«Runde Teller scheinen süsse Geschmäcker zu verstärken.»
Fixe Vorstellungen davon, was einer guten Küche würdig sei, prägten die Gastronomie jahrzehntelang. Mittlerweile ist vieles im Aufbruch, Individualismus angesagt. Immer mehr Köche kochen, worauf sie Lust haben, statt sich an Pflichtvertretern der Haute Cuisine abzuarbeiten. Auch der Gast von heute, so wissen Marktforscher, tickt anders: Für ihn bemisst sich Exklusivität weniger am Preis, sondern am Erlebniswert. Der perfekte Gaumenschmaus setzt also keine polierten Serviettenringe voraus, aber das gewisse Etwas. Entsprechend braucht ein unverkennbares Profil, wer als Gastgeber erfolgreich sein will. Das Bemühen darum beginnt im Detail – zum Beispiel mit der Wahl des richtigen Tellers.
Ecken und Kanten soll er haben, wenn es nach Hansjörg Ladurner geht. Der Küchenchef im Scalottas Terroir auf der Lenzerheide arbeitet ausschliesslich mit quadratischen Tellern. Seine Gäste wählen die Anzahl Gänge und deren Reihenfolge frei, «dabei sollen alle Gänge etwa gleich gross sein», sagt Ladurner. Der quadratische Teller – an jeder Seite gleich lang – reflektiere diesen Anspruch, helfe aber auch den Sinnen nach. «Ich will jede Einzelkomponente zur Geltung bringen. Nicht erst im Gaumen, sondern bereits für das Auge. Ordnung auf dem Teller ist mir daher wichtig», sagt Ladurner. «Einen eckigen Teller kann ich vor dem inneren Auge in verschiedene Bereiche aufteilen und ein Gericht entsprechend arrangieren.» Farblich mag es der Küchenchef klassisch: «Der Teller muss weiss sein. Alles andere lenkt vom Produkt ab, das er in den Mittelpunkt stellen soll.»
Gleicher Meinung ist Cornelius Speinle. Der Schaffhauser schwingt seit 2018 im Hamburger Luxushotel The Fontenay die Kelle und hat ein Faible für Löffel. «Wir Europäer mögen den Löffel», weiss er. «Er ermöglicht eine ursprüngliche Form der Nahrungsaufnahme und weckt Erinnerungen an frühkindliche Geschmackserlebnisse.» Entsprechend reicht Speinle zu vielen Gerichte das einfachste aller Bestecke und mag aus diesem Grund tiefe Teller, in denen sich Saucen gebührend auslöffeln lassen. Bietet sich dieses Vergnügen nicht an, setzt er auf flache Teller. Rund müssen sie in jedem Fall sein. «Wir achten darauf, die Geschmackssinne möglichst vielfältig zu bespielen, damit im Gaumen ein sprichwörtlich rundes Bild entsteht», sagt Speinle. «Das soll sich auch in der Optik widerspiegeln. Eckige Teller empfände ich in dieser Hinsicht als Bruch.»
«Der altbewährte bleibt der beliebteste», sagt Sabrina Berardelli, Beraterin beim Gastronomiefachhandel B & n, über den runden, weissen Teller aus Porzellan. Das eckige Pendant hingegen sei weniger gefragt. Wenn, dann für Gerichte, die nach einer Struktur oder klaren Aufteilung verlangten: «Ich denke da an Sushi oder einen Burger, der mit Beilagen serviert wird.» In diesem Fall böte der Teller dem Essen eine Bühne, manchmal gehe es aber auch darum, der Speise einen Rahmen zu geben. «Risotto oder Pasta zum Beispiel», sagt Berardelli, «wirken auf flachen Tellern verloren. Dagegen verleihen runde, leicht vertiefte Teller solchen Gerichten eine Form.»