«Ich kann schlecht Sachen erzählen, die nicht stimmen.»
Sie arbeiten seit bald drei Jahrzehnten für die Schweizer Jugendherbergen. Was hält Sie – und notabene viele andere – so lange im Unternehmen?
Janine Bunte: Die Gründe sind unterschiedlich, aber was man sicher sagen kann: Wir pflegen aus unserer Non-Profit-Orientierung und Wertehaltung heraus einen freundschaftlichen, familiären Umgang, der gerade im Vergleich zu gewinnorientierten Firmen besonders ist. Wir schauen zueinander, gehen auf die Bedürfnisse voneinander ein und schaffen ein Umfeld, in dem sich die Mitarbeitenden gern bewegen. Das macht die Schweizer Jugendherbergen schon einzigartig.
Und das liegt daran, dass Sie keinen Gewinn erzielen müssen?
Es vereinfacht die Sache, nicht zuletzt für mich als CEO. Wobei auch wir wirtschaftlichem Druck ausgesetzt sind, kostendeckend arbeiten müssen und eine ökonomische Nachhaltigkeit brauchen – sonst hätten wir die 100 Jahre kaum erreicht. Aber wenn wir Aktionärinnen und Aktionäre im Rücken hätten, stünden wir anderen Erwartungen gegenüber, klar.
Sie kommen aus der Buchhaltung und sind bestimmt ein Zahlenmensch.
Total! Die Zahlen sprechen mit mir. Tatsächlich führe ich eine rege Konversation mit den Zahlen unserer Unternehmung.
Was erzählen die aktuell?
Sie sagen mir allgemein viel. Ich bin überzeugt, dass mir mein Zugang zu Zahlen gewisse Aufgaben als CEO erleichtert. Mit ihnen gelingt es mir, den Mitarbeitenden anschaulich zu machen, warum wir da einen Hebel ansetzen oder dort das Engagement erhöhen müssen. Ich sage nicht einfach an, wie viel Prozent Marge wir zum Beispiel in der Küche brauchen, sondern kann anhand der Zahlen glaubwürdig aufzeigen, warum das so ist. In meiner Kommunikation steckt viel Buchhaltung, dafür wenig Marketing. Ich kann schlecht Sachen erzählen, die nicht stimmen.
Na dann: Was sagen Ihnen die Zahlen denn nun zur momentanen Situation?
Dass es läuft, sehr gut sogar. Sie zeigen mir aber auch, wie fragil die Lage ist. Wir befinden uns in einer schwierigen geopolitischen Lage und wissen nicht, in welche Richtung es geht. Innerhalb von Hostelling International sind wir zurzeit einzigartig aufgestellt: Auch andere nationale Verbände verzeichnen eine hohe Nachfrage, sie kämpfen aber extrem mit der Teuerung und kommen mit den Kosten nicht klar – während bei uns gerade alles ist, wie es sein soll. Es bleibt eine Gratwanderung: Die Nachfrage ist hoch, aber kurzfristig.
Was heisst das?
30 bis 40 Prozent unserer Gäste sind Walk-ins. Je nach Saison erschwert das die Personalplanung stark. Unser gutes Jahresergebnis 2022 etwa kam auch zustande, weil wir auf der personellen Seite sehr sec geplant hatten. Wir waren ein Jahr lang permanent unterdotiert, konnten den Betrieb gerade so stemmen. Am Ende sahen die Zahlen zwar super aus – aber unsere Mitarbeitenden waren arg belastet. Das ist nicht, was wir anstreben. Es kann mal notwendig sein, so zu wirtschaften, aber wir planen das nicht für die nächsten 20 Jahre. 2023 dann stellte sich bei uns Stabilität ein; wir erreichten das Ergebnis, das wir brauchen, um ins Produkt reinvestieren zu können.
Weil die ausländischen Gäste zurück sind?
Nicht unbedingt. Tatsächlich sind wir da aber wieder bei der Quote, die wir anstreben: 30 Prozent Gäste aus dem Ausland, 70 Prozent aus der Schweiz.
Warum ist das der richtige Mix?
Weil wir in Krisenzeiten auf eine gute Stabilität angewiesen sind. 30 Prozent ausländische Gäste können wir, wenn diese wegfallen, mit Einheimischen kompensieren. Das ist der finanzielle Aspekt.
Es gibt noch einen anderen?
In der zivilgesellschaftlichen Zielsetzung der Schweizer Jugendherbergen wäre es wünschenswert, wir hätten einen höheren Anteil ausländischer Gäste: Schliesslich wollen wir diesen zeigen, was unser Land ausmacht, sie einladen, unsere Strukturen kennenzulernen. Unsere Demokratie zum Beispiel ist ein Muster, das wir noch mehr mit der Welt teilen sollten.
Warum ist die Jugi dafür der richtige Ort?
Wegen der Werte, die wir vertreten. Wir stehen fürs Miteinander. In den Jugendherbergen treffen sich die unterschiedlichsten Leute: Businessgäste in Seminaren, Schüler und Studentinnen mit ihren Klassen, Familien im Urlaub, Touristinnen aus dem Ausland ... dazu stossen Nachbarn, die auf einen Kafi oder eine Runde Billard vorbeischauen. So entsteht eine bunte Mischung aus Kulturen und Reisemotiven; man lernt sich kennen, tauscht sich aus, entwickelt Verständnis füreinander. Hier kommt unsere ursprüngliche Ausrichtung zum Tragen: Die Friedensförderung gehört nämlich zur DNA der Schweizer Jugendherbergen. Während wir vor der Pandemie vom ewigen Frieden sprachen und uns allenfalls fragten, ob es unsere Organisation noch braucht, ist heute klar: Es werden auf der Welt nicht nur regionale Kriege ausgetragen. Die Relevanz eines Themas, das seit 1924 in unseren Werten verankert ist, ist erneut gestiegen.