04.06.2025 Salz&Pfeffer 2/25

Der mit den Schafen

Interview: Karin Hänzi – Fotos: Njazi Nivokazi
Agil dank kleiner Betriebsgrösse: Nach diesem Credo führen David und Natalie Müller ihren Biohof Mini Farming. Ein Gespräch über die Herausforderungen des Bauerndaseins und den Wert von Lebensmitteln.
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Sie sind auf einem landwirtschaftlichen Grossbetrieb aufgewachsen. Welches ist Ihre prägendste Kindheitserinnerung?
David Müller: Die wahrscheinlich wichtigste ist eine, die mir erst aufgefallen ist, als ich zum ersten Mal auswärts gewohnt habe: Als Kind war es für mich selbstverständlich, dass meine Mutter jeden Tag frisch und mit selbst produzierten Lebensmitteln kochte. Ich kannte schlicht nichts anderes. Was für ein Privileg wir damit hatten, begriff ich erst viel später. Heute weiss ich: Wenn ich meinen eigenen Kindern nur etwas mitgeben könnte, wäre es genau das. Gutes und gesundes Essen ist für mich das höchste Gut und damit meine ich nicht nur die Produkte an sich, sondern alles, was dazu gehört. Meine Söhne sollen wissen, was es für einen Kopfsalat und ein gutes Stück Fleisch braucht, welche Arbeit da drinsteckt. In einer Zeit, in der Lebensmittel kaum noch Wert haben, dünkt mich das wichtiger denn je.

Was meinen Sie damit?
In meiner Kindheit fielen durchschnittlich 30 Prozent der Ausgaben aufs Essen. Aktuell sind es noch fünf bis acht Prozent. Essen wird oft nur noch als Sättigung des Magens verstanden und soll möglichst wenig kosten. Mit diesem Anspruch habe ich Mühe. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiss, was es heisst, eine Familie zu ernähren – ich habe selbst drei Kinder. Aber irgendetwas ist da in den letzten Jahren arg aus der Balance geraten. Solange es um Autos, Handys und Ferien geht, scheint der Preis keine Rolle zu spielen – bei Lebensmitteln dafür umso mehr. Das zeigt sich auch im moralischen Spagat vieler Menschen.

Erzählen Sie.
Wählerin und Konsument sind zwei Paar Schuhe. Die Abstimmungsresultate sind klar pro Natur. In der Migros landet dann trotzdem das günstigste Produkt im Korb. Das kann nicht aufgehen. Genauso wenig wie die Idee, dass wir Landwirte möglichst ökologisch produzieren und unsere Produkte gleichzeitig zu Spottpreisen verkaufen sollen. Hier täte ein gesellschaftliches Umdenken not: mehr Qualität, weniger Wegwerfgesellschaft.

Trotzdem betreiben Sie einen eigenen Hof. Welchen Weg haben Sie für sich in diesem Spannungsfeld gefunden?
Derzeit ist die Schweizer Landwirtschaft so ausgerichtet, dass die ganz Grossen und die ganz Kleinen überleben können. Jene dazwischen gehen im Preisdruck kaputt. Die Grossen kommen dank Digitalisierung und Mechanisierung vorwärts, können sehr viel automatisieren. Die Kleinen, zu denen wir gehören, halten sich mit einer dynamischen Hofführung über Wasser. In unserem Fall heisst das: Angefangen haben wir mit viel Gemüseanbau und zwei Schafen, die uns meine Eltern geschenkt hatten. Damals waren wir auf vier Wochenmärkten präsent, hatten drei Hektaren Freilandgemüse, ein Gemüseabo – das volle Programm. Das funktionierte anfangs wunderbar, nicht zuletzt dank Corona. Genauso krass brach das Geschäft allerdings danach wieder ein und wir merkten: Mit nur einem Standbein machen wir uns zu abhängig.

Wie haben Sie diversifiziert?
Wir haben den Fokus nach und nach vom Gemüse zu den Schafen verschoben, unsere Märit-Präsenz eingeschränkt, das Gemüseabo eingestellt und den Schafbestand ausgebaut. Schafe sind in der Schweiz ein Nischending und haben einen netten Nebeneffekt: Gemüsebetrieben fehlen oft die Tiere zum Abweiden ihrer Wiesen. Unsere Schafe übernehmen das mit Vergnügen und bereiten den Boden dabei wunderbar auf die nächste Gemüseaussaat vor. Sie brauchen nur rund zehn Prozent der Grasnährstoffe, der Rest gelangt zurück in den Boden.

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Sie haben ein Unternehmen mit tierischen Rasenmähern gegründet.
Genau. Über unsere Zweitfirma Rasenmäääher kann diese Grünflächenbeweidung auch für nicht-landwirtschaftliche Flächen gebucht werden: Parks, Friedhöfe, Bahnborde, Rebberge, Wohnsiedlungen – es gibt viele Möglichkeiten. Mit meinem Kindheitshof, den heute mein Cousin und mein Onkel führen, hat sich daraus eine richtige Kreislaufwirtschaft ergeben: Unsere Schafe fressen ihr Gras, das sonst zu Biogas würde, dafür kriegen sie den Mist – haben also Dünger frei Haus. Mehr solches Mit-, statt Gegeneinander würde uns allen guttun, im Beruflichen wie im Privaten.

