«Die Schweiz ist ein Wasserschloss.»
Rekord! Satte 9,1 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte vertilgten Herr und Frau Schweizer letztes Jahr im Schnitt – so viel wie noch nie. Die gesamte Konsummenge hierzulande ist in den vergangenen 25 Jahren um rund 60 Prozent auf fast 75 000 Tonnen gestiegen. Die Erkenntnis, dass wir immer mehr Fisch und Seafood essen, ist also nicht neu: Die aktuellen Zahlen untermauern eine Tendenz, die sich seit Jahrzehnten abzeichnet. Dass dem so ist, freut einen ganz besonders. Arne van Grondel fungiert seit drei Jahren mit Leib und Seele als «Botschafter für Fisch und Seafood aus der nachhaltigen Fischerei» der Schweizer Fischhandelsfirma Marinex. Der 61-Jährige liebt Fisch, preist dessen geschmackliche Eigenständigkeit und Vielfalt sowie sein Potenzial zur Ernährung der Weltbevölkerung. Und er sieht gerade in der Gastronomie noch vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten. «Fisch wird gerne auswärts gegessen», sagt er. «Wirte und Köche sollten ihm deshalb mehr Aufmerksamkeit schenken. Dabei ist die Qualität allerdings entscheidend.» Er rät Gastronomen, genau zu vergleichen. «Im Fischhandel sorgen massive Preisunterschiede immer wieder für Verwirrung. Aber wenn man sorgfältig schaut, woher ein Produkt kommt und wie es hergestellt wird, erklären sich diese von selbst», sagt er. «Ich erlebe oft, dass sich die Leute dann sogar lieber für ein teureres Angebot entscheiden.»
Der gelernte Koch und jahrzehntelange Geschäftsführer der Michel Comestibles AG hat sich dem Thema mit einer bemerkenswerten Vehemenz verschrieben: Unablässig tingelt der passionierte Hobby- angler durch die Branche, knüpft sein grosses Netzwerk immer dichter, unterstützt Projekte, kommuniziert, tüftelt, lanciert. Dass der Bündner mit holländischen Wurzeln und einem urbanen Bauernhaus auf Sardinien vor neun Jahren eigentlich in den Ruhestand ging, hält ihn nicht davon ab, «aus Nächstenliebe» für Ideen einzustehen, die der Schweizer Fischwelt seiner Ansicht nach guttun. Er denkt mit, berät und verkuppelt – und gibt in regelmässigen Abständen Empfehlungen an Händler und Gastronomen ab. Da verwundert es nicht,dass er aus dem Stegreif eine Handvoll Projekte aufzählt, die die Fisch- und Meeresfrüchtebranche hierzulande in absehbarer Zukunft bewegen dürften.
Spannend zum Beispiel: Im Bündnerland ist die erste Schweizer Zucht von atlantischem Lachs, dem hierzulande am meisten konsumierten Fisch notabene, in Planung. Und in der Zentralschweiz haben sich in der künftigen Genossenschaft «Regiofisch Luzern» Bauern zusammengeschlossen, die in leer stehenden Ökonomiegebäuden auf Bauernhöfen in der Region Luzern Zander in geschlossenen Kreislaufanlagen produzieren wollen. Weitere Fischarten sind derzeit in Abklärung. Noch stecken diese Projekte in den Kinderschuhen. Sie zeugen aber, wie van Grondel sagt, vom Erfindergeist, der die Schweizer Fischerei beflügelt. «Es gibt innovative Menschen, die sich die Frage stellen, was wir künftig essen – und entsprechende Projekte lancieren.» Das haben auch sechs junge Herren im Solothurnischen getan: Sie bauen aktuell die erste Shrimpszucht der Schweiz auf und gehen damit gerade in die Pilotphase (siehe Seite 102). Von ersten Erfahrungen profitiert man indes bereits bei der Firma «OceanSwiss Alpine Seafood AG». Im deutschen Völklingen war im Januar letzten Jahres eine Aquafarm-Produktion in Betrieb genommen worden, aus der vor Ostern nun die ersten Fische verkauft wurden. «Die Qualität ist hervorragend», sagt Verwaltungsrat Peter Zeller. Beim Betrieb in Deutschland handelt es sich quasi um ein Pilotprojekt für die geplante Produktion in Buttisholz im Kanton Luzern. Dort sollen im Jahr 2016 Edelfische wie Wolfsbarsch, Dorade und Kingfisch «nachhaltig, umweltfreundlich und wirtschaftlich erfolgreich» gezüchtet werden. «OceanSwiss» ist als grösster Aquafarm-Betrieb der Schweiz konzipiert: Rund 1500 Tonnen pro Jahr will man hier dereinst produzieren.