«Die gleiche Hingabe, die ich ins Kochen stecke, wünsche ich mir von meinen Gästen.»
Ein Restaurant zu führen ist schwierig, und wer sich auf ein solches Risikogeschäft einlässt, beweist Mut – oder ist von Sinnen. Denn wer schlägt sich schon gern täglich mit den Marotten seiner Kochdiven herum? Dazu kommen die Vorschriften, die Kontrollen, die Banken, die keine Kredite mehr geben, und die Gäste, die immer komplizierter werden. Letztere sind oft Quälgeister, die alles besser wissen und das auf Tripadvisor festhalten müssen. Einige werden dabei zu kleinen Inquisitoren, die ihre in Wort und Schrift verfasste Blutspur im Netz zurücklassen, andere entwickeln sich beim Restaurantbesuch zu Hypochondern, die hinter jedem persönlichen unerwarteten luftigen Tönchen eine Unverträglichkeit erkennen.
Was aber hat das mit Talent zu tun? Sehr viel. Zahlreiche Jungköche kehren heute der Gastronomie nach ihrer Ausbildung den Rücken, verkriechen sich in die Küchen von Tagesstätten oder Altersheimen, weil hier die Arbeitszeiten geregelt und reklamierende Gäste selten sind. Gottlob gibt es Ausnahmen: teamfähige Schaffer mit Ideen im Kopf. Salz & Pfeffer hat drei solchen Talenten über die Schultern und dabei nicht aufs Alter geschaut.
Langfristige Hingabe: Marko Merker
Der Werdegang von Marko Merker gehört in die Sparte speziell. Er wuchs in Sachsen auf, lernte Maurer und diente acht Jahre in der Bundeswehr, davon einige Zeit in Afghanistan. Danach schloss er eine Ausbildung zum Jugend-und Heimerzieher ab und setzte sich als Chauffeur ans Steuer. Nicht gerade ideale Voraussetzungen, um erfolgreich am Herd zu stehen und eine spannende Urküche von Berg und Tal zu zelebrieren. In der Küche begann Merker als Spüler, wechselte zur kalten Küche und zur Patisserie, bevor er sich entschloss, den Beruf Koch zu erlernen – mit allem, was dazugehört. «Auch, nochmals die Schulbank zu drücken mit Schülern, die meine Kinder sein könnten», wie Merker salopp bemerkt.
Dass er heute in der Mühle in Geschinen als Küchenchef und Geschäftsführer tätig ist, hat auch mit Klaus Leuenberger vom Restaurant Erner Garten zu tun, der sein Schwager ist. «Bei ihm habe ich schnell gelernt, dass Kochen nicht einfach kochen ist, sondern schmoren, glasieren, dünsten, braten, garen und, und, und ...» Die ersten Kochversuche gefielen ihm gut, obschon die Arbeitszeiten und die Zimmerstunden anfangs ungewohnt waren. «Und die Hitze in der Küche, die war sehr gewöhnungsbedürftig», ergänzt er. Nun, Merker ist angekommen, hat nach Jahren der Suche seinen Beruf, sein Glück gefunden. Ja, und Klaus Leuenberger ist sein Vorbild. «Sein Verständnis von Typizität, von Regionalität beeindruckt», sagt Merker.
Leuenberger, der geniale Koch mit wachem Geist, war den Trends schon immer voraus. Seit Jahrzehnten kocht er eine lokale, regionale, aussergewöhnliche und inspirierende Küche. Kein Wunder trägt Marko Merker den Kochvirus in sich, bei solch einem Lehrmeister und Freund. In seiner Kindheit war es die Oma, die ihn mit einfachen Gerichten überzeugte, während seine Jugend geprägt war von Pizza, Pasta und Fast Food. Und auf einmal war das Wallis da. Sonnig, bergig, Natur satt – mit Gerichten und Zutaten, die Merker so nicht kannte. Er lernte, was Cholera ist und wie sie schmeckt, dass Dachs und Fuchs essbar sind, wie in der Küche von Leuenberger alles verwertet wird. «Als ich mich das erste Mal mit Tannenspitzenglace beschäftigte, kam mir unweigerlich meine Kindheit und das Fichtennadelschaumbad in den Sinn», erinnert sich Merker lachend. «Heute rieche ich die Nadeln, wenn ich im Goms durch die Wälder streife oder im Binntal mit dem Velo unterwegs bin.»
Die Mühle in Geschinen und Marko Merker haben sich gefunden. Frech, überraschend, spannend ist seine Küche, in der er schon mal das Lamm zu Tatar, Consommé und Frikassee verarbeitet, oder ab zwei Personen auf Vorbestellung Keule und Rücken vom Gommer Lamm à la Cäsar Ritz am Tisch flambiert. Langweilig wirds dem anspruchsvollen Gaumen in der Mühle nicht. Auch bei Wirsing-Rouladen und Alpenfladen nicht. Auf die Frage, was ihn eigentlich in seinem Alter noch dazu motiviert habe, den Kochberuf zu lernen, sagt Marko Merker: «Ich wollte die Grundfertigkeiten besser verstehen und anwenden können.» Einen deutlichen Wunsch richtet er auch an die Gäste: «Kochen ist meine Leidenschaft, ist ein Handwerk und benötigt Zeit. Die gleiche Hingabe, die ich ins Kochen stecke, wünsche ich mir von meinen Gästen.» Wenn das keine Ansage ist.