«Wir mussten schlicht experimentieren.»
«Das ist unser Berg, der Lötschberg», ruft David Morard in Richtung Tunneleingang, in dem gerade ein Schnellzug verschwindet. Wir stehen vor den Produktionshallen der Valperca AG im Walliser Ort Raron, der grössten Eglizucht der Schweiz. Dass der Geschäftsführer des Unternehmens bei der Begrüssung nicht beim Fisch ansetzt, sondern beim nahen Lötschberg, hat seine Richtigkeit. Denn am Anfang des Erfolgs von La Perche Loë, wie der Walliser Zuchtegli heisst, steht der 2007 eröffnete Lötschberg-Basistunnel.
Mit dessen Bau musste warmes Bergwasser an den Tunnelröhren vorbei nach draussen geleitet werden. Direkt in die Rhone beim südlichen Ausgang in Raron konnte das Abwasser jedoch nicht fliessen. Mit 16 bis 19 Grad war es zu warm für das Ökosystem. Die Gemeinde stand also vor einem Problem. Und die Valperca AG endlich vor einer Lösung. Morard, der 2005 zum Unternehmen stiess, erzählt von einem gescheiterten Aquakultur-Versuch im offenen Wasser des Neuenburger Sees. «Für die Eglizucht waren die Bedingungen im See nicht geeignet», sagt er. Für die Zucht müsse man die Wasserqualität kontrollieren können. Mit dem in grossen Mengen verfügbaren Bergwasser wurde schliesslich eine Aufzucht im geschlossenen Kreislauf möglich. Und dank der Temperatur des Wassers erst noch mit minimer Wärmezufuhr.
«Hier ist das ganze Jahr Sommer», sagt Morard später auf der Besuchergalerie der Aquakultur-Anlage. Im Dunkel unter uns schwimmen rund 1,5 Millionen Fische in 35 Becken, alle im 21 Grad warmen Wasser. Im Vergleich zu Fischen im natürlichen Kreislauf, die im Winter an Gewicht verlieren, wachsen die Raubfische hier rund dreimal so schnell. Im Gegensatz zum Dasein in natürlichen Gewässern fressen sie in der Zuchtanlage auch keine kleineren Artgenossen. Die Eglis werden nämlich laufend nach Grösse sortiert und auf neue Becken aufgeteilt, um Kannibalismus zu verhindern.
Das Sortieren der Fische ist nur eine von zahlreichen Herausforderungen der Zucht. Der vom Schweizerischen Fischerei-Verband zum Fisch des Jahres 2019 gekürte Egli braucht nicht nur beste Wasserqualität, Ruhe und Dunkelheit. Er ist auch anfällig für Krankheiten von anderen Tieren, weshalb in Raron ausschliesslich Eglis gezüchtet werden. Laut Morard spielt sich die heikelste Phase jedoch nicht hier ab, sondern in der Brutanlage in Chavornay im Kanton Waadt, in der das ganze Jahr über Mai beziehungsweise Laichzeit simuliert wird. Wenn die Larven ihre Schwimmblase bilden und dafür an die Wasseroberfläche kommen, darf auf dieser zum Beispiel kein Ölfilm vom Fischfutter schwimmen. «Wir mussten schlicht experimentieren», sagt Morard über die an einen Fön erinnernde technische Lösung, die sein Team entwickelte. Ausprobieren war die Devise für den gesamten zwölfmonatigen Zuchtzyklus vom Rogen bis zum finalen Elektroschock. Denn zur Eglizucht gibt es kaum Literatur.