«Tofu ist nicht gleich Tofu.»
Ihren eigenen Vegetarismus nennen Sie ein klassisches Erste-Welt-Problem. Das müssen Sie erklären.
Pascal Haag: Zu der Erkenntnis gelangte ich während meiner Auszeit 2014. Ich war in Kambodscha bei einer Familie auf dem Land eingeladen, die Frau wollte kochen. Als ich darum bat, für mich das Fleisch im Curry wegzulassen, wusste sie nicht, wie das gehen soll. Also kochten wir zusammen: sie das Curry mit, ich jenes ohne Fleisch. Beim Essen dann kam die Frage auf, warum ich mich vegetarisch ernähre, und nach meinen Erklärungen fand die Familie, sie wolle künftig auch auf Fleisch verzichten. Aber das ist in dem Rahmen, wie die Menschen in Kambodscha auf dem Land leben, gar nicht unbedingt nötig. Die haben da ihr Huhn im eigenen Garten, das ist eine ganz andere Welt. So aber, wie die Situation bei uns ist, dünkt es mich schon sinnvoll, auf Fleisch, wenn nicht ganz auf tierische Produkte zu verzichten.
Sie machten sich als Vegi-Koch einen Namen, tendieren inzwischen aber zur veganen Küche. Wie kommt das an?
Die Skepsis, mit der viele Menschen – gerade auch Köche – einst der vegetarischen Kost begegneten, schlägt heute der veganen Küche entgegen. Ausserdem gilt sie als kompliziert. Dabei wäre das Ganze ziemlich einfach. Oft wird zu viel überlegt.
Echt? Müsste man nicht sogar mehr darüber nachdenken?
Wenn es um die Hintergründe geht, natürlich schon. Aber in der Umsetzung ist die vegane Küche weniger kompliziert, als viele denken. Die Einstellung, dass man sich extrem einschränken muss, um ohne tierische Produkte zu kochen, finde ich schade.
Warum hält sie sich so hartnäckig?
Das Weglassen von Fleisch und Fisch gilt in einigen Gastrobetrieben immer noch als Beilagenküche. Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide und Co. haben aber ihren ganz eigenen Reiz, der sich zeigt, sobald sie als Hauptakteure auftreten. Die Schwierigkeit bei den Alternativprodukten ist, dass die Mengen, die man braucht, nicht so einfach verfügbar sind. Das wird sich aber ändern, und Anbieter wie Pico Bio haben bereits ein tolles Sortiment. Ein anderes Problem ist eben die Überzeugung, dass man etwa ohne Milchprodukte nicht kochen kann. Darüber muss man hinwegkommen und es einfach mal versuchen. Oder sich Unterstützung holen.
Das tat zum Beispiel das Team der Wirtschaft im Franz in Zürich und liess sich von Ihnen schulen. Wie kann man sich das vorstellen?
Meine Kurse laufen ganz unterschiedlich ab. In diesem Fall gings darum, aufzuzeigen, welche Produkte es gibt und was man damit anstellen kann. Da ist zum Beispiel eine riesige Auswahl an Hülsenfrüchten und verschiedenen Getreiden. Die Wirtschaft im Franz ist in diesem Bereich schon sehr weit. Wir konzentrierten uns in der Schulung also auf die ganzen Sojaprodukte, zum Beispiel auf die Vielfalt beim Tofu.
Ein streitbares Thema: Er gilt als fad und langweilig.
Aber Tofu ist nicht gleich Tofu. Es gibt Nature-, Räucher- oder Seidentofu, Varianten mit verschiedenen Geschmäckern wie Curry oder Bärlauch und vor allem diverse Hersteller. Man muss sich durchprobieren. Wer einmal Tofu gegessen hat, der ihm nicht schmeckte, erwischte vielleicht auch einfach einen schlecht produzierten. Ganz ehrlich: Ich fand Tofu lang auch langweilig. Dann lernte ich die Unterschiede kennen.
Welche Tricks kennen Sie in der Zubereitung?
Den Räuchertofu brate ich heiss und in reichlich Fett an, damit sich seine rauchige Note intensiviert und er knusprig wird. Frischen Nature-Tofu kann man zweimal einfrieren respektive auftauen und jeweils das Wasser, das anfällt, abpressen. So erhält er eine schwammige, poröse Konsistenz und bleibt innen weich und saftig, wenn man ihn zum Beispiel in Maisstärke wendet und knusprig anbrät. Und grundsätzlich gilt: Tofu verträgt viel Würze.
Ein anderes Thema, das Sie beschäftigt.
Gewürze sind eine meiner Leidenschaften. Intensiv in Kontakt damit kam ich kurz nach der Lehre. Auf den Kanalinseln arbeitete ich unter einem indischen Küchenchef, der seine Gewürzmischungen immer im Versteckten herstellte, damit auch ja keiner genau wusste, was er da macht. Ich war fasziniert und bin es heute noch.
Inzwischen entwickeln Sie selbst Gewürzmischungen.
Auf meinen Reisen fing ich an, Notizen zu machen und ein Gewürzbüchlein zu führen, in dem ich zusammentrage, was mir begegnet. Es wurde immer dicker, und irgendwann wollte ich teilen, was ich gesammelt hatte. Ich begann, bei Sobre Mesa Gewürzkurse zu geben. Und mit der Anfrage von Soul Spice, ob ich Gewürzmischungen für die vegetarische und vegane Küche entwickeln wolle, nahm alles seinen Lauf.