«Ich bin sehr, sehr positiv überrascht, wie das Projekt meinem Sohn gelungen ist.»
Am 23. April, einen Tag nach Ihrem 70. Geburtstag, übergaben Sie unter anderem die operative Leitung der Bindella-Gastronomie an Ihren Sohn Rudi junior. Wieso genau jetzt?
Rudi Bindella: Bundesrat Furgler sagte einmal, zu einer guten Führung gehöre auch der richtige Zeitpunkt, um das Zepter weiterzugeben. Ich habe mir immer vorgenommen, diesen Schritt nicht zu spät zu machen. Die Übergabe an meinen ältesten Sohn geschah fliessend. Wir arbeiten nun schon acht Jahre zusammen. Ich habe ihn überall nachgezogen und reinschauen lassen, speziell auch in die Gastronomie, mit der er sich am liebsten beschäftigt.
Und nun? Golfplatz?
Ich arbeite genau gleich weiter. Das Weingeschäft, die Handwerksbetriebe und die Finanzen habe ich immer noch bei mir. Es gibt also überhaupt kein Problem mit meiner Auslastung. Aber bei der operativen Verantwortung braucht es einen sauberen Schnitt, da gibt es keinen Graubereich. Für unsere Restaurants haben wir diesen Schritt vollzogen.
Da ziehen Sie sich also zurück?
Ich werde immer noch in den Restaurants sein und zum Beispiel auch weiterhin die Reklamationen bearbeiten. Neu ist einfach eine klare Abgrenzung. Mein Sohn Rudi ist ab sofort der Ansprechpartner für unsere Geschäftsleitung Gastronomie unter Daniel Müller. Wir werden aber noch immer das Dreiergespräch führen. Ich bin gerne weiterhin dabei, weil es mich interessiert. Mit dem Unterschied, dass ich bei entsprechenden Entscheidungen keine Stimme habe, also im Zweifelsfalle überstimmt werden könnte.
Welche Werte haben Sie Ihren Kindern vermittelt?
Respekt finde ich wichtig. Bescheidenheit, Demut, Fleiss, Begeisterung, Leidenschaft und Qualitätsbesessenheit, wenn das denn ein Wert ist. Und Verlässlichkeit. Bei Wilhelm Tell gibts einen Satz, der mich bereits als 16-Jähriger beschäftigt hat und den ich als Verantwortlicher eines Unternehmens oder als Vater einer Familie zu leben versuche: «Der brave Mann denkt an sich zuletzt.»
Wie erlebten Sie die Übergabe von Ihrem Vater an Sie?
Es war eine ähnliche Ablösung wie jetzt. Ich begann als Zehnjähriger im Geschäft mitzuhelfen. Zum Beispiel wusch, befüllte und etikettierte ich Flaschen oder lieferte Pakete aus. So wuchs ich an der Seite meines Vaters auf. Ich hatte ihn gern, verehrte ihn und fand toll, wie er das macht. Ganz unabhängig von der Branche wollte ich einfach auch einmal so eine Persönlichkeit werden wie er. Vor der Übergabe arbeiteten wir dann sieben Jahre Schulter an Schulter. Das war eine gute, sehr anspruchsvolle Zeit.
In welcher Situation befand sich die Bindella-Gastronomie damals?
Wir hatten sieben Restaurants, eine ziemlich bunte Palette, darunter ein Kleinhotel und einen Nachtbetrieb. Ich versuchte, eine klare Italienkompetenz aufzubauen, was mir weitgehend gelang. Die neue Generation übernimmt sicher ein Unternehmen mit einem klareren Marktprofil. Wobei ich das nicht bewerten will. Es gibt andere Gastronomen, die je nach Standort und Konzept etwas anderes machen und damit Erfolg haben. Wir fanden einfach, dass Italien zu uns passt, beim Wein wie auch bei der Gastronomie.
Im Terrasse in Zürich oder im National in Winterthur fehlt dieser Italienfokus allerdings.
Stimmt, das Gleiche gilt für den Berner Kornhauskeller. Aber das sollen Ausnahmen bleiben. Gerade weil es heute so viele Ideen, Strömungen und Konzepte gibt, kann der Weg eines Unternehmens auch sein, noch stärker bei einer Sache zu bleiben, um sich von anderen abzuheben. Den Italienfokus wollen wir darum nicht aufbrechen. Geöffnet haben wir uns dafür in Bezug auf Essensgewohnheiten. Es war mein Sohn, der mit den beiden Restaurants Più unsere ersten Take-away- und Selbstbedienungskonzepte initiierte.
An der Eröffnung des ersten Più vor dreieinhalb Jahren hielten Sie eine etwas besorgt wirkende Rede. Erinnern Sie sich daran?
Nicht im Detail. Aber ich versuchte damals, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. Wir begaben uns in ein neues Geschäftsfeld. Sohn Rudi war sehr überzeugt, dass das gut kommt. In meinem Alter ist man natürlich vorsichtiger als mit 30. Das war mit mir und meinem Vater nicht anders gewesen. Mit dem ersten Più merkten wir schnell, dass der Standort und die Liegenschaft gut sind. Ich bin sehr, sehr positiv überrascht, wie das Projekt meinem Sohn gelungen ist. Es ist ja immer schwierig, wenn man im Schatten eines Vaters aufwächst. Aber alles, was er bis jetzt angerührt hat, ist ihm gelungen. Und wenn Sie sehen, dass es die Jungen genauso gut, wenn nicht besser machen, können Sie auch plötzlich loslassen. Dieser Prozess ist nun voll im Gang.