«Schule ist hierzulande komplett anders als in meiner Heimat.»
Manchmal lässt er Kelle, Schwingbesen und Messer ruhen und zückt stattdessen Stift und Karteikarte. Meist tut er das, wenn in der Küche gerade ein bisschen Ruhe eingekehrt ist, aber im Prinzip weiss Okbit Teweldemedhin: Er darf je derzeit nachfragen. Häufig gibt es nach der Berufsschule Erklärungsbedarf, dann sind Küchenchef René Küng und dessen Stellvertreter Kevin Nussbaum für ihn da. Teweldemedhin ist froh darum. Denn jetzt, in der Kochlehre, geht es Schlag auf Schlag. Das Tempo ist hoch, der Stoffplan dicht. Da mitzuhalten ist für den 22-Jährigen eine Herausforderung, die Aussicht auf das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ) sein grösster Ansporn. Damit kein Traum bleibt, was er sich zum Ziel gesetzt hat, nehmen sich die Teammitglieder auch im Tagesgeschäft Zeit, um mit ihm zu üben: sei es Warenkunde, die Kunst der Patisserie oder aber das Thema Arbeitsplatzorganisation.
Teweldemedhin ist ein Lehrling mit ungewöhnlicher Vita. Er ist im wortwörtlichen Sinne über Umwege dahin gekommen, wo er, wie er sagt, seinen Platz gefunden habe – in der Küche des Restaurants Annamia. Der öffentliche Gastronomiebetrieb ist Teil der Stiftung St. Anna in Luzern. Vor einem Jahr wurde der Neubau eröffnet, hat das Küchenteam hier seinen Betrieb aufgenommen.
Anfang 2022 stiess Teweldemedhin dazu, nachdem sein ehemaliger Lehrbetrieb an den Folgen der Pandemie zugrunde gegangen war. Sein Etappenziel, das er zu diesem Zeitpunkt im Blick hatte, ist nun erreicht: Im Sommer hat Teweldemedhin das eidgenössische Berufsattest (EBA) zum Küchenfachangestellten entgegengenommen, die zweijährige Ausbildung bestanden. «Mit Bravour», wie sein Ausbildner Nussbaum betont. Die Abschlussnote, eine 5,2, habe das Team mit Stolz erfüllt.
«Zu diesem Erfolg», findet Teweldemedhin, «haben alle beigetragen. Ohne meine Kolleginnen und Kollegen wäre ich nicht da, wo ich jetzt stehe. Ich bin dankbar, zu wissen, dass sie mir auch in Zukunft zur Seite stehen.» Teweldemedhin hat viel vor: Im August konnte er dank seines Berufsattests gleich ins zweite Jahr der dreijährigen Lehre zum Koch einsteigen. «In der EBA-Klasse waren wir zu sechst, die Lehrpersonen liessen sich viel Zeit fürs Erklären. Jetzt sind wir 22 und es geht mega schnell vorwärts», sagt er, lacht und verwirft die Hände. «Schule ist hierzulande komplett anders als in meiner Heimat.»