwelt.
Kommt ein Fischgericht auf den Tisch, verwandelt sich das Restaurant in Neptuns Unterwasserwelt.
«Die Story baut auf der Dramaturgie eines Bühnenstücks auf», sagt Michael Hartmann, Direktor der SSTH, über die kulinarische Erlebnisreise, die seine Studierenden zusammen mit Tatort-Regisseur Felix Benesch umgesetzt haben.
«Die Story baut auf der Dramaturgie eines Bühnenstücks auf», sagt Michael Hartmann, Direktor der SSTH, über die kulinarische Erlebnisreise, die seine Studierenden zusammen mit Tatort-Regisseur Felix Benesch umgesetzt haben.

Schauspiel- und Rhetorikunterricht wird, ganz im Sinne der «affektiven Gastfreundschaft», in Zukunft auch zum Stundenplan an der SSTH gehören. «In der Hotellerie und Gastronomie heisst es immer, man brauche Leute mit Empathie, die auf den Gast eingehen und ihn begeistern können», sagt Hartmann. «Wie man solche Fähigkeiten erwirbt und umsetzt, bleibt in der Ausbildung derweil weitgehend unbeantwortet.» Mit dem Elysium will die SSTH diese Lücke schliessen. Das Hintergrundwissen zum Thema multisensorische Erlebnisse liefern unter anderem Forscher des Swiss Center For Affective Science an der Universität Genf, mit denen die Hotelfachschule zusammenarbeitet. «Wir haben damit Gelegenheit, neueste Forschungsergebnisse in ein akademisches Curriculum zu transferieren und daraus praxistaugliche Kompetenzen für Studierende innerhalb einer Dienstleistungsbranche zu entwickeln», sagt Hartmann. «Das hat es so bisher noch nicht gegeben. Wir befinden uns auf einer aufregenden Reise.»

Im Mittelpunkt stehe im Elysium nicht das Thema Digitalisierung, sondern die Emotionen der Gäste, stellt Hartmann klar: «Digitale Möglichkeiten sind lediglich eines von mehreren Werkzeugen, die wir nutzen wollen, um einzigartige Erlebnisse zu schaffen.» In deren Genuss kommt in Zukunft auch, wer das Elysium für private Events buchen möchte. Zur Wahl stehen die Optionen Gala-Dinner, Dinner oder Lunch, die in vier Gängen, mit Weinbegleitung und natürlich als speziell konzipierte Erlebnisreise daherkommen. Tickets gibt es auch noch für das öffentliche Gala-Dinner am 25. Oktober. «In Zukunft werden wir im Elysium zwei öffentliche Anlässe pro Quartal durchführen», sagt Hartmann. «Hauptsächlich bleibt das Restaurant aber ein Klassenzimmer für unsere Studierenden, das ihnen ein einzigartiges Übungsfeld für emotionale, multisensorische Gastronomie bietet.»

Das Protoyp-Restaurant Elysium an der EHL Hotelfachschule Passugg (SSTH) öffnet am 25. Oktober für die Öffentlichkeit seine Tore. Es gibt noch Tickets für die «einmalige Reise ins Ungewisse», die als Vier-Gänge-Menü mit Weinbegleitung konzipiert ist und 298 Franken pro Person kostet. Im Februar 2020 folgen zwei weitere Veranstaltungen. Tickets und Informationen zum Elysium gibt es hier.