«Nur dank der Grossmutter überlebte die Mühle und mit ihr das alte Handwerk.»
«Morgen», lautet die prompte Antwort von Jean-Luc Bovey auf die Frage, wann er die Leitung der Moulin de Sévery an seine zwei Töchter Maveline (22) und Dessilia (24) abgebe. Ein kleiner Scherz des 51-Jährigen, natürlich, aber einer, der zeigt, wie unverkrampft die am Rande des 200-Seelen-Dörfchens Sévery lebende Familie mit dem Thema Nachfolge umgeht.
Allerdings haben die Boveys auch ziemlich viel Übung darin. Bereits Jean-Luc Boveys Urururgrossvater presste ab 1810 Öl, hauptsächlich aus Baumnüssen, von denen es im Kanton Waadt seit jeher mehr gibt als in allen anderen Regionen der Schweiz. Aber nicht immer war den Boveys das Glück hold. Jean-Luc Boveys Grossvater starb früh, nur dank der Grossmutter überlebte die Mühle und mit ihr das alte Handwerk. Als dann Bovey 2002 selbst das Ruder übernahm, stand der Familienbetrieb kurz vor der Pleite.
Dass die siebte Generation in den nächsten Jahren ein gesundes Unternehmen weiterführen kann, liegt vor allem an der neuen Strategie, die Jean-Luc Bovey ab 2005 umzusetzen begann. Früher machte die Mühle gerade mal 15 Prozent ihres Umsatzes mit der Ölproduktion. Haupteinnahmequelle waren unterschiedliche Futtermehle für die Landwirtschaft. «Heute konzentrieren wir uns auf das Pressen von insgesamt 18 Pflanzenölen und auf die Herstellung von Essig sowie Senf», so Bovey. Die Umstellung sei alles andere als leicht gewesen. Um das neue Sortiment bekannt zu machen, nahm Bovey jahrelang an unzähligen Bauernmärkten und Messen teil, von Genf bis Zürich.
«Wir sind die einzige traditionell arbeitende Mühle in der Schweiz, die noch das ganze Jahr über produziert», betont Bovey gleich mehrmals. Der Raum, in dem das berühmte Baumnussöl à l’ancienne entsteht, ist erstaunlich klein und mit wenigen Schritten durchquert. Die Mitte besetzt noch immer die historische, einst mit Wasserkraft betriebene Presse. Wann genau sie eingebaut wurde, weiss niemand mehr, seit 1982 dient sie als Dekoration. Ihre Nachfolgerin steht gleich daneben, ist nur etwa halb so gross, basiert aber auf der gleichen Technik.
Die traditionelle Art, Öl herzustellen (à l’ancienne), geht so: Die geschälten Nüsse – neben Hasel-, Erd- und Baumnüssen verwendet Bovey auch Pinien- und Sesamkerne sowie Pistazien – werden zu einer Paste verarbeitet. Diese kommt bei 140 Grad in den Ofen und wird so lange geröstet, bis sie die richtige Konsistenz hat und richtig duftet. «Wann genau das ist, entscheiden unsere Mitarbeiter, es ist Gefühlssache», so Bovey. Das anschliessend aus dieser Paste gepresste Öl kann zwar nicht mit dem Vitaminreichtum von kaltgepressten Ölen mithalten, verfügt dafür aber über ein extrem verdichtetes Aroma, das insbesondere in der Profiküche – für die kalte Anwendung – sehr geschätzt wird.
Zu den Kunden der Mühle von Sévery gehören denn auch einige der besten Gastronomen der Region, zum Beispiel Drei- Sterne-Koch Franck Giovannini aus Crissier oder Avantgarde-Koch Denis Martin aus Vevey. Der grösste Teil von Boveys Kundschaft sind aber Private und Bauern, die ihre Nüsse und Saaten bei Bovey pressen lassen, um sie anschliessend im eigenen Hofladen oder auf dem Markt zu verkaufen. 70 Tonnen Baumnüsse verlassen die Mühle von Sévery pro Jahr in verflüssigter Form.