«Respekt gegenüber Menschen ist absolute Grundvoraussetzung in diesem Beruf.»
Wie haben sich Ihre Schüler in den letzten 26 Jahren verändert?
Paul Nussbaumer: So wie die Gesellschaft im Allgemeinen: Man definiert sich nicht mehr einfach über die Arbeit und hat viel mehr Perspektiven. Klar, bestimmte Fähigkeiten, etwa das Rechnen oder die Lesekompetenz, sind inzwischen weniger ausgeprägt, dafür nehme ich die junge Generation als sehr neugierig wahr. Sie fragt nach, will den Sinn hinter den Dingen erkennen und ist nicht mehr so obrigkeitsgläubig, wie wir es mal waren.
Was ist eine sinnvolle Ausbildung?
Sie sollte jemandem im Arbeitsmarkt langfristig betrachtet sehr gute Chancen in einem breiten Umfeld öffnen.
Also in Ihrem Fall nicht mehr zwingend nur in der Hotellerie?
Richtig, das ist wohl die stärkste inhaltliche Veränderung der letzten 30 Jahre, wenn man das Konzept der Hotelfachschule betrachtet.
Erklären Sie.
Das Gastgewerbe ist etwas für junge Leute. Spätestens mit 35 Jahren kommt die Frage: Wie schaut mein Lebenskonzept aus? Will ich weiterhin dann arbeiten, wenn alle anderen frei haben? Der grosse Vorteil der Gastronomie und Hotellerie ist nun aber, dass man sehr jung tolle Karrieren machen und später mit den gesammelten Erfahrungen in einem anderen Berufsfeld Fuss fassen kann.
Haben Sie ein Beispiel?
In der Finanzwelt sind Leute aus der Hotellerie durchaus gefragt. Die Produkte der Banken sind im Grund alle ähnlich, sie heissen einfach unterschiedlich. Die grosse Frage ist: Wie kann man einen Kunden davon überzeugen, sich ans Unternehmen zu binden? Es sind die gleichen Themen, die wir in der Hotellerie haben. Von den Banken höre ich, dass man Mitarbeitern den fachlichen Finanzteil beibringen könne, nicht aber das Hospitality-Gen, die Kunst, mit den Leuten umzugehen. Auf diesen Punkt haben wir im Belvoirpark sehr früh gesetzt und gesagt: Wir müssen unseren Absolventen auf dem Arbeitsmarkt möglichst viele Perspektiven bieten.
Unter Ihrer Ägide stieg der Frauenanteil von zehn auf 50 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
Wir beobachten dieses Wachstum seit den Neunzigerjahren. Die Branche ist für Frauen attraktiv, um eine gute Kaderstelle zu erreichen. Entscheidend ist aber, dass man diese Kaderstelle in einem Teilzeitpensum wahrnehmen kann.
Es gibt in der Schweiz eine Vielzahl von renommierten Hotelfachschulen. Wie erleben Sie den Konkurrenzkampf untereinander?
Die Hotelfachschule Lausanne hat als einzige Einrichtung des Landes den Status einer Fachhochschule. Sie ist dadurch aber auch ein total anderes Produkt und keine Konkurrenz für uns. Alle anderen staatlich anerkannten Schulen sind höhere Fachschulen. Dabei bietet der aktuelle Rahmenlehrplan allen genügend Freiraum, um sich zu positionieren.
Wie unterscheidet sich denn der Belvoirpark zum Beispiel von der Hotelfachschule SHL, die der Gewerkschaft Hotel & Gastro Union angehört?
Unsere Herkunft, der Arbeitgeberverband Gastrosuisse, prägt natürlich unsere Kultur und gibt einen gewissen Grundton vor. Dazu kommt die Art und Weise, wie die Schule aufgestellt ist, nämlich mit der Verbindung zum Restaurant Belvoirpark und dem Catering. Wir müssen das Geld erwirtschaften, das wir brauchen, und rennen dafür jedem Café crème hinterher. Letztlich bringt uns das aber die Management-Kompetenz. Die meisten Lehrpersonen bei uns leben das, was sie unterrichten, im Unternehmen auch vor. Das erzeugt eine fantastische Wechselwirkung, weil die Theorie immer die Praxis beflügelt und wir gleichzeitig die Realität direkt in die Schulstube tragen.
Sie sagten einst, der vor fünf Jahren realisierte Neubau lasse sich nur über zusätzliche Angebote finanzieren. Der Belvoirpark muss also wachsen.
Wir haben jetzt mehr Schulungsräume, die wir vermieten, und zusätzliche Seminare, die wir anbieten. In diesem Bereich müssen wir wachsen, das ist Teil der Finanzstrategie. Anders lässt sich so ein Projekt nicht bezahlen. Auch weil wir weder die Anzahl der Studierenden noch die Gebühren erhöht haben. Ein junger Mensch, der Koch oder einen anderen Beruf der Branche gelernt hat, muss sich diese Ausbildung leisten können, nachdem er ein paar Jahre bewusst gespart hat. Das Schulgeld für drei Jahre an der Belvoirpark-Schule kostet, wenn man alles miteinrechnet, 50 000 Franken. Es stellt sich schon die Frage, wer das finanziert? Es sind vermehrt die Eltern und nicht die Absolventen selbst, auch das hat sich stark verändert.