«Ich mag Pop-Art. Manchmal sieht man das auf meinen Tellern.»
Starten wir am Anfang: Warum sind Sie Koch geworden?
Laurent Eperon: Das ist eine gute Frage. Weil es ein Beruf ist, in dem man etwas von A bis Z macht, glaube ich, weil man mit einem Produkt beginnt, es verarbeitet, entwickelt, verkauft – und das Resultat am Ende direkt vor dem Gast sieht. Als ich klein war, wollte ich aber eigentlich Dirigent werden.
Wieso das?
(Lacht) Nun ja, ich dirigiere heute ja schon auch – meine Brigade. Ich erinnere mich, wie ich als Kind ans Konservatorium ging, um ein Instrument zu lernen. Nach zwei Jahren hörte ich damit zwar wieder auf. Aber Musik mag ich nach wie vor, sie ist sehr wichtig, für die Kreativität, die Freude. Für alles.
Dann läuft in Ihrer Küche immer Musik?
Im Gegenteil: nie. Das gibt bloss Ärger, wenn etwa nicht alle Mitarbeiter den gleichen Stil mögen. Ausserdem müssen wir uns konzentrieren: Jeder Service ist wie ein olympischer Wettkampf, und jeder Service ist anders. An manchen Tagen funktioniert nicht alles, wie es sollte, und um dann Fehler zu minimieren, müssen wir zu 150 Prozent konzentriert sein – damit am Ende mindestens 100 Prozent auf dem Teller liegen.
Wie gehen Sie damit um, wenn einer mal einen schlechten Tag hat?
Ich versuche, meine Leute zu motivieren. Wir kennen uns und unsere verschiedenen Charaktere, das hilft. Mein Souschef, mein Patissier, mein Chef Tournant, die sind schon jahrelang bei mir. Die Commis kommen und gehen, das ist klar und auch gut: Sie sind jung, bleiben zwei, drei Jahre und ziehen weiter, um mehr von der Welt zu sehen.
Sie machten das etwas anders. Mit 40 feiern Sie im Baur au Lac heuer Ihr 20-Jahr-Jubiläum.
Stimmt, ich reiste allerdings immer, war viel draussen in der Welt, um mich kulinarisch zu entwickeln. Bloss gefiels mir hier von Anfang an, ich fühlte mich gleich wohl.
Ihre Vorbilder sind Frédy Girardet und Joël Robuchon, sagen Sie. Warum?
Ich sehe sie als Mentoren, an denen ich mich orientiere; sie sind bodenständig und sehr konzentriert auf den Beruf. Als ich die Kochlehre bestanden hatte, fragte mein Vater, wo ich das feiern wolle: Wir assen bei Girardet, das vergesse ich nie. Es gab Foie gras mit Sellerie und Reh ... super. Aber das Essen der beiden möchte ich nicht kopieren. Mir gehts um ihre Haltung, ihre Denkweise und Philosophie und erst danach um ihren Kochstil und darum, was sie auf den Teller bringen. Die französische Esskultur passt einfach zu mir.
Sie mögen es klassisch?
Nicht unbedingt. Ich arbeite durchaus zeitgemäss. Aber mir ist es wichtig, den Geschmack anzuerkennen. Die französische Küche stammt aus einer Zeit der Könige, in der man die Welt bereiste, um übers Essen herauszufinden, was es herauszufinden gibt. Auf diesen Erfahrungen und Erkenntnissen kann man meiner Meinung nach aufbauen: Dass es Kombinationen gibt, die nicht funktionieren, Aromen, die nicht zusammenpassen – das weiss man bereits und muss man heute nicht unbedingt erneut ausprobieren. Ich versuche, das alte Wissen auf die Gegenwart anzuwenden.
Machen Sie dafür doch bitte ein Beispiel.
Ich nehme nicht nur eine gute Karotte, sondern eine gute Karotte aus dem Thurgau. Weil der Fokus auf Regionalität heute wichtiger ist als früher. Wobei die Schweiz natürlich klein ist und sich die Frage stellt, wie man dieGrenzen zieht. Vielleicht ist auch Frankreich noch regional – weil da erst die nächsten Küsten liegen.
Das kann man wohl ziemlich unterschiedlich sehen.
Ich finde, da braucht es eine gewisse Flexibilität.
Die ist sicher auch im Umgang mit Ihren Gästen angebracht, die per se hohe Erwartungen haben – und vermutlich den einen oder anderen Extrawunsch.
Tatsächlich wissen meine Gäste ziemlich genau, was sie wollen. Zum Glück mögen sie aber grundsätzlich auch, was ich koche, und essen gern, was ich empfehle.
Wie würden Sie Ihre Küche selber beschreiben?
Pop-Art.
Wirklich?
Ja. Ich mag Pop-Art, und ich verehre Andy Warhol. Manchmal sieht man das auf meinen Tellern wirklich. Wenn man zum Beispiel an Andy Warhols Marylin Monroe in verschiedenen Farben denkt, passt dazu vielleicht eine Artischocke, die ich in unterschiedlichen Zubereitungen auf den Teller bringe. Man könnte das eine Symphonie nennen, eine Variation. Oder eben Pop-Art.
Sehr schön. Verstehen Sie sich als Künstler oder als Handwerker?
Ein Künstler bin ich nicht, ich kreiere ja nichts. Im Französischen kann man das mit dem Wort «artisan» besser ausdrücken, auf Deutsch nennt man das vielleicht Kunsthandwerker.
Aber dass Sie nichts kreieren, stimmt natürlich trotzdem nicht ganz.
Dennoch wäre es zu arrogant, mich selbst einen Künstler zu nennen. Darunter verstehe ich einen, der komplett etwas Neues schafft. Der Kochberuf hingegen ist ein Handwerk – mit zur Kunst tendierenden Finessen.