«In Los Angeles braucht es rund um die Uhr Essen. Das ist hier anders.»
Zu Beginn der Corona-Pandemie erinnerte sich Michael Stutz an seine Amerikareise. In Megacitys wie Los Angeles hatte der Inhaber der Firma Gastgeber 3.0 gesehen, wie Garagenkomplexe in Industriegebieten zu Küchen umgewandelt und vermietet wurden. Dort wurde Essen zubereitet und anschliessend in die ganze Stadt geliefert. Der Clou: Die Restaurants gab es nur virtuell. Sie hatten meist eine gut gemachte Website und waren auf Lieferdienstplattformen präsent. Einen Gastraum hatten sie nicht.
Ein Konzept, das voll auf Auslieferung fokussiert? Das könnte sich während der Pandemie bewähren, dachte sich Stutz. Er setzte sich mit Leuten der Weisse-Arena-Gruppe zusammen und stampfte in Flims-Laax innert kürzester Zeit vier virtuelle Restaurants aus dem Boden: eine Pizzeria, einen Burgerladen, ein alpines Lokal mit Schweizer Spezialitäten und ein Chicken-Restaurant. Pünktlich zum nationalen Lockdown im Februar 2020 waren sie bereit. «Wir hatten ein gutes Timing», sagt Stutz heute.
Das Gastrokonzept, das der findige Unternehmer in Flims-Laax lancierte, nennt man Ghost Kitchen – also: Geisterküche. Nicht nur in Los Angeles schossen solche Betriebe wie Pilze aus dem Boden, sondern auch in Berlin, London und anderen Weltstädten. Bald befassten sich Foodtrendforscherinnen und -forscher mit dem Phänomen. Etwa Hanni Rützler in ihrem Foodreport 2021: «Die mit Geisterküchen operierenden neuen Food-Delivery-Plattformen entwickeln sich zum Netflix und Spotify der Gastrobranche», schreibt sie darin. Und: «Dass nicht mehr die Gäste ins Restaurant fahren (oder gehen), sondern Boten Menüs aus dem Restaurant liefern, ist grundsätzlich nichts wirklich Neues.» Bemerkenswert sei aber, mit welcher Geschwindigkeit die Sparte seit der Pandemie wächst. Längst beschränkten sich Lieferserviceunternehmen nicht mehr auf simple Botendienste, sondern entwickelten sich in einem enormen Tempo zu Food-Plattformen.
Erste Probleme
In Flims-Laax seien die Ghost Kitchens zur Anfangszeit gut angelaufen und das Angebot sei von den Gästen dankbar angenommen worden, erzählt Stutz. Doch schon bald zeigten sich Probleme: «Uns war die Qualität der Produkte wichtig. Wir wollten kein Trashfood anbieten. Deshalb waren wir teurer als sonstige Take-away-Angebote.» Allerdings hätten die Menschen in der Schweiz eine klare Vorstellung davon, wie viel ein Liefergericht kosten dürfe, was die Preisgestaltung erschwert habe. «Es war eine Herausforderung, den höheren Preis zu rechtfertigen, ohne direkten Kontakt zur Kundschaft und ohne Lokal», so Stutz. Noch grössere Probleme habe aber das geringe Volumen der Bestellungen ausserhalb der Ferienzeit bereitet. «In Los Angeles mit rund fünf Millionen Menschen braucht es rund um die Uhr Essen. Das ist hier anders», sagt Stutz. «Wir hatten Spitzenzeiten, etwa im Winter. Im Sommer hatten wir praktisch keinen Absatz.» Ende der Wintersaison 2022 mussten seine Ghost Kitchens schliessen. «Es war eine spannende Erfahrung. Doch ich glaube nicht, dass das Konzept in der Schweiz funktioniert. Der Markt ist einfach zu klein. Zudem erfordert es erhebliche Marketinginvestitionen, um ein ‹unsichtbares› Restaurant online sichtbar zu machen», zieht Stutz Bilanz.
Trotzdem: Die Ghost Kitchens gaben dem Gastrounternehmer wichtige Inputs auf den Weg. «Die Produktion und die Vorbereitung der Gerichte müssen im Zentrum stehen, um eine schnelle und effiziente Lieferung zu ermöglichen», sagt Stutz. «Diese Learnings konnten wir bei der Neukonzeption der Stadiongastronomie der SC Rapperswil-Jona Lakers einfliessen lassen, um die Effizienz zu steigern.» Denn auch hier gelte es, innerhalb von kurzer Zeit einen grossen Ansturm an Bestellungen zu bewältigen.