12.06.2018 Salz & Pfeffer 4/2018

Die Zeit scheint reif

Text: Tobias Hüberli – Fotos: Christine Benz
Mit einer Kombination aus Mut, Humor und knallharter Disziplin hat sich Zwei-Sterne-Koch Heiko Nieder die Gunst des Zürcher Publikums erkocht. Aktuell zeigt der Küchenchef des The Restaurant seine Klassiker aus den letzten zehn Jahren.
180517_salzpfeffer_nieder_169.jpg
Hummer mit Erdbeeren, Randen, Estragon und Senf
180517_salzpfeffer_nieder_027_hrk.jpg

«Wir versuchen ständig, das Niveau nach oben zu schrauben.»

Seit zehn Jahren wirkt Heiko Nieder nun schon im The Restaurant des Fünf-Sterne-Hotels The Dolder Grand. An den Stil des eloquenten Hanseaten mussten sich die Zürcher erst einmal gewöhnen. Nieders Gerichte sind durchdacht, komplex aufgebaut, streckenweise verwegen komponiert und bleiben dabei trotzdem immer zugänglich. So lässt der Chef zum Beispiel auch mal ein Kalbsragout mit Morcheln servieren – und verrät den Gästen erst danach, dass er dafür Herz, Lunge und Zunge verarbeitet hat.

Mit diesem Mut, einem angenehmen, trockenen Humor und knallharter Disziplin hat sich Nieder nicht nur die Gunst des zwinglianischen Publikums, sondern auch jene der Tester erkocht. Seit 2011 hält der 46-Jährige zwei Sterne von Michelin, seit 2012 18 Gault-Millau-Punkte. Und die Zeit für den nächsten Schritt scheint reif. Auch weil der Service sowie Sommelière Lisa Bader der Küchenleistung in nichts nachstehen. «Wir versuchen ständig, das Niveau nach oben zu schrauben», lautet Nieders politisch korrekter Kommentar.

Im aktuellen Menü schaut er zurück und zeigt seine Klassiker aus dem letzten Jahrzehnt. Dazu gehören der im Kamillen-Rapsöl-Sud sanft «wachgeküsste» Saibling und natürlich der Hummer mit Erdbeeren, Estragon und Randen, ein Gang, der ihn seit Beginn im Dolder begleitet und der immer wieder verfeinert wurde. «Ich erinnere mich gut an die Urform des Gerichts», sagt Nieder. «So als wäre es gestern gewesen.»

Legendär ist mittlerweile auch das nur über Mittag angebotene Amuse-Bouche-Menü, der inoffizielle Businesslunch des The Restaurant. Dabei erhält der Gast in fünf Gängen (aber kleinen Portionen) einen Einblick in das aktuelle Schaffen der Brigade. Mit dem Angebot hat Nieder nicht nur eine perfekte Einstiegsdroge geschaffen, sondern kann auch die kleineren Edelstücke verwerten (etwa jene vom Schwanzstück), die sich im Abendservice schwerlich verarbeiten lassen. Fast innert Stunden ausverkauft war übrigens die fünfte Ausgabe des Gourmetfestivals Epicure, das vom 11. bis 16. September stattfindet. Dieses Jahr lockt Nieder unter anderem die Drei-Sterne-Köche Heinz Beck, Peter Knogl und Norbert Niederkofler oder aber das japanische Ausnahmetalent Yosuke Suga nach Zürich.

The Restaurant
Hotel The Dolder Grand
Kurhausstrasse 65, 8032 Zürich
044 456 60 00
www.thedoldergrand.com

Saibling mit Raps und Kamille
Saibling mit Raps und Kamille
Weisser Spargel mit Ei, Kresse und Kaviar
Weisser Spargel mit Ei, Kresse und Kaviar

Hummer mit Erdbeeren, Randen, Estragon und Senf

Hummer
2 Stk. Hummer à 500 bis 600 g, vom Panzer befreit und in gewünschte Grösse zerteilt

Limonenöl-Marinade
150 ml Geflügelfond reduziert auf 100 ml | 60 ml Limonenolivenöl | 2 g Limonensaft
Das Limonenolivenöl mit einem Löffel (nicht mit dem Schneebesen, damit es klar bleibt) in den reduzierten Geflügelfond einrühren. Die Marinade mit Limonensaft abschmecken und die Hummerstücke damit marinieren. Lauwarm servieren.

Estragonschaum
2 Bd. Estragon | 250 g stilles Wasser | 3 g Himalaya-Salz | 1 Spritzer Limonensaft | 3 Bl. Gelatine
Estragon mit Wasser und Salz fein mixen und passieren. Eingeweichte Gelatine in etwas Wasser auflösen und dazugeben. Passieren. Die Masse auf Eis mit Hilfe eines Handrührgeräts luftig aufschlagen. Anschliessend den leicht gelierten Schaum in ein Gefäss füllen und gleichmässig verteilen. Den Schaum im Kühlschrank durchkühlen lassen. Den erkalteten Schaum in gleichmässige Würfel schneiden.

Erdbeersalat
100 g Erdbeeren | 10 g Himbeeressig | 10 g Limonenolivöl | 1 Prise Salz | 2 Spritzer Limonensaft
Erdbeeren in kleine gleichmässige Würfel schneiden und mit den restlichen Zutaten marinieren.

Randen
2 Stk. Randen
Randen waschen, in Aluminiumfolie einschlagen und im Ofen bei 180° Celsius zirka 3 bis 4 Stunden garen. Anschliessend schälen und in die gewünschte Form bringen.