Verkaufen Sie auch das Fleisch der Tiere?
Ja, vor allem in unserem Hofladen – allerdings noch nicht in dem Umfang, wie ich gerne möchte und es wirtschaftlich Sinn ergeben würde. Der Handel hat an meinen Rasenmäääher-Lämmern kein Interesse, da es sich um eine Kleinrasse handelt und sie damit nicht der Norm entsprechen. Falls es in Zürich und Umgebung also Gastrobetriebe gibt, die auf der Suche nach regionalem Lammfleisch sind: Meldet euch gerne bei mir. Die Tiere fressen ausschliesslich Gras von Flächen in und um Zürich, das sonst gemäht und in der Biogasanlage landen würde. Sie sind damit in Sachen Nachhaltigkeit und Storytelling quasi unschlagbar.

Aufgewachsen sind Sie auf einem landwirtschaftlichen Grossbetrieb – heute führen Sie einen Biohof. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Während meiner Lehrzeit fand auch ich alles lässig, was gross war und viel Power hatte. Trotzdem merkte ich bereits damals, dass ich dafür nicht so Feuer und Flamme war wie meine gleichaltrigen Berufskollegen. Also informierte ich mich und sah in diesem Prozess immer klarer, dass ein Grossbetrieb nicht meins wäre. Mit 150 Mitarbeitenden bist du Manager, nicht Bauer. Als es schliesslich nach einem Abstecher in andere Branchen zum eigenen Hof kam, wusste ich: klein und bio soll er sein. Damit ich mir zumindest ein bisschen Freiheit bewahre.

Was meinen Sie damit?
Ich möchte nie in die Situation kommen, in der ich unrentable Landwirtschaft betreiben muss, nur weil ich noch einen Stall abzubezahlen habe. Darum investieren wir auch möglichst wenig in Maschinen und Gebäude. Lieber bleibe ich agil und kann mich zur Not vom Hof verabschieden. Aber: Diese Ungebundenheit ist nur möglich, weil ich auf den Goodwill anderer Betriebe zählen und deren Maschinen, Kühlräume und Ställe mitbenutzen kann. Am Bio-Gedanken wiederum halte ich fest – das sind meine Werte, auch wenn die entsprechenden Richtlinien nicht für eine Hofgrösse wie unsere gemacht sind. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zum Abschluss das Stichwort Schwermetall. Wie zuversichtlich sind Sie bezüglich der Zukunft unserer Böden?
Oh, dazu gäbe es viel zu sagen. Die kurze Antwort lautet: Als Bauer ist der Boden meine Lebensgrundlage. Warum sollte ich diese mutwillig zerstören? Kein Hof spritzt oder kupfert freiwillig – allein aus finanziellen Gründen nicht. Das macht man, weil man muss, nicht weil man will. Ich selbst verzichte darauf. Was ich mir nur rausnehmen kann, weil ich nicht dem Schönheitswahn des Detailhandels entsprechen muss. Hier kommen die Konsumentinnen und Konsumenten ins Spiel. Sie haben viel mehr Macht, als sie sich vorstellen können. Sie müssten sie nur ausspielen.

Vom Grossen ins Kleine

Aufgewachsen ist David Müller auf einem grossen Gemüsebaubetrieb in Steinmaur, wo neben seiner Familie auch jene seines Onkels sowie seine Grosseltern lebten und arbeiteten. Erste Erfahrungen sammelte er mit im Kistchen der Grossmutter gezogenen Salatköpfen, die er vor dem Hofladen verkaufte. Auch am Stand seines Marktfahrer-Onkels war Müller bereits in jungen Jahren anzutreffen.

Entgegen dem Rat seines Vaters entschied er sich später für eine Lehre zum Landwirt und liess sich im Anschluss noch zum Gemüsegärtner ausbilden. Danach arbeitete er zunächst im Akkordbau und Gartenunterhalt.

Den Grundstein zum eigenen Hof legte er 2020 zusammen mit seiner Frau Natalie – just zur Geburt ihres ersten Sohnes. Heute steht Mini Farming für den Anbau von Gemüse und Beeren sowie Nutztierhaltung, allesamt in Bioqualität. Neben 50 Hühnern hält die inzwischen fünfköpfige Familie im Wehntal zudem 500 Mutterschafe – einerseits zur Fleischgewinnung, andererseits als natürliche Rasenmäher.

Das fachliche Fundament zu diesem Betriebszweig holte sich David Müller jüngst mit einer Ausbildung zum Schäfer. Er ist damit der erste diplomierte Schweizer Schäfer.

Mini Farming, Talweg 9, 8165 Schleinikon

mini-farming.ch rasenmäääher.ch