«Wenn die Verbände jetzt nicht gewaltig investieren, stehen die Branchen vor einem massiven Problem.»
Nach dem pandemiebedingten Gastro-Lockdown klagen viele Betriebe über Personalmangel. Wie nehmen Sie die Situation wahr?
Die Lage ist dramatisch. Ich hatte noch nie so viele Neukunden, darunter viele, von denen ich weiss, dass sie im Normalfall nie auf Vermittlungsdienste zurückgreifen würden. Gerade eben hatte ich einen verzweifelten Gastronomen in der Leitung, dessen Situation für viele Branchenmitglieder exemplarisch ist: Die Gäste sind da, die Lokalität wieder offen – aber es fehlt das Personal, um die Kapazitäten hochzufahren und den Betrieb voll auszulasten. Das ist brutal, gerade in Zeiten, wo Gastronomen dringend darauf angewiesen wäre, endlich wieder Geld zu verdienen. Die fragen sich, wo all ihre Leute hin sind.
Wie lautet Ihre Antwort?
Gastronomie und Hotellerie haben bekanntlich seit Jahren mit Fachkräftemangel zu kämpfen, aber mit der Pandemie hat das Problem eine neue Dimension erreicht. Im zweiten Gastro-Lockdown rutschten viele Berufsleute in die Arbeitslosigkeit und wurden bei der Arbeitsvermittlung auf branchenfremden Alternativen aufmerksam gemacht. Gastro- und Hotellerie-Leute sind im Dienstleistungsbereich überaus gefragt: Sie sind zeitlich flexibel, kundenorientiert und an ein kleines Salär gewohnt. In den vergangenen Monaten haben sich, salopp gesagt, ziemlich viele branchenfremde Unternehmen aus dem Gastro-Topf bedient. Und ich befürchte, dass nicht so schnell zurückkommt, wer abgewandert ist. Denn die Skepsis ist gross, auch unter denen, die geblieben sind. Mitunter lähmt sie die Leute regelrecht.
Inwiefern?
Aus lauter Sorge, was da noch kommen mag, harrt man lieber der Dinge, statt aktiv zu werden. Ich sehe das bei vielen, die noch in Kurzarbeit sind. Das Modell ist super, verstehen Sie mich nicht falsch, aber es kann auch zu einer gewissen Lethargie verführen: Man gibt sich lieber mit 80 Prozent Lohn zufrieden, als sich nach einem neuen Job umzusetzen, denn ein Wechsel birgt Risiken, in diesen unsicheren Zeiten erst recht. Diese Zurückhaltung ist völlig nachvollziehbar, aber sie wirkt lähmend auf den Arbeitsmarkt. Damit der wieder in Schwung kommt, braucht es ein gewisses Mass an Fluktuation – Wechsel, Bewegung, die Angebot und Nachfrage ankurbeln. Aber dafür müssen die Leute zuerst wieder Vertrauen schöpfen, Zuversicht gewinnen, dass es weitergeht mit ihrer Branche.
Welche Berufsleute sind zurzeit besonders gesucht?
Am meisten fehlt es, wie immer, an Köchen. Auch im Service ist der Bedarf riesig. In beiden Berufen gibt es derzeit auch viele Stellen im unteren und mittleren Kader zu besetzen.
Sind gewisse Regionen vom Personalmangel stärker betroffen als andere?
Nein, ich habe den Eindruck, das Problem trifft alle: Stadt und Land, Business- und Ferienregionen. Für Saisonbetriebe in Feriengebieten gestaltet sich die Personalsuche heute zudem schwerer als früher, aber das hat viel mit einer veränderten Einstellung beim Nachwuchs zu tun. Früher waren Saisonstellen bei den Jungen sehr gefragt, weil sie einen Tapetenwechsel und neue Erfahrungen versprachen – ein Abenteuer eben. Danach suchen heute viele junge Leute gar nicht mehr, sie bleiben lieber in ihrer gewohnten Umgebung.
Apropos Jugend: Wie stark wird sich die Corona-Krise aufs Nachwuchsproblem in Gastronomie und Hotellerie auswirken?
Wenn die Verbände jetzt nicht gewaltig in Imagekampagnen investieren, und ich meine, Tausende von Franken, stehen die Branchen vor einem massiven Problem. Pandemiebedingt starten dieses Jahr noch weniger Jugendliche als sonst mit einer Hotel- oder Gastro-Lehre, es waren ja kaum Schnupperlehren möglich. Es gilt, alles Mögliche zu tun, um den Koch- uns Serviceberuf für Jugendliche attraktiv zu machen.
Was raten Sie Arbeitgebern, um potenzielle Mitarbeiterinnen auf sich aufmerksam zu machen?
Erstmal: Pflegen, was man hat. Wer sich vom eigenen Betrieb wertgeschätzt fühlt, wird ihn als Arbeitgeber auch weiterempfehlen. Auch wenn finanziell nicht viel Spielraum besteht, gibt es immer Möglichkeiten, Mitarbeitern gegenüber Anerkennung auszudrücken, und die sollte man wahrnehmen. Wenn es im Unternehmen spezielle Benefits für die Belegschaft gibt, seien es aussergewöhnliche Team-Aktionen, Weiterbildungs- oder andere Entwicklungsmöglichkeiten, empfiehlt es sich, sie auf der Betriebswebsite gut ersichtlich vorzustellen. Die niedrigen Löhne in der Branche lassen sich in der Regel nicht ändern, aber wenn es einem Betrieb gelingt, etwas an den Arbeitszeiten zu schrauben, beispielsweise Zimmerstunden zu reduzieren, steigert das seine Attraktivität ebenfalls deutlich.