Randenchips
150 g Randen | 20 g Olivenöl | 3 Bl. Gelatine | Salz | Zucker
Randen mit Olivenöl, Salz und Zucker in Alufolie dünsten. Alles im Mixer pürieren. Gelatine in der Masse auflösen und alles passieren. Masse dünn aufstreichen und trocknen lassen. In die gewünschte Form brechen.

Zum Anrichten
Erdbeerscheiben | Randenkresse | Orangenabrieb | Estragonblätter (gezupft) | Erdbeerblüten | Crème fraîche | Maldon-Salz | Senf (mittelscharf)

Saibling mit Raps und Kamille

Kamillen-Rapsöl-Sud
0,3 l Geflügelfond (auf 0,25 l reduziert) | 5 g Kamillenteeblüten (getrocknet) | 200 g Butter (kalt, in Würfel) | 80 ml Rapsöl (kaltgepresst) | Limone
Geflügelfond reduzieren, den Kamillentee in den heissen Fond geben, drei Minuten ziehen lassen und durch ein feines Sieb passieren. Anschliessend die kalten Butterwürfel und das Rapsöl emulgieren. Mit Limone abschmecken.

Saibling
Filet (mit Haut, nur Rückenstücke) | geklärte Butter | Limonenolivenöl | Himalaya-Salz | Saiblingsrogen | Croûtons | Limonenabrieb
Geklärte Butter (4/5) und Limonenolivenöl (1/5) in ein tiefes Blech geben. Fischfilet salzen, in der Butter-Öl-Mischung wenden, Hautseite nach oben und mit Frischhaltefolie abdecken. Im Ofen bei zirka 70° C langsam garen. Saibling ist gar, wenn man die Haut abziehen kann. Anschliessend mit Rapsöl-Marinade nappieren.

Rapsöl-Marinade
150 ml Geflügelfond (reduziert auf 100 ml) | 60 ml Rapsöl (kaltgepresst) | 2 g Limonensaft
Das Rapsöl mit einem Löffel (nicht mit dem Schneebesen, damit es klar bleibt) in den reduzierten Geflügelfond einrühren. Die Marinade mit Limonensaft abschmecken.

Radieschenblätter-Petersilien-Öl
4 Bd. Radieschen (nur die Blätter) | 30 g Blattpetersilie | 80 g Pflanzenöl
Alle Zutaten zusammen im Thermomix bis 80° C mixen. Anschliessend die Masse passieren, in einen Einwegspritzbeutel abfüllen und diesen aufhängen, sodass sich das Öl von der Flüssigkeit trennt. Die abgesetzte Flüssigkeit durch ein kleines Loch in der Spitze vom Spritzbeutel abfliessen lassen. Das entstandene Radieschen-Petersilien-Öl in ein Gefäss abfüllen und bis zum Gebrauch kaltstellen.

Zum Anrichten
Saiblingsrogen | Radieschenstifte | Gurkenschalenstifte | Rapssaat (gepoppt) | Kartoffelwürfel (gebacken) | Rapsblüten | Mini-Portulak | Maldon-Salz

Weisser Spargel mit Ei, Kresse und Kaviar

Spargel-Fond
300 g Spargelabschnitte (klein geschnitten) | 300 g Wasser |6 g Salz | 6 g Zucker
Alle Zutaten zusammen aufkochen und zirka 30 Minuten ziehen lassen. Passieren.

Spargel
500 g Spargel (geschält), in gleichmässig dünne «Spaghetti» geschnitten) | Spargelfond | Salz | Zucker | Limone
Spargelstreifen vorsichtig mit Hilfe eines Küchengarns in Bündel portionieren und im abgeschmeckten Spargelfond garen. Rechtzeitig herausnehmen und an der Luft abkühlen lassen.

Spargel-Eigelb-Sauce
120 g Spargelfond und 50 g Geflügelfond (auf 100 ml reduziert) | 120 g Butter (kalt, in Würfel geschnitten) | 80 g Eigelb | Salz | Zucker | Limone | 30 g Spargelfond
Den reduzierten Fond lauwarm mit kalter Butter und Eigelb binden. Dabei ständig rühren und auf 60° C erhitzen. Passieren und sofort servieren.

Eiweiss-Kügelchen
Eiweiss
Glattgerührtes Eiweiss tropfenweise aus der Spritzflasche in zirka 95° C warmes Fett geben. 5 Minuten warten, herausnehmen, entfetten, salzen.

Spargel-Luft
250 ml Spargelfond (reduziert auf 150 ml) | 300 ml Milch | Salz | Zucker | Limone
Alle Zutaten zusammen erwärmen und abschmecken. Mit Hilfe eines Handmixstabs gut aufschäumen.

Spargel-Marinade
150 ml Geflügelfond (reduziert auf 100 ml) | 60 ml Baumnussöl | 2 g Spargelessig
Das Baumnussöl mit einem Löffel (nicht mit dem Schneebesen, damit es klar bleibt) in den reduzierten Geflügelfond einrühren. Die Marinade mit Spargelessig abschmecken.

Baumnuss-«Flips»
80 g Baumnusspaste | 70 g Wasser (kalt) | 2 Stk. Eiweiss
Baumnusspaste und Wasser mischen und einrühren. Eiweiss anschlagen und unter die Masse heben. Die entstandene Masse mit Hilfe eines Saucen-Dispensers in heisses Frittierfett tropfen lassen. Kurz aufpoppen lassen, herausnehmen, entfetten und leicht salzen.

Zum Anrichten
Brunnenkresse (fein, mariniert) | Kaviar | Kochschinken (in feine Streifen geschnitten) | Baumnuss (geröstet, gehackt) | Baumnussöl