«Die meisten Gerichte haben ein ähnliches Gerüst.»
Sie gehen mit dem Restaurant Ecco in Ascona bereits in die zwölfte Saison. Wie fühlt sich das an?
Rolf Fliegauf: Es ist schon etwas Besonderes. Die ganze Geschichte war nicht so geplant. Ich blieb vorher nie lange an einem Ort und war relativ schnell von etwas gelangweilt. Im Ecco übernahm ich meine erste Küchenchefstelle. Und es ist extrem viel passiert hier, vieles ist gewachsen. Das macht es spannend, und deshalb sind es mittlerweile elf Jahre geworden. Es ist verrückt.
Zu Beginn waren Sie ein glühender Verfechter der molekularen Küche, gab Ihnen die Hotelleitung freie Hand?
Mehr oder weniger. Es war mit dem Hotelier-Ehepaar Daniela und Philippe Frutiger abgesprochen, dass wir uns im Ecco in eine bestimmte, in die molekulare Richtung bewegen wollten. Es ging damals auch darum, aus dieser Bude, die vorher eine einfach Osteria war, etwas Spezielles zu machen. Wir brauchten einen Aufhänger, und die Molekularküche war damals sehr modern.
Wo holten Sie sich das Rüstzeug, für diese Art zu kochen?
Vor der Eröffnung absolvierte ich während fast eines Jahres zahlreiche Stages. Bei Juan Amador war ich am längsten. Ich ging aber auch ins The Fat Duck von Heston Blumenthal, zu Jonnie Boer und immer mal wieder zu Joachim Wissler. Das waren spannende Stationen, an denen nicht rein molekular gekocht wurde, das war aber auch im Ecco nie mein Ziel.
2010 warfen Sie das molekulare Konzept, mit dem Sie seit 2007 einen Stern hielten, komplett über den Haufen. Wieso?
Damals veränderte sich unsere Küche in die Richtung, wie sie heute immer noch ist. 2009 arbeitete ich ein paar Wochen im Restaurant Noma und kam richtig niedergeschlagen zurück. 2010 gingen wir dann mit einer ganz anderen Küche in die Saison.
Warum waren Sie niedergeschlagen?
Ich war einfach unzufrieden mit dem, was wir machten. Wir nahmen sehr viel Geld in die Hand für Luxusprodukte wie Steinbutt, Trüffel oder Kaviar, legten aber sehr wenig Wert auf die Randprodukte. Es war uns völlig wurst, woher die Tomaten kommen. Wir haben im Tessin dann relativ schnell gute Partner gefunden, mit denen wir bis heute zusammenarbeiten.
Ein krasser Richtungswechsel, der aber fast postwendend mit einem zweiten Stern belohnt wurde.
Das Ganze ist natürlich etwas schwierig, normalerweise geht man als Küchenchef hin und kocht seine Linie. Die hatte ich als 25-Jähriger aber schlicht nicht. Ich kochte einfach, was ich anderswo gesehen hatte, war noch zu wenig gefestigt und dadurch auch leicht beeinflussbar von links und rechts. Der eigene Stil kam erst mit den Jahren.
Beschreiben Sie Ihren Stil.
Wir machen eine moderne Küche auf einer französischen Basis und – seit etwa zwei Jahren – mit japanischen Einflüssen. Wir sind nicht strikt regional ausgelegt, obwohl wir natürlich versuchen, Produkte aus der Schweiz zu kaufen. Wir wissen zum Beispiel sehr genau, woher unser Gemüse kommt. Mit Stefan Brunner vom Eichhof in Aarberg haben wir auf diese Saison hin einen genauen Plan entworfen und lassen Gemüse speziell für uns anbauen.
Sie sind der Architekt der Ecco-Küche. Wie stark sind Ihre Vorgaben an Zwei-Sterne-Koch Stefan Heilemann, der das Restaurant Ecco in Zürich führt?
Wir haben eine gemeinsame Philosophie, und das Ecco-Konzept setzt uns mit klaren Richtlinien Leitplanken, an denen wir uns orientieren wollen. Es ist aber auch klar, dass ein Koch mit zwei Sternen Freiraum braucht, um seine eigene Handschrift zu entwickeln. Mein Einfluss ist daher sehr gering. Es gibt jedoch viele Dinge, die wir einst zusammen als Ecco-Küche definiert haben.
Die da wären?
Die Gerichte sollen säurebetont sein, leicht, und sie müssen Spannung erzeugen, zum Beispiel mit unterschiedlichen Konsistenzen und Temperaturen, aber auch mit dem Geschmack, etwa im Zusammenspiel mit Säure und Schärfe. Die meisten Gerichte, ob in Zürich, St. Moritz oder Ascona, haben ein ähnliches Gerüst.