«Über Fett spricht kaum jemand, dabei ist es das Wertvollste, was ein Tier ausmacht.»
Tierisches Fett war über Jahrzehnte hinweg so etwas wie der Tunichtgut-Teenager unter den Nährstoffen: Zweifelhaft war sein Ruf, als ungesund galt sein Einfluss auf andere. Dieses Image entstand ab den Fünfzigerjahren, als Studien Übergewicht, erhöhte Cholesterinspiegel und Gefässkrankheiten mit Fettkonsum in Zusammenhang brachten. Light-Produkte und Margarine eroberten die Regale der Detailhändler, Fitnessteller die Karten der Restaurants. Schweine- oder Gänseschmalz? Jenseits von puristischen französischen Küchen hatten sie einen schweren Stand.
Nun tut sich etwas an der Fett-Front, seit neue Untersuchungen den Nährstoff im Grundsatz rehabilitieren. Dazu gehört etwa die 2017 veröffentlichte internationale Vergleichsstudie Pure. Die Forscher untersuchten während fast acht Jahren die Ernährungsgewohnheiten von 135 000 Menschen und protokollierten Krankheiten sowie Todesfälle. Das Ergebnis: Wer 35 Prozent des Energiebedarfs durch Fett abdeckt, hat ein um 23 Prozent geringeres Sterberisiko als Menschen, die weniger Fett essen. Dabei sei es sogar irrelevant, ob gesättigte oder ob einfach oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren konsumiert würden.
Wer dagegen mindestens 68 Prozent seines Gesamtenergiebedarfs durch Kohlenhydrate abdeckt, dessen Sterberisiko erhöhe sich um 28 Prozent. Kritiker bemängelten an der Studie unter anderem den starken Fokus auf Entwicklungsländer und damit die Aussagekraft für das Essverhalten in unseren Breitengraden. Aber auch andere Analysen aus den letzten Jahren warnen vor einer pauschalen Verurteilung von Fett, und 2012 hob die Eidgenössische Ernährungskommission den empfohlenen Fettanteil an der Energiezufuhr bei Erwachsenen auf den Bereich von 20 bis zu 40 Prozent – «im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung».
Spezifisch im Wandel ist auch das Image von tierischem Fett. «Gesättigte tierische Fette sind per se nicht schädlich, auch wenn der Ersatz durch ungesättigte pflanzliche Fette Vorteile bringt», sagt der Mediziner und Ernährungswissenschaftler David Fäh. Aus gesundheitlicher Sicht mache es keinen Unterschied, ob man Schmalz oder Palm- und Kokosöl verwendet; da Schweinefett auch recht viele ungesättigte Fette enthalte, schliesse es wahrscheinlich auch besser als Butter ab, so Fäh weiter. «Allerdings hängt die Zusammensetzung des Schmalzes auch stark davon ab, wie das Tier ernährt und gehalten wurde.»
Griebenschmalz als Markenzeichen
An diesem Punkt setzt Christoph Jenzer mit seinem Schmalz von Freilandschweinen an. «Fettanalysen zeigen, ob das Tier in intensiver Mast- oder extensiver Weidehaltung gelebt hat; bei einer Fütterung mit Gras statt Kraftfutter ist der Anteil von Omega-3-Fettsäuren deutlich höher», sagt der Metzger, der in Arlesheim bereits in vierter Generation das Familienunternehmen Jenzer Fleisch & Feinkost führt. Die Tiere für sein Schmalz bezieht er vom Gutsbetrieb der Strafanstalt Witzwil, der mit seiner Zucht und der antibiotikafreien Mast hierzulande als Pionier in der Freilandschweinehaltung gilt; 90 Prozent des Futters für die Tiere stammen aus hofeigenem Anbau.
«In der aktuellen Nose-to-Tail-Diskussion gehts meistens um Innereien und Second Cuts. Über Fett spricht kaum jemand, dabei ist es eigentlich das Wertvollste, was ein Tier ausmacht», sagt Jenzer. Zu Zeiten seines Grossvaters sei das Kilo Fett teurer gewesen als Filet, «man hatte Hunger und bezahlte für den grössten Brennwert». Heute werden die Schlachtfette mehrheitlich verbrannt, seit die Nachfrage seitens Lebensmittelindustrie und Bäckerbranche mit der Umstellung auf vegetarische Palmfette für Blätter- und Kuchenteige einbrach. Durch das Verbrennen entsteht CO2, was für Jenzer zusammen mit der Problematik um die Palmölgewinnung «gleich mehrfach ökologisch unsinnig ist, vom Food-Waste-Gedanken mal ganz abgesehen».