Dort gibt es nämlich reichlich davon. In fast jeder Form, ausser in der gewünschten.
Am gewünschtesten ist die richtige Temperatur. Die regelt man am Wassermischer. Blau steht für Erfrierung, rot für Verbrühung. In manchen Hotels allerdings steht blau für Erfrierung und rot auch für Erfrierung. Es gibt auch Brausen mit Menu surprise. Und weil der Wassermischer traditionellerweise oft direkt unter der Brause montiert ist, vermutlich damit die Wand auf der andern Seite nicht verunstaltet wird, weiss man schon beim ersten Strahl, ob man heute erfriert oder sich doch eher verbrüht. Wahlweise kann man nach dem Aufdrehen auch schnell nach hinten springen und sich dabei die Haxe brechen. Oder man nimmt die Handbrause herunter und testet die Kaltfronten und Hitzewellen an einem Versuchsorgan nach Wahl. Darüber hinaus sind einige Mischer trotz roter und blauer Seite farbenblind und vollziehen auch nach Minuten des Duschens noch atemraubende Temperatursprünge zur Förderung der Koprolalie-Emissionen.
Am schnellsten geht der Temperaturfindungsprozess beim modernen Einhebel-Wassermischer. Ausser wenn er klemmt. Dann vollzieht er sich anfangs gar nicht, danach ruckartig. Manche Modelle bieten im Klemmmodus eine Fingerquetschoption. Für ein Plus an Spass sorgt ein höhenverstellbarer Gleiter, der an der Brausestange nach unten rutscht und dessen ausgeleiertes Kugelgelenk das Gewicht der Brause einknicken lässt.
All dies ist natürlich nur in Billighotels der Fall. In Luxushotels gibt es sowas nicht, ausser in deinem. Die übrigen zahlenden Fünfsterngäste aber lassen sich beglücken von modernen «Power & Soul Handbrausen» mit «SpeedClean Antikalk- System» und einer von der Nasa entwickelten Anordnung der Düsen. Die Strahlart «Smooth» streichelt zärtlich, «Volumen» vitalisiert wie ein Wasserfall und die bei «Booster» aktivierten Powerdüsen in der Mitte fräsen Löcher in die Schädeldecke.
Derzeit hip sind Deckenbrausen für Duschgenuss in völlig neuen Dimensionen. Deckenbrausen sind 3456-fach verstellbar und bieten «Rain», «SmartRain», «Champagne-Strahl», «Tropical-Rain», «Schwallbrause», «Rain-Dance», «Intense- Rain», «Turbo-Rain», «Soft-Rain», «Massage-Rain», «Shampoo-Rain» oder «Inkontinenz-Drop». Bereits sollen erste Gäste bei der mehrstündigen Programmauswahl erfroren sein, weshalb die Anbieter ein zusätzliches Shuffle-Programm entwickelt haben, das entscheidungsscheue Benutzer beim Überleben unterstützen soll.
«Die bei ‹Booster› aktivierten Powerdüsen fräsen Löcher in die Schädeldecke.»
Robust sind die Systeme für Berghotels, deren hartgesottene Gäste draussen Schöffel und Caterpillar tragen. Sie lieben naturnahe Rustikalprogramme wie Regen, Platzregen, Sprühregen, Nieselregen, Graupelschauer, Schneetreiben, Hagel, Kugelhagel, Stahlgewitter und Hartaberherzlich-Booster. Und antibakterielle Fussduschen. Feine Businesshotels in der Stadt setzen bei den Deckenbrausen eher auf Ultraslim-Geräte der Spitzenklasse mit LED-Beleuchtung, Select-Strahlartauswahl per Tastendruck und «RainO2 Airpower-Wasserbelüftungssystem » zur Regen-Simulation. Leider sind die Ingenieure bis dato nicht im virtuellen digitalen dreidimensionalen Kommunikationszeitalter angekomangekommen. Dabei ist offline duschen wirklich von gestern. Die Duschen der Zukunft gehen beim Betreten online, begrüssen den Gast akustisch und optisch auf dem Display mit Namen. Sie bieten Orientierungshilfen wie «Gäste, die Tropical- Rain benutzen, schätzen auch Soft- Rain» oder «am Sonntagmorgen ist bei Gästen über 50 die Schwallbrause besonders beliebt». Nach der Dusche leuchten auf dem Touchscreen sechs Smileys auf, mit denen man das Duscherlebnis bewerten kann. Wer möchte, darf seine Lieblingseinstellung an der Rezeption beim Einchecken angeben oder auf dem iPad im Zimmer vornehmen. Die 90-sprachige App ist vorinstalliert und wird zweiwöchentlich aktualisiert.
In Berg- und Backpackerhotels fehlen Duscharmaturen, die den Verschmutzungsgrad der Gäste selbständig bestimmen und geeignete Programme vorschlagen. Nach der Dusche soll der Gast vom eingebauten «Dyson Ganzkörper Airblade» trocken geföhnt werden, «Brise» oder «Wellness», angereichert mit «Caribbean», «Flowerrose» und 2000 weiteren dermatologisch getesteten Duftnoten. Für Männer: Intensität «Mach4 unlimited », Duftnote «Black Jack Daniel’s». Und natürlich soll eine Dusche auch akustisch rieseln, die Playlists reichen von Beatrice Egli in Berghotels, Sales-Hörbüchern in Businesshotels und Muezzin-Gesängen in Interlaken.
In zehn Jahren aber, in zehn Jahren des Digital- und 3D-Duschens wird retro hip sein. Weil wir uns nach all der Technik zurücksehnen werden nach jener Zeit voller Geborgenheit und Bodenständigkeit, in welcher wir noch bescheiden und natürlich duschten, unter einer einfachen Brause mit warmem und kaltem Wasser, die nicht funktioniert.