«Ich bin optimistisch und rechne mit einem guten Winter.»
Im Oktober feiern Sie und Ihr Mann Ihr 30-Jahre-Jubiläum als Gastgeber im Schweizerhof. Was ist das für ein Gefühl?
Claudia Züllig: Ich empfinde vor allem tiefe Dankbarkeit für das, was wir hier all die Jahre gemeinsam erleben durften, privat wie beruflich. Wir haben zwei wunderbare, mittlerweile erwachsene Söhne, Gäste, die uns seit Jahrzehnten verbunden sind, und wir sind gesund. Das ist alles nicht selbstverständlich. Ich war 24 und mein Mann 32 Jahre alt, als wir im Oktober 1991 auf der Lenzerheide ankamen. Wir hatten die Absicht, im Schweizerhof eine Saison zu machen. Jetzt sind daraus 30 Jahre geworden – 30 erfolgreiche Jahre, in denen das Haus zu unserem Leben, zu unserer Heimat wurde.
Was ist Ihr Schlüssel zum Erfolg?
Vermutlich die Tatsache, dass wir unsere Arbeit mit Herzblut machen und wirklich Freude daran haben. Ich glaube, daraus resultiert eine spürbare Wertschätzung für unsere Gäste und Mitarbeiter. Viele unserer Gäste sind Wiederkehrer, es kommen junge Eltern mit ihrem Nachwuchs, die bereits als Kind ihre Ferien bei uns verbrachten. Für sie ist unser Haus Teil einer Kindheitserinnerung, die sie aufleben lassen. Das berührt mich. Und wenn wir von Erfolg sprechen – den haben wir zu einem ganz grossen Teil unseren Mitarbeitern zu verdanken.
Es heisst, Sie achteten als Arbeitgeberin besonders gut auf Ihr Team. Was macht gute Mitarbeiterpflege aus?
Wertschätzung – die kann ich als Arbeitgeberin aber nur vermitteln, wenn ich nah an meinen Mitarbeitern bin. Dies setzt voraus, dass ich präsent bin und als Teammitglied in die tägliche Arbeit involviert. Sonst weiss ich ja nicht, wovon die Rede ist. Darum arbeiten mein Mann und ich im Betrieb mit, ich bin beispielsweise täglich im Service anzutreffen. An der Seite unserer Angestellten bekomme ich mit, was sie beschäftigt, sehe, wie sie arbeiten. Gleichzeitig schafft dies Nähe zum Gast. Und dann nehmen wir uns immer mal wieder eine Auszeit als Team. Beispielweise machen wir regelmässig Teamausflüge mit allen Geburtstagskindern des Monats, gehen wandern und lassen uns anschliessend im Scalottas verwöhnen. Diese Ausflüge sind wertvoll, weil dann auch Mitarbeiter aus Bereichen zusammenkommen, die sonst wenig Berührungspunkte haben.
Werfen wir noch einen Blick zurück: Was waren für Sie prägende Meilensteine?
Der wichtigste war ganz klar 2005/2006, als wir die Tennishalle abrissen und den kompletten Relaunch unseres Hauses wagten: vom reinen Apartmenthotel für Familien hin zum Wellness- und Seminarhotel für jedermann – auch Familien, natürlich. Die sind ja nach wie vor unsere häufigsten Gäste. Und doch hatten wir uns eine neue Gästestruktur gegeben, wollten uns öffnen, mehr Angebote schaffen. Dieser Turnaround damals im Winter, das war ein schwieriger Moment.
Warum?
Weil wir viele Stammgäste haben, und der Stammgast will im Regelfall wenig Veränderung – er kommt ja, weil er mag, was da ist. Und wir hatten uns ja sozusagen noch einmal neu erfunden. Wir sprangen damit ins kalte Wasser, jedoch der festen Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein. Der Erfolg hat uns rechtgegeben. Dieses Grundvertrauen war stets da. Es hat uns auch in diesem aktuellen, turbulenten Jahr begleitet.
Wie erlebten Sie die Coronakrise?
Es hat uns, wie alle, durchgeschüttelt. Man musste vieles über Bord werfen, umdenken, Abläufe neu organisieren. Beispielsweise haben wir für Hotel, Restaurant, Wellnessbereich und Kindergarten unterschiedliche Schutzkonzepte, da etwas zu erarbeiten, das Hand und Fuss hat, war eine Herausforderung. Und wie blutete mir das Herz, als wir unser Frühstücksbuffet streichen mussten – dafür sind wir im Schweizerhof ja weitum bekannt. Ich hatte schlaflose Nächte deswegen, konnte mir nicht vorstellen, das Hotel ohne dieses Buffet zu führen, für mich gehört es zu unseren Highlights schlechthin. Nun denn, es ging. Mittlerweile gibt es wieder ein Frühstücksbuffet, zwar in einer etwas kleineren Variante. Wir hatten, was Corona betrifft, Glück im Unglück.
Erzählen Sie.
Weil mein Mann in seinem Amt als Präsident von Hotelleriesuisse zeitlich stark gefordert ist, stellten wir im Februar einen Direktor ein. Christian Zinn hat sich als Glücksfall erwiesen, gerade in der Krise war sein unvoreingenommenener Blick auf den Betrieb Gold wert, als es darum ging, Gewohnheiten zu hinterfragen, zu überdenken oder eben über Bord zu werfen. Was die Logiernächte betrifft, blicken wir auf einen erfolgreichen Sommer zurück. Die Lenzerheide war bei Schweizer Gästen allgemein sehr gefragt.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Ich bin optimistisch und rechne mit einem guten Winter. Und was die Krise betrifft: Wir lassen es auf uns zukommen. Unsere Vergangenheit hier hat uns gelehrt, positiv zu denken, uns nicht von der Angst leiten zu lassen. Ich sehe in jeder Veränderung auch eine Chance – bisher hat sie sich noch immer eingestellt.
Welche Pläne möchten Sie noch umsetzen?
Das hängt natürlich ein bisschen davon ab, wie erfolgreich wir unterwegs sind. In der langen Frist wäre es schön, wenn Christian Zinn das Hotel im Sinne unserer Philosophie in die Zukunft führt. Unmittelbare Pläne betreffen den Umbau zweier Musterzimmer im Haus, und für den nächsten Frühling planen wir, alle 32 Zimmer zu erneuern, auch die Rezeption und der Empfangsbereich sollen ein neues Kleid bekommen.
Wie wollen Sie im Familienbetrieb dereinst die Nachfolge regeln?
Gian Andrea, unser jüngerer Sohn, 22, studiert Wirtschaft an der Uni St. Gallen, Nico, der ältere, 27, ist ausgebildeter Gastrofachmann, arbeitet aber derzeit als Wirtschaftsprüfer. Natürlich wäre es schön, wenn der Betrieb in Familienhand bliebe, es ist aber auch nicht so, dass wir uns darauf versteiften. Der Plan ist jedoch schon, dass wir in drei, vier Jahren eine schöne Lösung für die Übergabe hätten – mein Mann ist ja auch schon 62. Wir sehen, was die Zukunft bringt, ich bin auch hier optimistisch.