«Wenn die Miner genug geschürft hatten, führten sie ihre Freundinnen bei uns zum Essen aus.»
Auf den grossen kalifornischen Goldrausch folgte ein fürchterlicher Kater: Einzelne Goldgräber wurden reich, viele verarmten, die sicheren Gewinne machten ohnehin andere. Die Verkäufer von überteuerten Spitzhacken und Waschpfannen zum Beispiel. Und natürlich die Saloons, welche die Glücksritter mit Eintopf, Whisky und Glücksspiel bei Laune hielten und sich dafür in Gold bezahlen liessen. Beim Bitcoin-Fieber von 2017 war das etwas anders.
Zwar hat der absurde Kursanstieg, der im vergangenen Dezember seinen vorläufigen Höhepunkt fand, dem alten Traum vom schnellen Geld neuen Schub verliehen. Das Gewerbe spürt davon aber erst wenig: Die dicken Polster der digitalen Portemonnaies bleiben unangetastet, weil die meisten Leute noch nicht bereit sind, das Feierabendbier mit Bitcoin und Co. zu bezahlen. Und selbst wenn sie wollten: Erst wenige Geschäfte akzeptieren das digitale Geld. Unter den wenigen, die es tun, sind die Gastgewerbler allerdings gut vertreten: jene, die mitfiebern, weil sie an die Sache glauben, aber auch jene, die mitspielen, weil ihnen die Sache nützt.
Eindeutig zum Lager der Krypto-Enthusiasten gehört Roger Widmer, der in der Branche als Pionier gilt. In seinem Hotel Gotthard in Brugg können Gäste seit 2013 auch mit Bitcoins für Kost und Logis bezahlen: «Viele reizte es, die exotische Währung in der realen Welt auszuprobieren.» Seine Geschichte mit der virtuellen Münze reicht aber noch weiter zurück. Zusammen mit einem Kumpel aus der IT begann der gelernte Koch damit, selbst Bitcoins zu schürfen. Dabei löst der Computer komplexe Rechenaufgaben, die notwendig sind, um die Transaktionen anderer Nutzer zu bestätigen. Belohnt werden die Mineure mit Bitcoins.
Mineure gehörten denn auch zu Widmers Bitcoin-Gästen der ersten Stunde: «Wenn sie genug geschürft hatten, führten sie ihre Freundinnen bei uns zum Essen aus.» Inzwischen akzeptiert er auch Etherum und Lightcoins. Das Mitmachen empfiehlt er anderen Gastronomen uneingeschränkt: «Mehr als eine App braucht man nicht. Zudem haben wir Kunden gewonnen, die sonst nie zu uns gekommen wären.» Einen Wermutstropfen gibt es, aller Begeisterung zum Trotz: Der Bitcoin sei langsam geworden. Wechselte er früher im Bruchteil einer Sekunde den Besitzer, dauere das heute mehrere Minuten.
Das Problem ist ein Nebeneffekt seiner plötzlichen Beliebtheit: Tausende Transaktionen warten darauf, bestätigt zu werden. Soll die Überweisung bevorzugt behandelt werden, verlangen die Miner eine Gebühr, sagt Samuel Manz, Mitgründer der Imbissbude Wurst & Moritz in Zürich und Bern. Diese dürfte es in dieser Höhe eigentlich gar nicht geben: «Damit geht einer der wichtigsten Vorteile, den der Bitcoin gegenüber Kreditkarten hatte, verloren.» Seit knapp einem Jahr kann man bei Manz mit Bitcoin für Currywurst und Pommes bezahlen: «Pro Woche sind das etwa zehn Kunden, die meisten aus der Szene.» Wegen der Gebühren seien es aber deutlich weniger geworden.
In einem Fall im vergangenen Herbst waren die Gebühren besonders grotesk: Für seine Currywurst sollte ein Gast statt umgerechnet acht Franken plötzlich 21 Franken bezahlen. Trotzdem hat Manz, der auch die Krypto-Konferenz in St. Moritz diesen Januar mitorganisierte, den Glauben an die Sache nicht verloren: «Seit Februar akzeptieren wir bei Wurst & Moritz den Bitcoin Cash, der das Gebührenproblem nicht hat.» Eine grosse Chance sieht Manz etwa für das Gastgewerbe in Tourismusregionen: «Die Gäste müssten ihre Fremdwährungen nicht mehr gegen Franken tauschen.»
Jeannine und Karel Nölly von der Swiss Chalet Merlischachen AG gehören zu jenen, die mitmachen und dabei die Risiken minimieren. Seit vergangenen November akzeptieren sie in ihren Restaurants und Hotels Bitcoins sowie Etherum. Das hat vor allem mit der Nähe zur Stadt Zug, die sich selbst zum Crypto Valley erklärt hat, zu tun: «Es kommen etwa fünf Businessleute pro Woche, die genau schauen, wo sie mit Bitcoins bezahlen können.» Anders als Manz und Widmer, welche die virtuellen Münzen ganz respektive einen Teil davon behalten, verzichten die Nöllys für mehr Sicherheit auf allfällige Kursgewinne. Dafür zahlen ihre Gäste die Gebühren von durchschnittlich zwei Prozent an die Bitcoin Suisse AG. Was sie an Bitcoins einnehmen, landet so, zu einem fixen Tageskurs umgerechnet, als Franken in ihren Portemonnaies. Den grossen Gewinn machen sie damit nicht, gewiss aber den sicheren.