Zwei Köche, zwei Karrieren und eine grosse Gemeinsamkeit: Michaela Frank und Micha Merz haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Statt in einer klassischen Küchenbrigade zu arbeiten, gestalten sie ihr Berufsleben projektbasiert. Unabhängig und selbstbestimmt. Ein Gespräch über Wendepunkte, die es manchmal so dringend braucht, über Fachkräftemangel und finanzielle Unsicherheiten. Aber auch darüber, ob das Modell Selbstständigkeit in der Küche salonfähig werden könnte.
Michaela und Micha, wir sitzen in der Zürcher Bar Milieu. Ihr habt hier beide bereits für einige Wochen ein Pop-up betrieben. Wann habt ihr bemerkt, dass ihr aus dem klassischen Küchenbetrieb aussteigen wollt?
Micha Merz: Für mich war das ein natürlicher Schritt. Meine Eltern waren bereits selbstständig und daher war das immer auch meine Vision. Als Koch habe ich versucht, bei allen meinen Stationen möglichst viel Wissen in meinen Rucksack zu packen. Mein erster Versuch in die Selbstständigkeit entstand quasi aus der Not heraus: Während Corona habe ich meinen Job gekündigt, weil ich da nicht mehr glücklich war, und habe spontan ein Take-away auf meinem Balkon eröffnet. Jeden Mittag kamen etwa 35 Leute und ich habe das Essen über eine Dachlatte heruntergelassen. Ein bisschen trashig, klar – aber die Leute hatten Freude. Danach kamen mehrere Projekte in verschiedenen Restaurants und ich habe bemerkt, dass mir viele Gäste folgen, weil sie mich unterstützen wollten und Lust hatten, dort zu essen, wo ich gerade arbeite. Da dachte ich: Warum nicht mein eigenes Ding probieren?
Michaela Frank: Im Restaurant Rank habe ich sehr viel erreicht, aber nie wirklich herausgefunden, was ich wirklich will. Man könnte sagen, eine unfindende Findungsphase. Nachdem ich letztes Jahr gekündigt hatte, legte ich eine Pause ein, genoss den Sommer und kochte hauptsächlich für Freunde. Irgendwann bemerkte ich: Ich will arbeiten, aber trotzdem meine Balance nicht verlieren. Meine Idee war, eine Tour durch die Schweiz zu machen und alle meine Four-Hands-Dinner, die ich im Rank hatte, zurückzugeben. Ich kochte unter anderem in Bern, im Jura und in Zürich – einmal für etwa 300 Leute in einer Brauerei. Das war krass! Danach hat es bei mir klick gemacht, und ich habe mich für die Selbstständigkeit entschieden.
Arbeitet ihr alleine oder im Team?
Micha Merz: Meine Produktionsküche befindet sich im Provisorium in Zürich. Ich mache viele Pop-ups und Caterings ohne festes Team. Dafür engagiere ich Leute projektweise, teils auf Monatsbasis mit Gewinnbeteiligung. Das Coole: Ich bin zwar alleine, aber sehr dynamisch. Wenn eine Anfrage für 200 Leute kommt, rufe ich fünf meiner Kollegen an und die Sache läuft. Wenn eine Anfrage für 19 Leute kommt, koche ich allein.
Und wie steht’s mit eurer kreativen Freiheit?
Michaela Frank: Am Anfang ist das ein grosser Druck. Du musst als Koch oder Köchin etwas aussagen. Ich glaube, ich habe sicher zwei Jahre gebraucht, bis ich sagen konnte: Das Menü, das ist jetzt meins. Als Küchenchefin musste ich immer schauen, was umsetzbar ist und ob es rentiert. Jetzt, als Selbstständige geht es mehr um meine Skills und um das, was ich wirklich will. Aber ich bin auch in der Verantwortung, wenn ein Gericht nicht gut ankommt.
Micha Merz: Ich habe kein Standardangebot. Bei jedem Chef’s Table gibt’s ein komplett neues Menü – ich mag ja auch nicht immer dasselbe kochen. Jedes Projekt ist neu, egal, ob ich für zehn oder 100 Personen koche. Kreativität bedeutet tatsächlich, ständig Druck auf sich selbst zu spüren. Ich bin mein härtester Kritiker. Oft verwerfe ich Gerichte, weil in meinen Augen die entscheidenden letzten zehn Prozent fehlen. Deshalb mache ich gerne Menu Surprise. Das gibt mir die Freiheit, im letzten Moment etwas zu ändern. Zum Glück vertrauen mir meine Gäste.