Hohe Fixkosten, unnötige Vorschriften und unsinniger Administrationsaufwand tragen mitunter zum Beizensterben bei. Dann gibts noch diejenigen, die es einfach nicht können. Kommt hinzu, dass sich das Verhalten des Gasts verändert hat. Das ausgiebige Mittagessen mit der Flasche Wein auf dem Tisch ist vornehmlich in der Deutschschweiz Geschichte, was jeden Wirt schmerzt, ist doch der Mittagstisch im 21. Jahrhundert mehr eine Dienstleistung am Gast als ein finanzieller Gewinn. Ohnehin ist der Gast von heute weitaus komplizierter als noch vor einem Vierteljahrhundert. Er ist frecher, fordernder und oft ein oberflächlicher und nervender Besserwisser. Reservieren und unentschuldigt fernbleiben ist keine Ausnahme, sondern Alltag. Eine Beiz hat neben ihrem Kerngeschäft aber auch noch eine soziale Aufgabe. Gerade im Zeitalter von Facebook und Co. ist das Gefühl der Geborgenheit wichtig. Verschwindet eine Traditionsbeiz, endet auch ein Stück soziales Leben im Dorf, im Quartier und bleibt eine Lücke, welche die ganz andere Ziele verfolgende glamouröse Eventgastronomie nicht zu füllen vermag.
Gut, dass innovative und nachhaltig denkende Köpfe Gegensteuer geben und ihre Dorf- oder Quartierbeiz nicht sterben lassen. Sie gründen Vereine, Genossenschaften, sammeln Geld, verkaufen Aktien und Anteile und retten somit ihren Treffpunkt, ihr Daheim. In Kaiseraugst ist es die Ortsbürgergemeinde, die tief in die Schatulle griff. Nach Jahren der Ungewissheit, wohin die Reise ihres Platzhirsches gehen soll, kauften die Ortsbürger von Kaiseraugst vor zwei Jahren den Adler zu sattem Preis und verpassten ihm mit Stil und noch mehr Geld ein Totallifting. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, ja, es ist gelungen und wird von den Eingeborenen und den Reisenden, die auf der nahen A2 den Blinker setzen, rege genutzt. Auch die Baselstädter frequentieren den Adler gern als Ausflugsziel und schätzen Lage, Angebot sowie das Qualitätsdenken der Gastgeber.
Die Ortsbürgergemeinde ist stolz auf ihren Coup, trotz vereinzelten Unkenrufen einiger Ortsbürger, die das Ganze als eine zu teure Investition ansehen. Aber alle sind glücklich, in Toni Brüderli und Barbara Nebiker zwei Gastronomen gefunden zu haben, die garantieren, dass der Adler nicht nur gepflegt aussieht, sondern auch so gut funktioniert wie ein Bentley mit Chauffeur. Der Adler ist gelandet. «Es ist verrückt. Wir werden überrannt und kommen ganz schön ins Schwitzen», sagt Brüderli. «Allein am Eröffnungstag haben wir rund 1000 neugierige Gäste bewirtet, was uns überrascht hat, aber nicht bange werde liess», ergänzt der charismatische Gastronom, der aus seiner einstigen Prattler Dorfmetzgerei ein regionales gastronomisches Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern geschaffen hat, zu dem nun auch der Landgasthof Adler gehört.
Schon auf den ersten Blick ist das Gasthaus ein Ziel. Die Terrasse mit Aussicht über die Dorfstrasse, idyllisch flankiert von Kastanienbäumen, bietet den passenden Rahmen für eine unkomplizierte Frischluftoase. Die Raumwirkung der Gaststube mit Kachelofen, Stammtisch und Eckbank trägt zur ungekünstelten Behaglichkeit bei. Der Adler verkörpert ein lebendiges Stück Heimat und ist alles andere als ein überdekoriertes Gasthaus im helvetischen Folklorebarock oder gar ein überkandidelter Gourmetschuppen. Das Restaurant ist bei Jung und Alt beliebt und eine Anlaufstelle für Fremde und Eingeborene, für das kleine Schwarze genauso wie für die Arbeiterhose. Kurz, der Adler ist ein Gunstplatz für alle, der seine Verantwortung als sozialer Treffpunkt im Dorf wahrnimmt. So hat das Gasthaus täglich ab halb neun Uhr morgens geöffnet, was die Handwerker rege für ihren Znünistopp nutzen. Es ist ein Kommen und Gehen und Bleiben den lieben langen Tag – und länger.